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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 37.1899 (Nr. 432-444)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16698#0112
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III e g g en d o rfe r s humoristische Blätter.


wer zulctzt laäst.

„Na, INiillcr, dicsmal magst Du schliipfcn, rcden wir
von was andereml"

tNiillcr hattc als Lntgcgnung nur ein Lächcln des INit-
lcids, abcr dieses Lachcln sollto ihm schlccht bekonnnen. Farber
hatte bisher INißtrauen in seinem lserzen gehegt, dicse Gesell-
schaft da hatte ihn schon zu ost uberlistct. Er hattc daher
jcdcs Einzelnen Ph^siognoniie auf das 5orgsältigste studierh
aber da war nirgends cin vcrrätcrisches Lächeln oder cin Fuchs-
blick zu bemerken gewesen . . . daruin hielt's ihn auch nicht
niehr, er vcrscnkte zwei Finger der rechten lsand zwischen dcin
drittcn und viertcn Unisorinknops auf der Bruft, zog dic Augcn-
brauen ungeinein hoch und wandtc sich gegcn Miiller —
der Wcttteufel hatte gesiegt:

„Ich habe nur noch eine
Fragc, Mnller. lVoniit
wollcn Sie es begriindcn,
daß cs dein Mcnschen ge-
lingcn soll, ein pfcrd, selbst-
verständlich aus eincr kurzcn
Strccke nur, in der Schnellig-
keit zu schlagen?"

„Das ist sehr einfachl"
crwiderte Miiller niit unge-
nicin kecker Stiinnic.

„Sol"

„Ial Wenn näinlich
dor Starlcr das Ablaufc-
zcichcn gcgcben hat, inuß
dcr Reitcr doch crst die
lsilscn gcben, daniit sich scin
pferd in Bcwcgung setzt
und es dauert vcrhältnis-
inäßig langc, bis, voni Flock
wcg, dic ganze Maschine
ihrc größtc Schnelligkeit be-
konnncn kann, währcnd der
Mensch einfach nur sich selbst
in Bewegung zu setzcn
braucht und so fiir die kurzc
Strecke iin vorteil istl"

„Lsml und wclchc Ent-
fcrnung mürden Sic ris-
kiercn, Nnller?"

„Sochzig Schritte, lherr
Gberstabsarzt!"

„Gut, ich nehnic Ihrc
bserausfordcrung an und
wctte einen Korb Sekt, daß
mein Lirus die nötige An-
sangsgeschwindigkeit cnt-
wickeln wird. Topp?"

„Topp!"

„Grdonnanz sorgen Sic dafür, daß Meicr sofort incincn Tirus
gesattelt in dcn Rasernenhof bringt, cs sind ja so nur cin paar
Schritte . . . was soll dcnn cigentlich das Ziel sein und wo
der Start, Miiller?"

„Ich dcnkc wir lasscn den Start irgendwo auf dein lsofe
vor sich gehen?"

„Einvcrstandcnl So, ineine bscrren, also 'runtcr in dcn
bsofl" -

Lirus murde gebracht «nd während sich sein kserr beinnhtc
auf den Rückcn des unruhigen Tieres zu koinincn, flüsterte
Müller dcin Nächststehondcn zu: „Alles in Grdnung?"

„Der Bengel wartet schon; instruiert ist er auch auf das
Genaueste; es inuß gelingenl"

Farbcr saß cndlich auf dem schnaubcnden und scharrenden
Lirus, Müller stellte sich daneben, eincr dcr lfcrren hatte die
Güte dcn Starter zu machen und so konnte es denn losgehen.
Der Starter winkte — nun sollte Lirus dahinfegen wie die
Windsbraut, der Medizinmann auf ihm arbeitete ja wie cin
lfaminerschmied in seinen Flankcn herum — aber dieses bekannte
Pfeifenl Dcr Bäckerjungel Lirus war nicht mehr zu halten.
Ietzt war er in dcr That dic lvindsbraut selber. Lr schoß un-
haltbar auf scinen guton Freund los, doch Müller eilte gerade-
aus dcm Ziele zu. Nor dom bekannten Rorbe parierte Lirus
natürlich so plötzlich, daß sein Reitcr wic ein Gunnniball in die
Lföhe flog, um, nachdem er an Mähne zusammongerafft hatte,
mas zu erwischen mar, iin nächsten Augenblicke ebcnso heftig

in den Sattel wieder nieder-
zuklatschen, wozu er ein
über allc Maßen crstauntes
Gcsicht machte. Lirus wühlte
wie verrückt im Brotkorbe,
weil er, durch die Lantare
behindert, nichts in das
Maul bekommen konnte. Der
Iunge schrie, wie verabredet,
Zeter, derVberstabsarzt fuhr
sich mit der freien lfand
vorne und rückwärts übcr
dcn Aörper, um zu er-
kunden, ob nichts „entzwci"
sei und lachtc in seinor
Verlegenheit dazu sein l „!he,
hc, he l" Die Zuschauer lagen
in Lachkrämpfcn und Müller
machtc langsamcn Schritt.

Als Farber das erblickto,
ermanntc er sich, riß Lirus
den Ropf aus dem Aorbe
und stochcrte dcm Gaule mit
dcn Sporen im Leibe hcrnm,
wohin cr init dicscn traf.
Lirus, dcr seinem lfcrrn
sonst nic etwas übel nahm,
sondorn stcts mit anerkcu-
nenswertem Taktgcfühl droh-
endc Differcnzen umging,
war hcutc wic ausgewcchselt;
er erkannte eben, daß cs
hier prinzipicll zu entscheiden
galt: entmeder immer Brot-
srühstück odcr gar keincs
mehr l Selbstredend gravi-
lierte scine Geschmacksricht-
ung nach dem crfteren0unkte
und damit „dem auf scincm
Rückcn" sür allc Zukunft auch dcr leiseste Zweisel beiioinmon sci,
wic or zu entschciden habe, so fing Lirus derart an zu bocken, daß
Farber lförcn und Sehen vorging nnd auf ein lfaar hätten sich
Roß und Reiter „getrcnnt," wcnn nicht letzterer den Geschci-
teren gemacht hättc und in dem Augcnblickc sanft aus dcm
Sattcl geglitten wäre, als Müller scin „Gewonnen" rief.

Doch hatte cr kaum festen Bodcn untcr sich, da kam schon
der schwärzeste vcrdacht über ihn: „Das war eine abgekartetc
Geschichte! Wie die Aerls lachen, gar nicht bcruhigen konn-
ten sie sich l Man sche z. B. nur den kjanptmann Gruncr mit
soincm Schmcrbauch: lehnt sich der Mensch an dio lvand und
weint und stöhnt wie ein klcines Aind — vor vergnügen na-
türlich! bfciliger kfimmcl . . ." Farber wollte schon losdonnern
 
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