ÜN e g g e n d o r f e r s Humoristische Blätter.
U8
Das
cancl. moä. tiubcrt Schmidt durftc bcrcits uuf ciuc
/ stattlicho Zluzahl 'vou Semestcrn zuriirkblickcn, abcr im
vertrauen anf das Götheschc tvort: „Der Geist dcr
Mcdizin ist lcicht zn sasscn," hielt cr vom Aollegienbcsuch nicht
viel und schwelgte in dem Gcdanken, datz er später als
vcrtretcr dor Natnrhcilkundc staunonsivertc Erfolge crziclen werdc.
Dementsprechcnd vcrhiclt cr sich auch dcr Anschaffung
wissenschaftlichor Mcrke gegcniiber entschicdcn ablehncnd und
außcr lhuselands lllakrobiotik, oinem Lrbstiick aus der lsinter-
lassenschaft scincs Großvatcrs, erklärte er alle anderen Lrschoin-
ungen der medizinischcn Litteratur für rcine Geldspekulationen,
die zu unterstiitien cr nicht gcivillt ivar.
Dagcgen hattc cr sich ein mcnschliches Skelctt zugclegt nnd
dadurch seiner sciveiligen lvirtin nicht nur rcgelmäßiges Lnt-
sehen cingejagt, sondcrn ihr auch cinen ungcfähren Begriff von
der Fiille von Gelehrsamkcit und von dem Gradc der Abhärtung
gcgcn die Schrcckcn dos Todes bei-
gobracht, deren ein angehcnder Arzt
benötige.
Dieses Skelett war siir lhubert
Schmidt der Grund mancher llnzu-
träglichkeiten; denn die Dienstmäd-
chcn seiner lvirtinnen grauten sich
davor und veriveigcrtcn grundsätzlich
die Aufwartung, so daß ihm oftmals
gckiindigt wurde, bis er sich zulotzt
entschloß, den Unochenmanii hinter
einem griinen vorhang zu verbergen.
Sich freiwillig von ihm zu trcnncn,
vcrmochte er jcdoch nicht, für wclche
Anhänglichkeitdersclbe sich gelegent-
lich revanchierte; und das kam so:
lsubert Schmidt, dor in ziom-
lich bescheidencn verhältnissen lebte,
war ein großes Pumpgcnie und
hatte nach seinem eigcnen llus-
spruche gewöhnlich in den lctzten
sechsundzwanzig Tagen dcs lllonats
keincn roten lhellcr mohr in dcr
Tasche. Linerseinerunermüdlichsten
lllahner war sein Schneidermeistor,
dem er achtzig lllark schuldete und der ihn in jodem lllonat durch
llebersendung einer Rechnung über diesen Bctrag erfrcute.
Schmidt ignorierte das scinem lllanichäcr gegenübcr völlig und
schimpfte übcr dcn undankbaren „philister", dor den „Dusel" nicht
zu schätzen wisse, daß er ihn nur mit einem cinzigen Anzug
hereingolcgt habe. Lndlich vcrlor aber der Schneider die Ge-
duld und schickte eincu gerichtlichen Zahlnngsbefehl. Nach Lm-
pfang dieses amtlichen Schriftstückcs hiclt Schmidt im Areise
seiner Zcchgenossen einen schr lichtvollcn vortrag übcr die Frei-
hcit dos akademischen Bürgers, für den er eine Ausnahmestellung
verlangte, und übcr dio llnfähigkeit dcr für höhcre Gesichts-
punktc uncmpfänglichen Iustiz. Im übrigen abcr pralltc auch
der Zahlungsbefehl wirkungslos an ihm ab.
Der Schneidermcister war jedoch ein energischer lllann und
suchte sich eincn wegen seiner Findigkeit bekannten Gorichts-
vollzichcr aus, dem er einiges lvochen später die vollstreckbaro
Ausfertigung des Zahlungsbcfehls bohändigte, um bei Schmidt
zu pfänden. Dcr vollstrcckungsbeamte versprach, sein möglichstes
zu thun. Lr mochtc wohl mit einigem Rcchte annehmcn, daß
er an gewöhnlichcn Tagen jdfandobjekto schwerlich vorfinden
wcrdc, daher warteto er den ersten Tag des nächsten lllonats ab,
Skelett.
e von Or. G.
l an wclchem er die Ankunft einer Geldsendung für Schmidt
! vormntete.
