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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 37.1899 (Nr. 432-444)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16698#0111
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m c g g e II d o r f e r s Humoristische Blätter.

sOS

U)er zuletzt lacht.

lvieder einmal war die Zeit gckommen, zu der er seinen
großcn Urlaub zu nchmcn pslegte. Als gewissenhafter Mensch
bestelltc er sein ksaus und bat bei einem letzten Glase U)ein
die Herren, ein Auge auf scinen zurückbleibenden Burschen so-
wie auf sein Roß Lirus — besser bekannt unter dem Namen
Cirkus — acht haben zu wollen, und dann reiste er ab. Lirus
war nämlich sein Stolz und das ganz abgesehen davon, daß er
sich ihn nur zum vergnügen und aus eigene Aosten hielt, denn
ihm gebührte im Frieden die Berittenmachung nur bei größeren
Uebungen. Ia, er war sein Stolzl Aus einem „Wildfang"
(so nannte er ihn, da das pferd in der That schon Rennen ge-
gangen war, als er ihn sich vor zehn Iahren kauste), hatte er
durch seine unerschütterliche Ruhe und Gelassenheit ein „urge-
mütliches ksaus" gemacht, einen Aerl, wie er selbst einer war,
und eben das war sein Stolz. —

Leutnant Müller, von dem meistens die Pläne contra
F'arber geschmicdet wurden, rieb sich entzückt die ksände; er
ging schon wochenlang mit cinem „gloriosen Linfall" herum, der
sollte jetzt zur Ausführung kommen! Lr ging auch sofort mit
allem Lifer und eiscrner Aonsequenz an die Arbeit, der in sechs
kvochen zurückkehrende Farber sollte einc Ucberraschung vor-
finden, von dcr man im Regimente noch lange sprechen würde.

Ghne Zeitversäumnis wurde Farbers Bursche citiert und
von Müller dahin belehrt, daß er von uun an jcden Morgen
zur bestimmten Stunde mit Lirus auf dem AaserncnlTvso zu er-
scheinen habc, er, Müller, wolle sich von der f>flege, welche
Lirus in Abwcscnhcit seines kserrn zu leil würde, tagtäglich
übcrzeugen — da er sich aber nur aus Grnnden der Aamerad-
schast solcher Ukühc untcrzöge, wolle er auch von cinem Lobc
des Zurückkehrendcn nichts wisscn; cs sei also nicht nötig, daß
der Bursche schon gleich am ersten Tage von diesen Muste-
rungen spreche, was Meicr, cben dcr Burschc, miti „Zu Be-
fchll" quittierte.

Ukcicr trat also mit Lirus jeden Uiorgen an und Utiiller
bcsah sich beide. Ukcrkivürdigcrwcisc sand sich abcr auch der
Bäckcrjunge, der um dicsc Zcit das frischgcbackene Brot zur
Aantinc trug, ebcnsalls regclmäßig zu diescr Bcsichtigung ein,
und cbenso regelmäßig nahm Uküller diesen „Zusall" wahr,

u,n an Lirus einige der knusperigen, appctitlich duftcnden Brote,
die er mit seincm Gelde bezahlte, zu versüttern, denn Müllcr
hatte ein gutes lqerz. —

Nach vierzehn Tagen blieb der Iunge einmal aus und —
— der Gaul gebärdcte sich wie toll: So ein Rackerl Lr wollte
seine Brote haben l Nun, nächsten Tages kam der Iunge wieder
und Lirus hätte nian sehen sollenl Bocksprünge machte cr vor
vergnügen, dann warf er Ukeier, nachdem cr ihm einen zarten
Tupfer mit einem Hinterhuf auf einen nicht näher zu be-
schreibenden Aörperteil gegeben hatte, auf den Bauch, galop-
pierte, hell wiehernd, auf seinen wcißbcschürzten Freund los
und suhr mit dem ganzen Schädel in dessen Aorb. Uküller
sah aus, als ob er lvonnezährcn vcrgicßen wolle, und das
übrige Leutnants-Aiiditorium, das sich nun auch regelmäßig ein-
zufinden pflegte, glaubte cbenfalls vor vergnügcn vergehen zu
müssen. Und Müller sctztc seine Musterungen fort, noch durch
vier lange lvochen fort, und wie schon bemcrkt sein wird, mit
günstigem Lrfolgc. — — —

