Neggendorfers Huinoristische Blätter.
6f
Der neue Demosthenes.
^ch)<cter Schneuzlein ist vorstand eines vereins, der iin Lc-
griff steht, sein zehnjähriges Stiftungssest zu feiern. Da
eine solche Gelegenheit aber nur durch eine schwungvolle Rede
wiirdig begangen werden kann, so fällt pcter Schneuzlein selbst-
verständlich die Ausgabe zu, sie
zu haltcn.
Peter Schneuzleiu ist nun kei-
ner der aufgcblasenen Tr^pfcn, wic
inan sie so häufig unter Gelegen-
heitsrednern trifft, die da nieinen,
sie brauchen nur dcn Mund aufzu-
niachen, um einer ganzen ver-
saminlung zu iiuponieren, o nein,
er weiß recht gut, Reden ist seine
schwächste Seite.
Aber was nicht ist, kann noch werden und Uebnng inacht
den Meister. Jn seiuein Ziiinner die notmendigcn Studien
zu inachen, kann sich peter Schneuzlein nicht cntschließen, denn
er sieht iin Geiste bcreits seine beschränkten ksausgenosscn in
allen inbglichen Stellungen profanster Reugier und das ist ihin
bei der idealen Auffassung seiner Aufgabe durchaus pcinlich.
Doch wozu hat uns denn die Geschichte große vorbilder
hinterlassen? Doch nur, uin ihuen nachzuahinen.
„Meine hochverehrte versammlungl" so beginnt kserr
Schneuzlein. „Die Stun—de ist ge—kom—men — — —"
Da läßt cin gellender kilfeschrei den Redner jäh verstummen.
Tin rauschendes Ttwas - peter Schneuzlein ist aus allen
ksimmeln gefallen. —
Betrübt schleicht sich peter wieder nach ksause. „B, großer
Demosthcnes", seufzt er, „wie warst Du doch gut daran, denn zu
Deiner Zeit gab es noch wenig Malerinnen l"
Aber peter Schneuzlein gab sein vorhaben nicht auf.
Diesmal ging er in einen großen, finstcrn kvald, wo kein Son-
ncnstrahl wärmend durch das dichte Blätterdach dringen konnte.
wo kein vöglcin mehr nistete und hundertjähriges Moos den
Schall der Schritte dämpste.
„Meine hochgeehrtcn kserren," begann Schneuzlein, aber
er kam nicht weiter, denn er verspiirte eincn Stich in der Brust
und mußte sich schleunigst auf einen Baumstumpf niederlassen.
voll Begeisterung eilt petcr Schneuzlein an den Mecres-
strand. Ist doch das Brauscn der Mogcn die rechte Musik,
um den Gedanken idcalen Schwung zu verleihen und das Allein-
sein mit der erhabenen Unendlichkeit die großartigste Gelegen-
heit, dieselben zu einem köstlichen Redestrauß zu sammeln.
Aus dem Dickicht aber tönte eine Stiinme: „Ei herrjeses,
nu Lben, gudcn Abend ooch I Das ist Sie ja sehr scheene, aber
erloobcn Se, glooben Se ich bin vielleicht doob? Ich hör' Se
ganz gut. Suchen Se ooch Bilze? Sähn Se, g'rad' hab' ich än
sehr scheeu'n gefunden, aber sonst nischt wie kleenes Luderzeig!
Nu äben l"
pcter Schneuzlein aber raffte sich auf und floh wie von
Furien gepeitscht diesen Drt.
Ticf tranrig ließ cr den Kopf sinken. Seine Rede mußte
er halten und doch — wie sollte er es anfangcn, sie zu üben.
Gab es dcnn kcin plätzchen auf der weiten lvelt, wo die ba-
nalc Alltäglichkeit nicht hinzudringcn vermochte?
Da entsann cr sich plötzlich eines hohen Berges, dcr fünf
Stunden wcit entfernt war und gegen den die „Iungsrau" die
reinste Freitreppe war.
Zu diesem beschloß er zu wallfahrtcn; hier konnte ihn
nicht cinmal der fiüchtige Fuß einer Gemse stören.
Die Nühseligkeiten, die Peter Schneuzlein bei seinem Auf-
stieg zu erdulden hatte, ließen indes seincn Lifer für die gute
Sache nicht im mindesten erkaltcn.
Aaum gönnt er stch, auf dem Gipfel des Berges ange-
kommen, Zeit zum vcrschnaufen, denn die Gefühle, die in
seiner Brust toben, drängen nach Gestaltung in beredtem Redefluß.
