Isleggendorfers Humoristische Blätter.
9
Der Genius.
liegenden Baumxark H8lt sie still. In dem bsause wohnte ein
Tondichter mit stolzem Namen, und vor den trat sie, ruhig und
ernst.
„Jch bin der Genius", sagte die Gestalt, „nimm mich bei
dir aufl"
„wenn ich dich bei mir aufnehme", entgegnete der Ton-
künstler, „was willst du mir dafiir geben?"
Ich gebe dir wunderbare Melodieen, neue, reiche Ideen,
die Kraft, bsöchstes und Unvergängliches zu schaffen; ich gebe
dir das Sehnen nach dem bsöchsten und Unvergänglichen . . ."
„Laß hören deine neuen Ideen und deine Ntelodieen!"
Der Genius griff zur bsarfe und sxielte; der Tondichter legte
sich bequem in seinen weichen Sessel zurück und lauschte.
„Das war sehr schön," sagte er, als die Frauengestalt geendet
hatte, „aber so etwas ist heute nicht Ukode. Aannst du dagegen
etwas, das Ruhm bringt und Gold, das noch mehr einbringt
wie meine Runst, so laß hören."
Der Genius sprach von stolzem Ringen mit einer widerstrebenden
welt; von dem steilen, steilen weg zur ksöhe, zu einer Lsöhe,
auf der der auf ihr Angelangte wie eine Leuchtsäule durch die
Zeiten und völker strahlen würde; aber der Aomxonist schüttelte
kühl das Lsauxt: „Das alles kann ich nicht brauchen; wenn du
nichts anderes kannst, dann geh!"
Trüb neigte der Genius sein bsaupt und ging.
Lr kam weiter zu einem Ulann der Wissenschaft, der zwischen
seinen Büchern und Retorten saß und die Gesetze des Werdens
und Lebens studierte. Lr xredigte diesem von neuen gewaltigen
Lntdeckungen und Lrfindungen, die die welt bewegen und um-
gestalten würden, vom stolzen Aamxf mit der blindcn Schar der
Zunftgenossen, von gigantischen Uriegen gegen eine ganze welt,
und der Gelehrte saß dabei mit flammenden Augen und glühenden
Wangen. Als der Genius aber geendet hatte, erhob er sich,
hüstelte verlegen und sagte dann:
„Wunderbares Ulädchen, deine Wissenschaft ist groß und
schön; aber wenn du im Frieden leben willst, so bewahre sie tief,
tief im Busen. Ich kann damit nichts zu thun haben, darum,
— so leid es mir thut, — — gchl"
Weiter ging die Frauengestalt und ging.
Sie kam in die eigentliche Stadt, kam an ragenden Türmen
und Uuxxeln vorüber, und endlich stand sie vor einem stolzen
Gebäu, dem Theater des Stadtteils.
Daneben wohnte in einem hohen Lsause in behaglich einge-
richteter wohnung ein junger Dramatiker, bei dem vorzusxrechen
sie sich entschloß.
„Nimm mich auf," sagte sie zu dem Uianne, „laß mich mit
dir arbeitenl Linen Feuerbrand wollen wir schleudern in die
Welt, ein weithinstrahlendes Leuchtfeuer fiir die im dunkeln
wimmelnde Ntenscheit; laß uns den weg weisen in eine schöne,
frohe Zukunftl vielleicht werden die Utenschen uns lästern, wie
sie alles schmähen, das ihrem auf das Gegenwärtige gerichteten
Sinn nicht begreiflich erscheint; uns Steine in den weg rollen
werden sie vielleicht und Dornen xflanzen zu den Seiten; aber
ich will dich fiihren zu stolzer, einsamer Lsöhe, und wenn du
dort stehst, dann sollst du vergessen Ukühsale und Lntbehrungen,
Uummer und Thränen: Ueber dir die Sonne, die gewaltige,
strahlendeSonne, sosollstdudannsterbendenTod, dengroßenTod."
„verrücktl" dachte der sunge Dramatikcr bei sich, und dann
erhob er sich und antwortete in bedauerndem Tone:
„Die Idee ist zweifellos groß und gewaltig; aber ich bin in
einiger verlegenheit, wie ich sie jetzt zur Ausführuug bringen
soll. Ich habe andere Arbeiten da; Arbeiten, die notwendig
sind, weil Sie vor allen Dingen mir eine Position im Leben
schaffen sollen. wenn ich die erst habe, nun, dann wollen wir
anch einmal über die Sache sprechen. Ich bin sonst durchaus
nicht abgeneigt; aber jetzt ist's unmöglich, ganz unmöglich."
<Lm malyiöfer Richter.
Richter lzur angejahrten Zeugin): „Und nun wollen Sie mir
Ihr Alter klagen." _
Klrasrnildernd.
verteidiger: „lqoher Gerichtshof, ich bitte zu berücksichtigen,
daß mein Ulient erblich belastet ist."
Richter (zum Angekiagt-n): „was war denn Ihr vater?"
Angeklagter: „Lyrischer Dichter."
Aatale Verwechslung.
— „Sie Dienstmann, bringen Sie mir die Schachtel schleunigst
ins bjotell"
Dienstmann: „Ich bitt' schön, gnädiges Fräulein, der char-
mante bserr dort hat mir aufgetragen, Sie schleunigst
nachzubringen."
