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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0039
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Rleggendorfers Humoristische Biätter.


Aus paris.

Mittel entblößt bin, habe ich mich entschlossen, Ihr gutes kserz
anzurusen.

Liebe, gute Frau Feldner, ich bitte, lassen Sie mir etwas
Arbeit zukommen; ich habe meine Nähmaschine und allc Merk-
zeuge hier; die fertigen Sachen wcrde ich Ihnen sofort wieder
zurückscnden. IVcnn dann die klcinc Marie wieder gesund scin
wird, kehren wir zuriick nach Berlin und Sie würdcn mich zu
ewiger Dankbarkeit verpflichten, wenn Sie mich dann wiedcr
in den bei Ihnen gehabten Dienst aufnehmen würden.

Frcistadh am t- Mai ;8AZ. Mit herzlichem Gruß u. ksandkuß

(Sterngasse Nr. Llise Loser.

Dachstube Nr. z.)

5.

Ihrcr ksochwohlgeborcn <srau Ülrnestine b.g.-tleur,
Inhaberin der Firma I. Laffler Zc Lo. rc. rc.

Freistadt, Sterngasse No. ^8, parterre.

Sehr geehrte Gnädigel Lw. ksochwohlgeboren l

Ihr geschätztes Schreiben vom t. d. M. besitzend, begreise
ich sehr wohl Ihre verzweifelte Lage. Aber nur Mut gefaßt,
es ist noch nicht alles verlorenl Mit wahrer Begeisterung be-
wundere ich Ihren Scharfblick, der Sie gerade die passendste
Farbe „schokoladebraun" wählen ließ.

Im Nertrauen gesagt, olivengrün ist bereits zu allgemein,
zu abgegriffen; fast jede angehende Schwiegermutter trägt
„olivengrün" oder „taubengrau" und das zeigt gerade nicht
von Gcschmack.

Aber schokoladebraun, das ist eine andere Sache l Diese edle
Farbe beginnt sich soeben Bahn zu brechen; gegenwärtig findet
man sie nur vereinzelt bei Damen, die über einen außergewöhn-
lich feinen Geschmack verfügen.

Natürlich muß das Aleid in Paris componirt werden;
ich habe die N)ahl schon getroffen und die vorbereitungen sind
in vollem Zuge. Lw. lsochwohlgeboren können mit Bestimmt-
heit auf ein Kunstwerk allerersten Ranges rechnen, wie cin
ähnliches weder in Freiftadt, noch in Berlin je gcsehen wurde I
Ls küßt Ihnen die ksände Ihre ergebene
Berlin, am Mai Iosefine Feldner.

-k-

An Frau Llise Loser, Freistadt, Sterngasse Nr. t8, Dachstube Z.
Meine liebe Loserl

Ihre herzlichen Zeilen haben mich tief betrübt. waruin
haben Sie mir nicht schon längst geschrieben? Ich wußte nicht,
daß es Ihnen so schlecht ginge. Sie sind mir jeden Tag herz-
lich willkommen; ich habe Sie schon oft vermißtl

N)ie geht es der kleinen Marie? ksoffentlich besser! So-
bald sie gesund sein wird, müssen Sie sofort zu mir kommen.
vorläufig lege ich Ihnen einen kleinen Betrag bei — wir
werden es schon verrechnen.

Gleichzeitig sende ich Jhnen Stoff und Zubehör sür ein
ksochzeitskleid. Ls ist für die Frau Laffler in Freistadt. wie
ich aus der Adresse sehe, wohnt die Dame in demselben ksause,
wo Sie wohnen. Ls soll aber ein „Pariser" Uleid werden, —
Sie verstehen mich wohl? Also nur hübsch vorsichtig seinl
Ich denke, der Schnitt wird Ihnen keine Schwierigkeiten be-
reiten, nachdem Sie srüher alle Aleider für diese Dame gemacht
haben.

vor allem aber trachten Sie, daß die kleine Nlarie bald
gesund wird; Sie wissen doch, daß sie immer mein Liebling warl

Auf baldiges Wiedersehenl Ihre wohlmeinende

Berlin, am 4. Mai ;8gy. Iosefine Feldner.

