Me g g e „ do r fe r s H u in o ri st i s ch e Blätter.
s03
wie Herrn t)urzel das ^eiraten verging.
gaßen vor Lrstauncn sich zu schließen. Lrst als uian sich über-
zeugt hatte, daß der also Lcdrohte in blühender Gesundheit an,
Tische saß, fand inan Worte nach den nähcren Uinständen sciner
gliicklichen Lrrettung zu fragen.
bserr Purzel stärkte sich durch einen kräftigen Trunk, der
die liebliche Röte seiner Rase bis zur Gliihhitzc eutflanimte.
Der Ureis riickte enger zusainmcii, als handelte sich's iim die
Erzählung eines recht schaurigcn Ulärchens, und lserr Purzel
berichtete seine Leidensgcschichte folgenderinaßeni
„Ich war damals im fünfunddreißigsten Iahr und fing an,
mich ein wenig einsam zu fühlen. Ich hegte daher den ernst-
haften wunsch zu hciraten, und das Unglück wäre viollcicht
längst.geschehen gewesen, wenn ich etwas kseiratbares zur lsand
gchabt hättc. Lndlich hatte ich in meinem Bekanntcnkreise ctwas
gefunden, das mir zusagte. Ich merkte aus tausend kleincn An-
zeichen, daß sie der partie nicht abgeneigt war und es hätte
meinerseits nur cin lvort gekostet, aus uns bciden ein j)aar zu
machen. Ls kamen mir allerdings Bedenken allerlci Art und
ich kam aus nieiiiem Schwanken nicht heraus. Ucbcr cin Pferd
kann man nicht eher urtcilen, als bis man es im Geschirr hat
gchen sehen. Ulit den Frauen ist es nicht vicl anders. Lndlich
aber faßte ich niir ein lserz und bereitcte mich vor, morgen vor-
inittag an einem Sonntag — meinc Lrklärung zu machcn.
ging, saßen drei Ulann da und schliefen den Schlas der Gerechten.
Sic würden sogar die jdosaune des jüiigslen Gerichts überhört
habcn, und ivenn sie sie gehört hättcn, so hätten sie doch nicht
ausstehen köniien. Diese stark bescligten drci Ulann waren das
Geburtsiagskind, Lonradchen und leider — ich selber. Mir drei
waren die Letztcn; alle anderen hatten sich vorher gedrückt.
Der wirt war einigermaßen in verlegenheit, was er mit
uns beginneii sollte; da kam es wie cine Lrleuchtung übcr ihn.
Lr schickte seinen Ucllncr nach dcm nahcn Droschkenhaltcplatz,
die Droschke kam, der Aellner lief, wir wurden von vier kräsiigen
Armen in das Inncre des vehikels geleitet, wo wir, kaum auf
den Sitzpolstern placiert, dcn unterbrochencn Schlaf mit womög-
lich tieserem Lrnst wicder aufnahmeii.
„Sehen Sie, Kutscher, das da ist lserr Soundso, wohnt
da und da. Das hier ist lserr jdohlandt und wohut da und da.
Dort ist Herr Lonrad, der wohnt da und da. Alles crste Ltage.
Sie lassen sich vom lvächter das lsaus ösfnen und liefern dann
jeden lserrn gewisscnhast ab."
Der Uutschcr schmunzelte und suhr davon. Das etwas plötz
liche Anziehen des pfcrdes mußtc uns Insassen wohl etwas
durcheinander gerüttelt haben, denn der lvagen hiclt und der
Uutscher öffncte den Schlag. Uopfschüttelnd stand er cinc kveile
da und schaute auf dic verheerungen. Dann fuhr er wicder
bei dem „Maikäser" vor.
Am Abend des Tages, da ich diesen Lntschluß gesaßt, saßen
wir alle hier an diesem Tische sröhlich beisammen. Sic haben
alle noch den kiirzlicb verstorbenen Redakteur Lonrad gekannt,
eine Seelc von Kerl, aber bchaftct mit einem ewig keifenden
lveibe, der es auch gar nicht darauf ankam, in bcsondcrs tempera-
mentvoller Verfassung ihre pointcnreiche Rede durch schlagcnde
Argumente zu unterstützen. Lonradchen trug sein Los mit Ge-
lasscnheit und mit der Lseiterkeit eines Philosophen. Lr kam
kast jeden Abeud, war aber punkt zchn Uhr verschwuiiden. Des
lieben lsaussriedens wegen, wic ich vermute. Rein Sterblicher
konnte sich rühmen, jemals eincn isausschlüssel bei Lonradchen
gesehen zu haben.
