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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0016
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McZgendorfsrs k>urnoristischs Blälter

„iZott, was habcn Se for scheene Zähn', Frau von Löw'I"

„Seine ÄXcellen?."

'^^ie wintersaison mit ihren gesellschaftlichen Anstrengungen, ihren Bällen,
/ Abendgesellschaften, Diners, Iours fir bei verhaltenem Gähnen, lag wieder
einmal hinter uns. Lsunderte von vätern und Müttern der „Gesellschaft"
aimeten in dem erlösenden Bewußtsein auf, daß alles „gelungen"; die Dame des
bsauses ließ Gläser und Teller Revue passieren, um sestzustellen, wie viel den
weg alles porzellans gegangen, die sungen Mädchen, die das erste Mal ausgegangen
marcn, Lberzählten wie Indianer Skalpe, ihre Balltrophäen, bereits vertrocknete
Rotillonbouquets, wobei die Mama die wehmütige Betrachtung anstellte, welche
Menge von Sträußen auf eine einzige verlobung zu rechnen sind. —

ver Frühling war ins Land gezogen, alles grünte und blühte und in meinem
bserzen erwachte der Wandertrieb, der uns die langvermißten Schwalben zurückgebracht
hatte. vierzehn Tage darauf packten wir — meine klcine Frau und ich — die Kosfer;
wir hatten beschlossen, uns von den Anstrengungen der Geselligkeit und dem Treiben
und Trubel der bsauptstadt in der Stille harzdufiender vogesenthäler zu erholen und
in Linsamkeit und Natur schwelgend, dem Menschen (komo sapiens) nach Möglich-
kcit zu enlfliehen. Die vogesen, meinte meine Frau, seien dazu besonders geeignet,
weil sie vom Strom des großen verkehrs noch nicht so überflutet, wie ksarz, Riesen-
gebirge etc. und weil wir dort am wenigsten der „Freude" ausgesetzt seien, „liebe"
Bekannte begrüßen zu können.

In einem idyllischen Thale, inmitten grüner Matten lag unser Reiseziel, eine
Brtschast, die erst in letzter Ieit in „weiteren Kreisen bekannt zu werden anfing;"
in einem großen Logierhause, das, nach Schweizer Art gebaut, von geräumigen
Balkonen umzogen war, sanden wir bei einem freundlichen lvirte Unterkunft. von
allcn Seiten trat der dunkelgrüne Fichtenwald bis ganz nahe an die ksäuser des Grts
heran, so daß wir bei sast stets geöffnetem Fenster lvaldgrün und Walddnft aus
nächster Nähe genoffen und uns die felsumklammernden lvaldbäume beim Lrwachen
Morgenlieder und abends sehnsuchtsvolle Melodieen ins Bhr rauschten und flüsterten.

Der aufmerklame Willi.
 
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