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Der neue Demosthenes.
^ch)<cter Schneuzlein ist vorstand eines vereins, der iin Lc-
griff steht, sein zehnjähriges Stiftungssest zu feiern. Da
eine solche Gelegenheit aber nur durch eine schwungvolle Rede
wiirdig begangen werden kann, so fällt pcter Schneuzlein selbst-
verständlich die Ausgabe zu, sie
zu haltcn.
Peter Schneuzleiu ist nun kei-
ner der aufgcblasenen Tr^pfcn, wic
inan sie so häufig unter Gelegen-
heitsrednern trifft, die da nieinen,
sie brauchen nur dcn Mund aufzu-
niachen, um einer ganzen ver-
saminlung zu iiuponieren, o nein,
er weiß recht gut, Reden ist seine
schwächste Seite.
Aber was nicht ist, kann noch werden und Uebnng inacht
den Meister. Jn seiuein Ziiinner die notmendigcn Studien
zu inachen, kann sich peter Schneuzlein nicht cntschließen, denn
er sieht iin Geiste bcreits seine beschränkten ksausgenosscn in
allen inbglichen Stellungen profanster Reugier und das ist ihin
bei der idealen Auffassung seiner Aufgabe durchaus pcinlich.
Doch wozu hat uns denn die Geschichte große vorbilder
hinterlassen? Doch nur, uin ihuen nachzuahinen.
„Meine hochverehrte versammlungl" so beginnt kserr
Schneuzlein. „Die Stun—de ist ge—kom—men — — —"
Da läßt cin gellender kilfeschrei den Redner jäh verstummen.
Tin rauschendes Ttwas - peter Schneuzlein ist aus allen
ksimmeln gefallen. —
Betrübt schleicht sich peter wieder nach ksause. „B, großer
Demosthcnes", seufzt er, „wie warst Du doch gut daran, denn zu
Deiner Zeit gab es noch wenig Malerinnen l"
Aber peter Schneuzlein gab sein vorhaben nicht auf.
Diesmal ging er in einen großen, finstcrn kvald, wo kein Son-
ncnstrahl wärmend durch das dichte Blätterdach dringen konnte.
wo kein vöglcin mehr nistete und hundertjähriges Moos den
Schall der Schritte dämpste.
„Meine hochgeehrtcn kserren," begann Schneuzlein, aber
er kam nicht weiter, denn er verspiirte eincn Stich in der Brust
und mußte sich schleunigst auf einen Baumstumpf niederlassen.
voll Begeisterung eilt petcr Schneuzlein an den Mecres-
strand. Ist doch das Brauscn der Mogcn die rechte Musik,
um den Gedanken idcalen Schwung zu verleihen und das Allein-
sein mit der erhabenen Unendlichkeit die großartigste Gelegen-
heit, dieselben zu einem köstlichen Redestrauß zu sammeln.
Aus dem Dickicht aber tönte eine Stiinme: „Ei herrjeses,
nu Lben, gudcn Abend ooch I Das ist Sie ja sehr scheene, aber
erloobcn Se, glooben Se ich bin vielleicht doob? Ich hör' Se
ganz gut. Suchen Se ooch Bilze? Sähn Se, g'rad' hab' ich än
sehr scheeu'n gefunden, aber sonst nischt wie kleenes Luderzeig!
Nu äben l"
pcter Schneuzlein aber raffte sich auf und floh wie von
Furien gepeitscht diesen Drt.
Ticf tranrig ließ cr den Kopf sinken. Seine Rede mußte
er halten und doch — wie sollte er es anfangcn, sie zu üben.
Gab es dcnn kcin plätzchen auf der weiten lvelt, wo die ba-
nalc Alltäglichkeit nicht hinzudringcn vermochte?
Da entsann cr sich plötzlich eines hohen Berges, dcr fünf
Stunden wcit entfernt war und gegen den die „Iungsrau" die
reinste Freitreppe war.
Zu diesem beschloß er zu wallfahrtcn; hier konnte ihn
nicht cinmal der fiüchtige Fuß einer Gemse stören.
Die Nühseligkeiten, die Peter Schneuzlein bei seinem Auf-
stieg zu erdulden hatte, ließen indes seincn Lifer für die gute
Sache nicht im mindesten erkaltcn.
Aaum gönnt er stch, auf dem Gipfel des Berges ange-
kommen, Zeit zum vcrschnaufen, denn die Gefühle, die in
seiner Brust toben, drängen nach Gestaltung in beredtem Redefluß.