Schon der frühe lliorgen fand ihn an diesem Tage auf dem
jdostcn und er hatte auch wirklich die Genugthuung, den Geld-
bricfträger in der Behausung seines Gpfers verschwinden zu
sehen. Er folgte ihm sogleich auf dem Fuße und kam gerade
dazu, als der Briefträger den noch im Bette liegenden kserrn
Kandidaten geweckt hatte, um ihn die Vuittung unterschreiben
zu lassen und ihm dann das Geld vorzuzählen. Allein der lllann
dcs Gesctzcs, der sich sciner Sache bcreits ganz sicher dünkte,
war etwas zu heißsxornig gewesen, und Schmidts klassische Ruhe
bercitete ihm cine arge Niederlage. Sobald er sich nämlich als
Gcrichtsvollziehcr durch vorzeigung des Zahlungsbefehls legiti-
miert und die Absicht geäußert hatte, pfänden zu wollen, erklärte
Schmidt mit vollendeter Geistcsgegenwart dem Briefträger, in-
dem er die Postanweisung unquittert zurückgab, daß er die An-
nahme des Gcldes verweigere.
Lachcnd entfernte sich der Postbeamte,
während der Gerichtsvollzieher
sich wie ein Raubtier, dem ein
fetterBissen entgangenist,dieLippen
ableckte. lvütend durchsuchte er den
Raum nach sonstigen Pfandstücken
und schritt schließlich auf den grünen
vorhang zu, den or mit einer heftigen
Lewegung ' zur Seite schob. Lr-
schrocken prallte er zurück. Da stand
dcr Senseiimann, cine Art Aollege,
dcr sich bei allen lllenschen zur Exe-
kution einfindet. Doch nur einen
Augenblick, dann siegte die Pflicht
über dic Furcht, und der Beamte
erklärte das Skelett für beschlag-
nahmt und befestigte über dem-
selbcn das Pfandzeichen.
Nachdem der Gerichtsvollzicher
sich entfernt hatte, cilte Schmidt
zur Post, ließ sich dort sein Geld aus-
zahlon und erzählte dann boi einem
fidolen Frühschoppcn die ganze Ge-
schichte mit dcm Bemerken, daß der
Auckuck sein Skclctt geholt habe, damit meinte er den Adler auf dein
jdfandsiegel. Als er nachmittags in seinesBohausung'zurückkchrtc,
erfuhr er, daß der Anochenmann bereits den lveg nach dem
jdfandlokal angetreten habc.
Tlm folgonden Tagc erschien im Intolligenzblatt einc Bekannt-
machung, daß an dem und dem Tage ein monschliches Skelett ver-
steigert werde und daßdie lherren Studierenden der lNedizin als vor-
zugsweiso Intercssenten zu dieser versteigerung eingeladen würden.
Die „Lserren Studierendcn" ließen sich denn auch diesen
Sxaß nicht entgehen und fanden sich zur sestgesetzten Stunde
in hollen lsaufcn in dem vcrsteigcrungslokale ein. Auch Schmidt
war erschiencn und dankte dem gleichfalls anwcsenden, ihn devot
und verlegen grüßenden Schneidermeister hcrablassend. Die ver-
steigerung nahm xünktlich ihren Anfang.
„Meine lherren," rief dcr Lxekutor, „ein tadellos erhaltenes
menschliches Skelett, taxiert zu sechzig Mark; wer bietet mehr?"
„Siebzig Mark," ries eine Stimme.
„SiebzigAIIark zum erstcn" . . .
„Achtzig Mark," rief der Schneidermeistcr, dor zu seinem
Gelde kommen wollte.