Farber war zurückgckoininen, scin crster Gang hatte ihn nach
dem Stalle geführt. Ls war geradc zur Stunde, als Lirus „ge-
mustert" werden solltc und so sand er ihn schnaubend, an der
Halfterkette zerrend, mit den vorderfüßen scharrend, den Aopf
gegen die Innenseite des Stalles gekehrt, mit gespitzten Vhren,
feurigen Augen und gehobenem Schweifc ihn nnd Mcier be-
grüßend; denn Lirus dachte nicht anders, als er werdc auch
heute wieder seinem brotspendenden Bäckerjungen zugeführt.
„Sapperlotl" sagtc der Vberstabsarzt in sich hincin, „Sapperlot,
so war der Aerl vor zehn Iahren, als ich ihn kriegte, da mach'
ich ja zuni Schlusse noch cin brillantes Geschäft, wenn ich ihn
wicder als Rcnngaiil verkaufen kannl"

„Na, 's ist gut Meier, da ninim den Thaler, mein Sohn,
Du hast ihn Dir redlich verdient!" —

Nach gethaner Meldung schmeckt cin gutes Glas lvein,
dachte Farber und bcgab sich ins Aasino. Dcr Frühschopxcn
war ungewöhnlich gut besucht; freilich, hätte Farber ahnen
können, daß sämtlichc Tcilnehmer, nach Müllers kveisung, zu
seincm Lmpfange „bereit" waren, dann hätte er gcwiß auf
eine vormittägige Labung verzichtet.

Ganz allmählich und unauffällig kam man in der Unter-
haltung auf pferdeleistungen im vcrgleichc zu denen andercr
Tierc und zuleht stellte man verglciche an zwischen der
Geschwindigkeit von jdferdcn mit dcrjcnigcn von velocipedistcn,
und schließlich wurde eincs Schncllläufcrs gcdacht, der unlängst
ein berühmtes Rennpferd besiegt habcn sollte.

Farber, stolzen Gemüts seines Lirus gcdenkend, brach Lanze
um Lanze für den bedrohten Ruhin besagter Vuadrupeden
nnd schließlich brummte er höchst oppositionell vor sich hin:
„Lächerlich . . . Zeitungscnte . . . gar nicht möglich . . .
dumnies Zeug . . . ha, ha, hal" welche Aeußerung der Leut-
nant Miiller alsobald im Fluge auffing und, indem er gegen
ihn einc leichtc verbeugung machte, entgegnete: „Lntschuldigcn,
kjerr Gbcrstabsarzt, mir erscheint cs nicht unmöglich; habe ich
doch auf unserem Gute sclbst einmal auf eine kurze Streckc den
Sicg übcr ein englischcs ljalbblut davongetragcn und dazu saß
noch vetter pcter von den Ulanen oben, der schon so manches
Rcnnen gerittcn und gewonnen hatl"

„lfa, ha, ha, Müller, alter Rcnommist und Phrasen-
drescher, gib acht, daß wir Dich nicht beim lvorte nehmen «nd
Dich starten lassen, dann kannst Du wicder ordcntlich bczahlenl"
tönte es ringsum.

„So thut cs dochl Mir ist jedes lvettangebot rechtl"
warf Müller vornchm und kühl entgegen, indem er die Nasc
hoch in die Luft streckte und mit den Fingcrn der rechten lsand
„Avancieren" auf dcm Tischrande trommeltc.
 
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