An besagtem Abcnd ging es überaus sröhlich an unscreii
Tische zu. Ls galt oinen Geburtstag zu begehen. Der Gefeierte
ließ sich nicht lumpcn, uud alles war in ausgelassenster Stiin-
mung. Die srohe Laune, in der sich die gesamte Aneiprunde be- >
sand, vermochte auch unsern Freund Lonrad, seinen Urlaub zu
übe.rschreitcn und er hatie schließlich lsauskreuz und isausschlüssel
vergessen. Als die Stimmung auf ihrem ijöhepunkt angekommcn
war, fühlte sich das Geburtstagskind gedrungen, cine pulle Sckt
und verschicdene Hennessy zu „schmeißen". Aus dcr einen
Flasche wurden aber mehrcre und als es gegen zwei llhr morgens
„Nee, Lserr," sagte der gewissenhaste Rosselenker, „d i e müssen
Sie mir noch einmal sorticrcn; sie sind mir durchcinander gefallen."
Lachend wurden wir bacchusvollen wieder aus unsere Sitze
gruppiert und die Fahrt verlief diesmal ohne Unfall.
Nun wciß ich mich noch zu erinnern, daß ich von dcn starkcn
Armen des Rutschers gepackt, aus dem Innern des lvagens ge-
zerrt und durch ein schwarzgähnendes lsausthor eine Trcppe hoch
„geleitet" wurde. Ich machte vergebliche Anstrengungen, nieinen
Aorridorschlüssel aus der Tasche zu bekommen; ehe ich aber
überhaupt entdeckt hatte, wo die Tasche eigentlich zu suchcn war,
hatte mein Nlentor schon geklingelt und war dann mit eincm
vertraulichen „Gute Nacht" wiedcr verschwunden. Ich tappte
nun an der Thüre umher und versuchte, meiiien glücklich ent
dcckten Schlüssel in das Schlüsselloch zu bugsicren. Ach, ich
glaube, man entdockt viel leichter den Nordpol als so ein winziges
Schlüsselloch.
Meine Lemühungen hatten wohl schon geraume Zeit ge-
dauert, als es drinueu lebcndig wurde. Line Thür ging und
ich hörte das Schlurfen von Pantoffeln. plötzlich wurde die
Korridorthüre hestig aufgerissen, irgend eine krallige Faust packte
inich am Rock und zog mich mit jähem Ruck vollends hincin.
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wie Herrn t)urzel das ^eiraten verging.
gaßen vor Lrstauncn sich zu schließen. Lrst als uian sich über-
zeugt hatte, daß der also Lcdrohte in blühender Gesundheit an,
Tische saß, fand inan Worte nach den nähcren Uinständen sciner
gliicklichen Lrrettung zu fragen.
bserr Purzel stärkte sich durch einen kräftigen Trunk, der
die liebliche Röte seiner Rase bis zur Gliihhitzc eutflanimte.
Der Ureis riickte enger zusainmcii, als handelte sich's iim die
Erzählung eines recht schaurigcn Ulärchens, und lserr Purzel
berichtete seine Leidensgcschichte folgenderinaßeni
„Ich war damals im fünfunddreißigsten Iahr und fing an,
mich ein wenig einsam zu fühlen. Ich hegte daher den ernst-
haften wunsch zu hciraten, und das Unglück wäre viollcicht
längst.geschehen gewesen, wenn ich etwas kseiratbares zur lsand
gchabt hättc. Lndlich hatte ich in meinem Bekanntcnkreise ctwas
gefunden, das mir zusagte. Ich merkte aus tausend kleincn An-
zeichen, daß sie der partie nicht abgeneigt war und es hätte
meinerseits nur cin lvort gekostet, aus uns bciden ein j)aar zu
machen. Ls kamen mir allerdings Bedenken allerlci Art und
ich kam aus nieiiiem Schwanken nicht heraus. Ucbcr cin Pferd
kann man nicht eher urtcilen, als bis man es im Geschirr hat
gchen sehen. Ulit den Frauen ist es nicht vicl anders. Lndlich
aber faßte ich niir ein lserz und bereitcte mich vor, morgen vor-
inittag an einem Sonntag — meinc Lrklärung zu machcn.
ging, saßen drei Ulann da und schliefen den Schlas der Gerechten.
Sic würden sogar die jdosaune des jüiigslen Gerichts überhört
habcn, und ivenn sie sie gehört hättcn, so hätten sie doch nicht
ausstehen köniien. Diese stark bescligten drci Ulann waren das
Geburtsiagskind, Lonradchen und leider — ich selber. Mir drei
waren die Letztcn; alle anderen hatten sich vorher gedrückt.