„lhundert Mark,"
ertönte es aus dcm lqintergrunde.
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Das
cancl. moä. tiubcrt Schmidt durftc bcrcits uuf ciuc
/ stattlicho Zluzahl 'vou Semestcrn zuriirkblickcn, abcr im
vertrauen anf das Götheschc tvort: „Der Geist dcr
Mcdizin ist lcicht zn sasscn," hielt cr vom Aollegienbcsuch nicht
viel und schwelgte in dem Gcdanken, datz er später als
vcrtretcr dor Natnrhcilkundc staunonsivertc Erfolge crziclen werdc.
Dementsprechcnd vcrhiclt cr sich auch dcr Anschaffung
wissenschaftlichor Mcrke gegcniiber entschicdcn ablehncnd und
außcr lhuselands lllakrobiotik, oinem Lrbstiick aus der lsinter-
lassenschaft scincs Großvatcrs, erklärte er alle anderen Lrschoin-
ungen der medizinischcn Litteratur für rcine Geldspekulationen,
die zu unterstiitien cr nicht gcivillt ivar.
Dagcgen hattc cr sich ein mcnschliches Skelctt zugclegt nnd
dadurch seiner sciveiligen lvirtin nicht nur rcgelmäßiges Lnt-
sehen cingejagt, sondcrn ihr auch cinen ungcfähren Begriff von
der Fiille von Gelehrsamkcit und von dem Gradc der Abhärtung
gcgcn die Schrcckcn dos Todes bei-
gobracht, deren ein angehcnder Arzt
benötige.
Dieses Skelett war siir lhubert
Schmidt der Grund mancher llnzu-
träglichkeiten; denn die Dienstmäd-
chcn seiner lvirtinnen grauten sich
davor und veriveigcrtcn grundsätzlich
die Aufwartung, so daß ihm oftmals
gckiindigt wurde, bis er sich zulotzt
entschloß, den Unochenmanii hinter
einem griinen vorhang zu verbergen.
Sich freiwillig von ihm zu trcnncn,
vcrmochte er jcdoch nicht, für wclche
Anhänglichkeitdersclbe sich gelegent-
lich revanchierte; und das kam so:
lsubert Schmidt, dor in ziom-
lich bescheidencn verhältnissen lebte,
war ein großes Pumpgcnie und
hatte nach seinem eigcnen llus-
spruche gewöhnlich in den lctzten
sechsundzwanzig Tagen dcs lllonats
keincn roten lhellcr mohr in dcr
Tasche. Linerseinerunermüdlichsten
lllahner war sein Schneidermeistor,
dem er achtzig lllark schuldete und der ihn in jodem lllonat durch
llebersendung einer Rechnung über diesen Bctrag erfrcute.
Schmidt ignorierte das scinem lllanichäcr gegenübcr völlig und
schimpfte übcr dcn undankbaren „philister", dor den „Dusel" nicht
zu schätzen wisse, daß er ihn nur mit einem cinzigen Anzug
hereingolcgt habe. Lndlich vcrlor aber der Schneider die Ge-
duld und schickte eincu gerichtlichen Zahlnngsbefehl. Nach Lm-
pfang dieses amtlichen Schriftstückcs hiclt Schmidt im Areise
seiner Zcchgenossen einen schr lichtvollcn vortrag übcr die Frei-
hcit dos akademischen Bürgers, für den er eine Ausnahmestellung
verlangte, und übcr dio llnfähigkeit dcr für höhcre Gesichts-
punktc uncmpfänglichen Iustiz. Im übrigen abcr pralltc auch
der Zahlungsbefehl wirkungslos an ihm ab.
Der Schneidermcister war jedoch ein energischer lllann und
suchte sich eincn wegen seiner Findigkeit bekannten Gorichts-
vollzichcr aus, dem er einiges lvochen später die vollstreckbaro
Ausfertigung des Zahlungsbcfehls bohändigte, um bei Schmidt
zu pfänden. Dcr vollstrcckungsbeamte versprach, sein möglichstes
zu thun. Lr mochtc wohl mit einigem Rcchte annehmcn, daß
er an gewöhnlichcn Tagen jdfandobjekto schwerlich vorfinden
wcrdc, daher warteto er den ersten Tag des nächsten lllonats ab,
Skelett.
e von Or. G.
l an wclchem er die Ankunft einer Geldsendung für Schmidt
! vormntete.
