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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0020
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A7eg gendorfers Hurnoristische Blätter.


Der Gpalring

Die Burgratze erstarrte fast vor Lntzücken. Mit spitzigen
Fingern nahm sie den omineusen Ring und steckte ihn an.
Darauf machte ste eine Attacke, um mich zu umarmen; mit
Miihe rettete ich mich davor.

„Schon gut, besorgen Sie, bitte, jetzt Thee, ich muß noch
arbeitenl" rief ich abwehrend. Und so trundelte sie denn
freudestrahlend nach der Thüre, die Augen auf den Gxalen,
stolperte, fiel und zerriß sich den Rock von oben bis unten.

Ich sammelte sie mit frohlockendem LLcheln auf. Triumxhl
Ich war den verhexten Ring los; die Burgratze konnte ja
sehen, wie sie damit sertig wurde.

Und sie wurde damit fertig. Zwei Tage sxäter schwebte
fie ins Zimmer, schritt mit dem tragischen Gang einer Saxxho
bis an meinen Schreibtisch und legte ohne ein Mort zu sprechen
den Ring auf den Bogen, den ich eben beschrieb.

„Nanu?" fragte ich erstaunt. Die Burgratze fing zu ,plinzen°
an. „Das war nich schön von Ihnen, 'ne arme, alleinstehende
Frau ins Unglück zu bringen, die sich ehrlich von 's Meublieren
ernährt," schluchzte sie.

„Ia, was ist denn eigentlich los?"

„Mein Bräutjam hat mich abgeschrieben," heulto die
Burgratze, und da dran is bloß der Ring mit die Apollos schuld.
Ich habe das nu' ja nich gewußt, aber unten die Frau Meier
hat mich das gesagt, Apollos bringen allemal Unglückl"

„Na, nal" sagte ich schuldbewußt, „darum hat Ihnen der
lNann doch nicht abgeschrieben —"

„Aber schuld is es doch," schluchzte sie. „Und welchen
Grund hat er denn nun angeführt?" fragte ich ungerührt.

Frau Burgratz richtete sich hoch auf, soweit ihr das bei
ihrer Muckligkeit gelang, und fragte hoheitsvoll: „Meinen Sie,
der hätte mir aus Liebe genommen?"

„Nee, das hab' ich nie gemeint," xlatzte ich, mehr ehrlich
als höflich, heraus.

„wegen dem Geldl" sagte die Burgratze, „und als er erst
heraus hatte, das ich nich reich genug war, da hat er Gründe
gesucht."

„Nun, und die waren?" fragte ich.

„Lr hat gesagt — hat gesagt (hier kixpte ihr die Stimme
um) ich röche — röche — nach — Schn — Schn — Schn —
hu hu hul"

Ich nickte verständnisvoll.

„SchnapsIII" bekam die Burgratz endlich heraus — es war
der tragische Aufschrei der Lmpörung, vermischt mit tiefgekränk-
ter Lngelsunschuld.

„Da thut Ihnen der Mann nun wirklich schwer unrecht —"
meinte ich teilnehmend — „wo Sie doch immer die beste Marke
Lognac. .."

„küus LllumpL^ne," — schluchzte sie, bestätigend und selbst-
vergessen —

„_getrunken habenl" vollendete ich ernst.

„Das wissen der kserr Bergerl" sagte sie geistesabwesend
— „und uie is ein anderer Tropfen über meine Lixpen ge-
kommen. D Gott l wenn ich mich jetzt aus Gram das Trinken
angewöhne — er hat's auf 'm Gewissenl — er alleinl"

Mir schauderte — diese Aussicht ging meinen wein-
keller an.

Am anderen Morgen war mein erster Gang zu dem k. k.
ksofjuwelier Wiesel.

Dort zog ich den Ring mit den „Axollos" vom Finger,
und bat bferrn wiesel, mir die Dxale auszubrechen und Rubine
dafür einzusetzen.

kferr wiesel betrachtete den Ring und sagte dann, es wäre
schade, ihn zu ändern — die Fassung sehe wunderhübsch aus
zu den Steinen.

„Brechen Sie dennoch die Vpale heraus," sagte ich — „ich
mag einmal Dxale nicht tragen — es ist ja albern" — fügie
ich etwas beschämt hinzu — „aber — sie sollen Unglück bringen.
Lachen Sie nur immerhin — aber brechen Sie die Dxale aus."

„Das wird sich unmöglich machen lassen," lächelte tferr
wiesel, sichtlich hoch amüsiert.

„Abcr mein Gott, warum denn? — sind die verwünschten
Steine denn festgewachsen?"

„Das nicht," sagte kserr wiesel — „ich kann nur darum
keine Vxale aus dem Ring herausnehmen — weil keine drin
sindl"

„Aeine — drin — sind?" wiederholte ich mit nicht eben
geistreichem Gesicht.

„Nein," lachte Wiesel — „denn das hier sind ganz ge-
wöhnliche Aatzenaugen — und die bringen bekanntlich Glückl"

Und Lserr wiesel brach in ein schallendes Gelächter aus,
über mein kreuzdummes Geficht.

Ich aber steckte den Ring an den Finger und ging, etwas
benommen, und in tiefen Gedanken nach ksaus.

war es am Ende ein Glück, daß ich die bezaubernde
Witwe uicht kriegte??

Da begegnete mir der Briefträger. Ich riß den Brief
den er mir gab —, er kam von Ulama, hastig auf.

„Liebster ksansl" schrieb sie, „in aller Lile — das mit
ksertha Ulüller war eine verwechslung mit Bertha Ulüller —
diese Müllerei macht einen ganz konfuse. — wenn Du noch
willst, schreibe mir umgehend, ich frage dann kfertha — sie ist
gestern, unverlobt, zurückgekehrtl"

Ich telegraphiertel

Am Abend desselben Tages hielt ich das Antworttelegramm
in der Lsand. Ia! — sie sagt jal dieser Lngell! Die Burg-
ratze lag im totalen Schwindel zu Bett, als ich ihr zurief, ich
reiste morgen früh.-

Ulorgen fahre ich zur verlobung — hurrahl ksoch die Aatzen-
augen und der Aberglaubenl

verantwortlicher Redakteur: Ulax Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stnttgart.
In Gesterreich-Ungarn für kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Ulohr in wien I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingrn.
 
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