— „Ach ich wußte es ja, daß noch der richtige Mann für mich
kommen wird l"
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Der Genius.
liegenden Baumxark H8lt sie still. In dem bsause wohnte ein
Tondichter mit stolzem Namen, und vor den trat sie, ruhig und
ernst.
„Jch bin der Genius", sagte die Gestalt, „nimm mich bei
dir aufl"
„wenn ich dich bei mir aufnehme", entgegnete der Ton-
künstler, „was willst du mir dafiir geben?"
Ich gebe dir wunderbare Melodieen, neue, reiche Ideen,
die Kraft, bsöchstes und Unvergängliches zu schaffen; ich gebe
dir das Sehnen nach dem bsöchsten und Unvergänglichen . . ."
„Laß hören deine neuen Ideen und deine Ntelodieen!"
Der Genius griff zur bsarfe und sxielte; der Tondichter legte
sich bequem in seinen weichen Sessel zurück und lauschte.
„Das war sehr schön," sagte er, als die Frauengestalt geendet
hatte, „aber so etwas ist heute nicht Ukode. Aannst du dagegen
etwas, das Ruhm bringt und Gold, das noch mehr einbringt
wie meine Runst, so laß hören."
Der Genius sprach von stolzem Ringen mit einer widerstrebenden
welt; von dem steilen, steilen weg zur ksöhe, zu einer Lsöhe,
auf der der auf ihr Angelangte wie eine Leuchtsäule durch die
Zeiten und völker strahlen würde; aber der Aomxonist schüttelte
kühl das Lsauxt: „Das alles kann ich nicht brauchen; wenn du
nichts anderes kannst, dann geh!"
Trüb neigte der Genius sein bsaupt und ging.
Lr kam weiter zu einem Ulann der Wissenschaft, der zwischen
seinen Büchern und Retorten saß und die Gesetze des Werdens
und Lebens studierte. Lr xredigte diesem von neuen gewaltigen
Lntdeckungen und Lrfindungen, die die welt bewegen und um-
gestalten würden, vom stolzen Aamxf mit der blindcn Schar der
Zunftgenossen, von gigantischen Uriegen gegen eine ganze welt,
und der Gelehrte saß dabei mit flammenden Augen und glühenden
Wangen. Als der Genius aber geendet hatte, erhob er sich,
hüstelte verlegen und sagte dann:
„Wunderbares Ulädchen, deine Wissenschaft ist groß und
schön; aber wenn du im Frieden leben willst, so bewahre sie tief,
tief im Busen. Ich kann damit nichts zu thun haben, darum,
— so leid es mir thut, — — gchl"
Weiter ging die Frauengestalt und ging.
Sie kam in die eigentliche Stadt, kam an ragenden Türmen
und Uuxxeln vorüber, und endlich stand sie vor einem stolzen
Gebäu, dem Theater des Stadtteils.
Daneben wohnte in einem hohen Lsause in behaglich einge-
richteter wohnung ein junger Dramatiker, bei dem vorzusxrechen
sie sich entschloß.
„Nimm mich auf," sagte sie zu dem Uianne, „laß mich mit
dir arbeitenl Linen Feuerbrand wollen wir schleudern in die
Welt, ein weithinstrahlendes Leuchtfeuer fiir die im dunkeln
wimmelnde Ntenscheit; laß uns den weg weisen in eine schöne,
frohe Zukunftl vielleicht werden die Utenschen uns lästern, wie
sie alles schmähen, das ihrem auf das Gegenwärtige gerichteten
Sinn nicht begreiflich erscheint; uns Steine in den weg rollen
werden sie vielleicht und Dornen xflanzen zu den Seiten; aber
ich will dich fiihren zu stolzer, einsamer Lsöhe, und wenn du
dort stehst, dann sollst du vergessen Ukühsale und Lntbehrungen,
Uummer und Thränen: Ueber dir die Sonne, die gewaltige,
strahlendeSonne, sosollstdudannsterbendenTod, dengroßenTod."
„verrücktl" dachte der sunge Dramatikcr bei sich, und dann
erhob er sich und antwortete in bedauerndem Tone:
„Die Idee ist zweifellos groß und gewaltig; aber ich bin in
einiger verlegenheit, wie ich sie jetzt zur Ausführuug bringen
soll. Ich habe andere Arbeiten da; Arbeiten, die notwendig
sind, weil Sie vor allen Dingen mir eine Position im Leben
schaffen sollen. wenn ich die erst habe, nun, dann wollen wir
anch einmal über die Sache sprechen. Ich bin sonst durchaus
nicht abgeneigt; aber jetzt ist's unmöglich, ganz unmöglich."
<Lm malyiöfer Richter.
Richter lzur angejahrten Zeugin): „Und nun wollen Sie mir
Ihr Alter klagen." _
Klrasrnildernd.
verteidiger: „lqoher Gerichtshof, ich bitte zu berücksichtigen,
daß mein Ulient erblich belastet ist."
Richter (zum Angekiagt-n): „was war denn Ihr vater?"
Angeklagter: „Lyrischer Dichter."
Aatale Verwechslung.
— „Sie Dienstmann, bringen Sie mir die Schachtel schleunigst
ins bjotell"
Dienstmann: „Ich bitt' schön, gnädiges Fräulein, der char-
mante bserr dort hat mir aufgetragen, Sie schleunigst
nachzubringen."
— „Ach ich wußte es ja, daß noch der richtige Mann für mich
kommen wird l"