Der wirt war einigermaßen in verlegenheit, was er mit
uns beginneii sollte; da kam es wie cine Lrleuchtung übcr ihn.
Lr schickte seinen Ucllncr nach dcm nahcn Droschkenhaltcplatz,
die Droschke kam, der Aellner lief, wir wurden von vier kräsiigen
Armen in das Inncre des vehikels geleitet, wo wir, kaum auf
den Sitzpolstern placiert, dcn unterbrochencn Schlaf mit womög-
lich tieserem Lrnst wicder aufnahmeii.
„Sehen Sie, Kutscher, das da ist lserr Soundso, wohnt
da und da. Das hier ist lserr jdohlandt und wohut da und da.
Dort ist Herr Lonrad, der wohnt da und da. Alles crste Ltage.
Sie lassen sich vom lvächter das lsaus ösfnen und liefern dann
jeden lserrn gewisscnhast ab."
Der Uutschcr schmunzelte und suhr davon. Das etwas plötz
liche Anziehen des pfcrdes mußtc uns Insassen wohl etwas
durcheinander gerüttelt haben, denn der lvagen hiclt und der
Uutscher öffncte den Schlag. Uopfschüttelnd stand er cinc kveile
da und schaute auf dic verheerungen. Dann fuhr er wicder
bei dem „Maikäser" vor.
Am Abend des Tages, da ich diesen Lntschluß gesaßt, saßen
wir alle hier an diesem Tische sröhlich beisammen. Sic haben
alle noch den kiirzlicb verstorbenen Redakteur Lonrad gekannt,
eine Seelc von Kerl, aber bchaftct mit einem ewig keifenden
lveibe, der es auch gar nicht darauf ankam, in bcsondcrs tempera-
mentvoller Verfassung ihre pointcnreiche Rede durch schlagcnde
Argumente zu unterstützen. Lonradchen trug sein Los mit Ge-
lasscnheit und mit der Lseiterkeit eines Philosophen. Lr kam
kast jeden Abeud, war aber punkt zchn Uhr verschwuiiden. Des
lieben lsaussriedens wegen, wic ich vermute. Rein Sterblicher
konnte sich rühmen, jemals eincn isausschlüssel bei Lonradchen
gesehen zu haben.
An besagtem Abcnd ging es überaus sröhlich an unscreii
Tische zu. Ls galt oinen Geburtstag zu begehen. Der Gefeierte
ließ sich nicht lumpcn, uud alles war in ausgelassenster Stiin-
mung. Die srohe Laune, in der sich die gesamte Aneiprunde be- >
sand, vermochte auch unsern Freund Lonrad, seinen Urlaub zu
übe.rschreitcn und er hatie schließlich lsauskreuz und isausschlüssel
vergessen. Als die Stimmung auf ihrem ijöhepunkt angekommcn
war, fühlte sich das Geburtstagskind gedrungen, cine pulle Sckt
und verschicdene Hennessy zu „schmeißen". Aus dcr einen
Flasche wurden aber mehrcre und als es gegen zwei llhr morgens
„Nee, Lserr," sagte der gewissenhaste Rosselenker, „d i e müssen
Sie mir noch einmal sorticrcn; sie sind mir durchcinander gefallen."
Lachend wurden wir bacchusvollen wieder aus unsere Sitze
gruppiert und die Fahrt verlief diesmal ohne Unfall.
Nun wciß ich mich noch zu erinnern, daß ich von dcn starkcn
Armen des Rutschers gepackt, aus dem Innern des lvagens ge-
zerrt und durch ein schwarzgähnendes lsausthor eine Trcppe hoch
„geleitet" wurde. Ich machte vergebliche Anstrengungen, nieinen
Aorridorschlüssel aus der Tasche zu bekommen; ehe ich aber
überhaupt entdeckt hatte, wo die Tasche eigentlich zu suchcn war,
hatte mein Nlentor schon geklingelt und war dann mit eincm
vertraulichen „Gute Nacht" wiedcr verschwunden. Ich tappte
nun an der Thüre umher und versuchte, meiiien glücklich ent
dcckten Schlüssel in das Schlüsselloch zu bugsicren. Ach, ich
glaube, man entdockt viel leichter den Nordpol als so ein winziges
Schlüsselloch.
Meine Lemühungen hatten wohl schon geraume Zeit ge-
dauert, als es drinueu lebcndig wurde. Line Thür ging und
ich hörte das Schlurfen von Pantoffeln. plötzlich wurde die
Korridorthüre hestig aufgerissen, irgend eine krallige Faust packte
inich am Rock und zog mich mit jähem Ruck vollends hincin.