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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0136
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j28

Meggendorfers ^umoristifche Blätter.


iuoser Geschicklichkeit. Dolly war unterwegs von einer so un-
bcindigen ksöflichkeit, daß er ganz gerührt wurde. S o also
hat sich das gute Aind auf ihn gefreut l Das hatte er vorher
gar nicht geahnt. Aber trotzdem wies sie jeden versuch zu einer
Zärtlichkeit strengstens zurück. Menn sie einmal vcrheiratet
sein würden .... dann, ja, aber vorher nicht I V, er bewun-
derte siel Ieder Zoll eine Damel

In London fing Dolly an, nachdenklich zu werden. Sie
spüre doch, so behauptete sie, je näher der entscheidende Augen-
blick heranrücke, daß ihr der Segen der Lltern fehle. Seine
versicherungen beruhigten sie nicht; sie wollte keinen Schritt
mehr weiter gehen. „Jch muß erst meine Lltcrn versöhnen
und ihren Segen haben; dann werde ich nach Gretna-Green
gehen," sagte sie.

Was war da zu thun?

Dolly fand einen Ausweg. Sie brachte ihrem Lntführer
ein versiegeltes Schreiben. „An meine lieben Lltern," stand
darauf.

„ksierin habe ich meinen undankbaren Schritt abgebeten,
aber ich schreibe ihnen auch, daß ich nichts bereue. Mein kind-
liches Lserz sehnt sich nach ihrer verzeihung und nach ihrem
Segen zu dem Lebensbunde mit einem über alles geliebten
Manne. Lassen Sie mich hier in diesem ksotel auf Sie warten,
mein lieber Graf; nehmen Sie Flügel und bringen Sio meinen
Lltern diesen Brief. Raston Sie keine Stunde, wcnn Sie die
verzeihung und den Segen meiner Lltern haben. Lwig werdc
ich Ihnen danken, wenn Sie mir beides erwirkenl"

Ueberglücklich küßte Graf Lgon die Lsände Dollys und flog
dann davon.

Zwei Tagc später stand Graf Trottclburg vor den beiden
Goldsteins.

„Alles gut, Nkama und jdapal" seufzte der Glückliche.>
„ksier ein Briefl Dolly bittet Luch zuvor um Luren Segenl^
„Das gute Aindl" flötete die wohlgenährte Mama uikd
zerdrücktc im Augenwinkel cine Thräne, dcren Größe zur GL-
stalt der Dame in keinem verhältnis stand. Dann nahm sie
den Brief und las ihn. Aber was war denn das? wic sah
denn plötzlich Mama Goldsteins Gesicht aus? Das sah ja
aus wie ein furchtbar dräuendes Unwetterl
Plötzlich ließ sie den Brief sinken.

„Das ist unerhört l Das ist noch nicht dagewesen I Sie
sind ein ungeheurer Lsel, Graf Trottelburg, nehmen Sie mir's
nicht übel; aber ich kann nicht dafürl Lsaben Sie sich doch
richtig kalt stellen lassen . . ."

„Aber verchrte Schwiegermama . . . ."

„ksat sich was mit Ihrer Schwiegcrmama I Der Teufcl ist
Ihre Schwiegermutterl"

Graf Lgon wagte nicht zu wiedersprechen.

„Wissen Sie denn nicht, was in dem Briefe steht?"

„kvas ich Ihnen sagte, gnädige Frau. Ich habe keine
Ahnung."

„Nein, die haben Sie ja nie gehabtl Da, lesen Siel"

Und Graf Lgon von Trottelburg las:

„Liebste, beste Llternl"

„Seid mir nicht böse; abcr das werdet Ihr doch nicht wollen,
mich ernstlich zwingen, diesem Trottel von Grafen die lfand
zu reichen. Ihr werdet mir auch nicht böse sein, wenn ich
Lurer Aomödie eine selbst erfundene gegenüberstelle. wenn
Ihr diesen Brief erhaltet, hat mich mein Lrich abgeholt,
wie verabredet, und in vierundzwanzig Stunden bin ich in
Gretna-Green mit ihm vermählt. Anders war's ja nicht

möglich, und ich bin dem Grafen für sein bereitwilliges
Lingehen anf meine pläne sehr verbunden.

Iin übrigen müßt Ihr auch einsehen, daß mein Naler ein
ganz anderer Rerl ist. Ich bitt' Luch, seid gutl Schickt
cin Telcgramm hieher, und wir wcrden bcide in Lurc
Arme eilon und nachträglich um Luren Segen bitten.

Lure Tochter Dolly."

Der Graf warf das Blatt hin, stiirzte aus dem lfause und
ward nie mehr gesehen.

Frau Goldstein rang die ksände.

„Also darum ,ein bißchen Romantik? — Ls ist unerhörtl"
„Das ist ein gelungener Streichl" bemerkte kserr Goldstein,
aber scheinbar weit weniger entrüstet als seine wohlgenährte
ksälfie.

Und nach einer pause fragie er harmlos:

„Ia, da werde ich doch wohl telegraphieren müssen I lvas
meinst Du?"

„Man muß jal Man muß jal V, es ist entsetzlichl"
klnd Papa Goldstein telegraxhierte: „Aommet zurück! Ls
ist alles in Vrdnungl"

Äenderung.

instmals wie hat er geschwärmt und gesungen,

Als Iüngling von süßer Minne —

Und jetzt, wo er längst hat ein Min'chen errungen,
lvas macht er für sauere Miene!" i»r. B.

Inuner derselbc.

— „lvas, Sie dichten jetzt auch?"

Bergfex: „Ia, zur Abwechslung auch einmal auf den Parnaß
gekraxelt."

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In G e ste rre i ch - U n g a rn für kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in lvien l

Verlsg von I F. Schreiber in München nnd Etzlingrn.
 
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