5.

Ihrer ksochwohlgeboren Frau Lrnestine k.a-lleur (Lafflcr)

Freistadt.

Sehr geehrte Gnädigel Lw. ksochwohlgeborenl
Mit heutiger Post beehre ich mich, Lw. ksochwohlgeboren
das fertige Aleid zu übersenden und wünsche, daß cs auf Sic
denselben überwältigenden Lindruck mache, wie auf mich. Nun
sehe ich, welch genialer Gedankc es von Lw. ksochwohlgeboren
war, das Aleid in Paris componirsn zu laffen.

Ich hoffe, das Aleid wird recht gut sitzen, da ich die kNaße
nochmals revidiert habe. Sollten trotzdem einige Aenderungen
wünschenswert erscheinen, so bitte ich, mir gefälligst mitzuteilen,
ob ich selbst kommen soll, um die Acnderungen vorzunehmen,
oder ob selbe von Ihrer dortigen Schnciderin ohne Bedenken
behoben werden können. Mj unterthänigstem ksandkuß

Berlin, am ;8. Mai ^8yg. Ihre ergebene

Iosefinc Feldner.

s.

An Madame Iosephine Feldner, Damenmodesalon, Berlin.

Beste Madame Feldnerl

Wie soll ich kvorte finden, um Ihnen für Ihre Bemüh-
ungen zu danken und Ihnen zu schildern, welchen überwälti-
genden . . . comment clirai-js? . . . geradezu erhabenen Lin-
druck das Aleid auf mich gemacht hatl Vous aver raison, es
ist ein Runstwerk allerersten Ranges. Ieder Schnitt, jedes
Säumchen zeugt von Genie; jedes Zipferl legt Zeugnis ab von
der künstlerischen Genialität dieser grancke nation. kvenn wir
aufrichtig sein wollen, müssen wir gestehen, daß uns Deuischen
doch eine gewisse Schwerfälligkeit, Nnbeholfenheit .. comment
clirai-je? . . . Plumpheit anhaftet. kvir mögen fleißig, genau
und ehrlich sein, aber sür das Aünstlerische, Leichte, Genialc
sind wir nicht.

Non Oisu, haben Sie dieses himmlische Gebilde genau
betrachtet? .kveht es uns daraus nicht entgegen wie die Un-
sterblichkeit? — V, ich bewundere es oft stundenlang.

ksätten Sie diese neidblassen visagen gesehen! Die Mut-
ter der Braut war drei Tage krank vor Aerger und ihre
Schwester wurde ohnmächtig in der Airche, sans clouts vor
Gift und Galle. Oieu soit lou^!

Tnün uns seule qusstioni versprechen Sie mir, daß Sie
die Adresse des parisers Ateliers keiner meiner Freundinnen
verraten werden l )e vous pris, ma ckiere!

kermetter maclame, daß ich Ihnen sür Ihre Güte noch-
mals meinen besten Dank aussprechel

Freistadt, am 25. Mai ;8gA. Trnsstins Oa-Üeur.

7.

kvohlgeboren Frau Iosefine Feldner, Frauenschneiderin, Berlin.

Sehr geehrte Frau Feldnerl

Freudigen kserzens teile ich Ihnen mit, daß die kleine
Marie endlich wieder genesen ist und daß wir ber,eits morgen
nach Berlin übersiedeln werden.

kvie ich sehe, ist die Frau Laffler mit dem Aleide zufrieden,
denn sie ist sehr stolz darauf. Die ganze Stadt weiß bereits,
daß es ein pariscr Aleid ist. Das Stubenmädchen erzählte, daß
die Gnädige oft stundenlang das Aleid bewundert. wehe uns,
wenn sie wüßte, daß es in der Dachstube ihres eigenen Lsauses
„componirt" wurde.

Mit herzlichem Gruß und Handkuß
Freistadt, am 25. Mai k89d. Ihre dankbare Llise Loser.
 
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