Schon der frühe lliorgen fand ihn an diesem Tage auf dem
jdostcn und er hatte auch wirklich die Genugthuung, den Geld-
bricfträger in der Behausung seines Gpfers verschwinden zu
sehen. Er folgte ihm sogleich auf dem Fuße und kam gerade
dazu, als der Briefträger den noch im Bette liegenden kserrn
Kandidaten geweckt hatte, um ihn die Vuittung unterschreiben
zu lassen und ihm dann das Geld vorzuzählen. Allein der lllann
dcs Gesctzcs, der sich sciner Sache bcreits ganz sicher dünkte,
war etwas zu heißsxornig gewesen, und Schmidts klassische Ruhe
bercitete ihm cine arge Niederlage. Sobald er sich nämlich als
Gcrichtsvollziehcr durch vorzeigung des Zahlungsbefehls legiti-
miert und die Absicht geäußert hatte, pfänden zu wollen, erklärte
Schmidt mit vollendeter Geistcsgegenwart dem Briefträger, in-
dem er die Postanweisung unquittert zurückgab, daß er die An-
nahme des Gcldes verweigere.
Lachcnd entfernte sich der Postbeamte,
während der Gerichtsvollzieher
sich wie ein Raubtier, dem ein
fetterBissen entgangenist,dieLippen
ableckte. lvütend durchsuchte er den
Raum nach sonstigen Pfandstücken
und schritt schließlich auf den grünen
vorhang zu, den or mit einer heftigen
Lewegung ' zur Seite schob. Lr-
schrocken prallte er zurück. Da stand
dcr Senseiimann, cine Art Aollege,
dcr sich bei allen lllenschen zur Exe-
kution einfindet. Doch nur einen
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über dic Furcht, und der Beamte
erklärte das Skelett für beschlag-
nahmt und befestigte über dem-
selbcn das Pfandzeichen.
Nachdem der Gerichtsvollzicher
sich entfernt hatte, cilte Schmidt
zur Post, ließ sich dort sein Geld aus-
zahlon und erzählte dann boi einem
fidolen Frühschoppcn die ganze Ge-
schichte mit dcm Bemerken, daß der
Auckuck sein Skclctt geholt habe, damit meinte er den Adler auf dein
jdfandsiegel. Als er nachmittags in seinesBohausung'zurückkchrtc,
erfuhr er, daß der Anochenmann bereits den lveg nach dem
jdfandlokal angetreten habc.
Tlm folgonden Tagc erschien im Intolligenzblatt einc Bekannt-
machung, daß an dem und dem Tage ein monschliches Skelett ver-
steigert werde und daßdie lherren Studierenden der lNedizin als vor-
zugsweiso Intercssenten zu dieser versteigerung eingeladen würden.
Die „Lserren Studierendcn" ließen sich denn auch diesen
Sxaß nicht entgehen und fanden sich zur sestgesetzten Stunde
in hollen lsaufcn in dem vcrsteigcrungslokale ein. Auch Schmidt
war erschiencn und dankte dem gleichfalls anwcsenden, ihn devot
und verlegen grüßenden Schneidermeister hcrablassend. Die ver-
steigerung nahm xünktlich ihren Anfang.
„Meine lherren," rief dcr Lxekutor, „ein tadellos erhaltenes
menschliches Skelett, taxiert zu sechzig Mark; wer bietet mehr?"
„Siebzig Mark," ries eine Stimme.
„SiebzigAIIark zum erstcn" . . .
„Achtzig Mark," rief der Schneidermeistcr, dor zu seinem
Gelde kommen wollte.
„lhundert Mark,"
ertönte es aus dcm lqintergrunde.