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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0124
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Neggendorfers Hurnoristische Blätter.

U6


also war er sicher; und an der Treue war bei diesem stolz
reseroicrten, aus bester Familie stammendcn, grundsatzfesten
Mädchen erst rocht nicht zu zweifeln. — Lr schlug also lachend
in die ihm gebotene Patschhand der lselwig ein, und sein offcnes,
von einem blonden ,Ls ist erreicht' keck pointiertes Kavaliers-
gesicht strahlte ordentlich, als er ihr mit gemachter Lseiinlich-
thuerei ins Dhr tuschelte:

„kscut' Abend gibts 'ne Lrdbeer-Bowle in der Pension —
und 'was ganz Neues dazu, Fräulein Seffal"

„Gengans —, is möglich?! Na aber konnt's mir aa schon
denkenl A Busserl derf i Ihna net geben, 5ie Gliickspilz,
Sie —" sagte sie herzlich und erfreut und ihm die bsand schüttelnd,
„dafür aber kriegt die Lizzie an umso lauteren — —"

„Iessas, Maria'n, Iosefl was hast?" schreckte sie dann
vor der Freundin zurück, die gesenkten ksauptes, bleich und mit
bebenden Lippen vor sich hinstarrte.

Auf die Anrede barg diese den Brief in die Tasche.

„Nichts —, bitte, lassen Sie mich —" wehrte sie auf die
besorgten Fragen auch des Assessors ab und wandte sich zum
Gehen. Sein verstörter, schmerzerfüllter Blick brannte ihr aber
auf der Seele, und sie reichte ihm mit einer müden Bewegung
ihr eiskaltes bsändchen.

„verzeih! — ich sagte ,Sie^ — aber — — es muß auch
jetzt so sein. — Ich, — ich darf nicht —"

Dreimal, und jedesmal dringender hatte dcr Assessor im
Laufe des Nachmittags bei seiner Braut sich anmelden lassen.
Immer vergeblich. Auletzt hatte die Pensionsmutter ihm be-
stellt, daß Fräulein von Langenau ihn heute keinessalls em-
pfangen könne. Sie würde ihm morgen Nachricht geben.

Strela war in tiefer Lrregung und Unruhe. Die kleine
kselwig hatte ihm die persönlichkeit des Briefschreibers ge-
schildert. Auch er kannte ihn nicht. Trotzdem er an Lizzie
glaubte wie an seine eigene Schwester, marterten ihn dennoch
tausend Gedanken und Möglichkeiten. <Ls mußte doch etwas
Besonderes und Schreckliches sein; denn weshalb sprach sie sich
nicht aus, die doch sonst so offen war! Also morgen! Lr
mußte seine Angst und die pein der Ungewißheit bis dahin
niederringen. Um ihr nicht lästig zu fallen, sah er auch von
seiner ursprünglichen Vornahme ab, an sie heranzutretcn, wenn
sie zur vorstellung ging.

Lr machte abends noch einen weiten friedlosen Spaziergang
und betrat daher seine Loge im Theater erst, nachdem die vor-
stellung längst begonnen hatte.

Ls lag eine sonderbar zerstreute Stimmung über dem kleinen
Zuschauerraum und auf der Bühne. Die Aufmerksamkeit des
ksauses war geteilt zwischen den scenischen vorgängen und
einer der gegenüberliegenden Logen, aus welcher ein schwarz-
gekleideter kserr seine unheimlichen Augen starr auf die Bühne
gerichtet hielt. Fast alle Akteurs schienen bereits davon nervös
geworden.

„Fräulein von Langenau," referierte der Nachbar des
Affessors, ein Berliner Iournalist, leise, „ist schon wiederholt
aus dem Konzext gekommen durch diesen gräßlichen Kerl, diesen
lauernden Svengali da drüben."

In wahrheit: Svengali I Der Assessor sah prüsend hinüber
und — konnte sich selbst eines unheimlichen Gefühls nicht er-
wehren. Das wich aber sofort hellaufloderndem Zorn, als Lizzie
Langenau, welche eben wieder aufgetreten war, nach einem
wie magnetisch auf den Fremden gezogenen angstvollen Blicke,
gleich bei den erstcn Auftrittsworten stockte, dann völlig den
^saden vcrlor und schließlich aufschluchzend die ksände vor das
Gesicht schlug.

Der vorhang mußte fallen.

Im Zuschauerraum herrschte unbeschreiblichs Lrrcgung.
was war denn nur geschehen?! Man sprach lebhaft durch-
einander. Die meisten Köpfe waren dem Frcmden zugewandt,
der sich eben ruhig in seiner ganzen Länge erhob, als ginge
ihn die ganze Geschichte nicht im mindesten an.

Der Assessor war aufgesprungen und unten auf dem platze
vor dem Theater trat er dem Svengali gegenüber.

„Ihre Karte, bittel" stieß er hervor, indem er den bsut
lüftete.

„Uoßu?" antwortete dieser in breitem englischem Accent
und ohne mit der wimper zu zucken, „mein Kart ßein nur
sor die Ladies."

„Das eben wiinsche ich Ihnen abzugewöhnen, mein lserrl"
brauste der Assessor auf und trat dicht an ihn heran. „lvollen
Sie mir Jhre Karte geben oder nicht?"

„^Vell —" fügte sich der Fremde, indem er in seine Brust-
tasche griff, „uenn Sie vielleicht haben ein Braut oder
Schwester-— — —"

Damit übergab er lserrn von Strela eine Karte ziemlich
großen Formats, berührte seine bsutkrempe mit der schwarz-
behandschuhten Rechten und vcrschwand im Abenddunkel.

Der Assessor führte die Karte dicht an die Augen und las:

/-^

Nenrzi N. Kovvler

V_^

»Lizzie —I"

Jn einer Laube vor ihrer wohnung saß Frl. v. Langenau
und lächelte den ihr gegenübersitzenden Assessor unter Thränen an.

„Lizzie — sag, weshalb hast Du Dich mir denn nicht an-
vertraut?"

„wie konnte ich denn l" seufzte sie nachschluchzend auf. „Ich
bin Schauspielerin; und — ich bin auch immer ausgekommcn
bis jetzt — bloß die teuren Toiletten zu Fedora — das konnte
ich nicht gleich, und — — ich mag auch nicht, daß Du — —I
Ich will nicht!" rief sie erregt.

Linen Augenblick streichelte der Assessor wie ratlos das
Blondköpfchen seiner Braut, dann aber kam ihm ein erleuchteter
Gedankc.

„weißt, Lizzie," rief er, „ich hab'sl lvir lassen die un-
heimliche Schneiderseele warten, bis ich alles zahlen darf —
für meine süße kleine Fraul Gelt?"

von der Antwort haben selbst die Buschrosen nichts gehört,
welche dicht bei der Laubc durch das Geißblatt lugten — aber
gesehen haben sie etwas, das cin Rosenherz immer ersreut, —
und sie dufteten noch einmal so süß in den lauen schweigsamcn
Abend.

Druckfehler.

Der heimkchrende Radler hinkte schon von weitem dcn
Seinen zu.

Aus einem Zeiülngsromun.

Der alte kserr konnte sich nicht mehr beherrschen und schlug

dem srechen Iiingling in das Gcsicht.

(Fortsetzung auf der Rückseite.)
 
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