Meggendorfers Lfuinoristische Blätter.
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ö)ie innfikalifchen Älonnrs.
Das schwache Geschtecht.
r war ja kein übler Nensch, dcr k)err Assessor Ratie, aber
seitdem er im Athletenklnb war, war einfach kein Aus-
konnnen mehr init ihm. Seine besten Freunde brachte
er durch seine prahlereien in verzweiflung. Zeine ganze Un-
terhaltung beschränkte sich auf die Lrzählung seiner Rraftthaten.
Die Bekannten lachten anfangs heimlich, später offen, denn sie
konnten sich nicht denken, in welchen seiner dürren Glieder all
die Araft sitzen sollte. 2lllein das störte ihn nicht, und am
Lnde sah jeder seinem Besuche mit Bangen entgegen, da er
alles (Lrreichbare, vom einfachen Stuhl bis zur brennenden
Erdöllampe zu seinen Stemmübungen benützte. Iwar ließen
ihn die Rräfte oft genug im Stiche, und noch beim letzten Ge-
sellschaftsabend hatte ein armer, unglücklicher Stuhl zwei Beine
verloren, weil er ihm zu mächtig wurde und er ihn fallen lassen
mußte, allein daran war nach seiner Aussage nur der Gelenk-
rheumatismus schuld.
Außer genanntem unglücklichem Stuhl hatten an diesem
Abend noch ein xaar junge Damen unter seiner Marotte zu
leiden gehabt; er bot ihnen die tollsten wetten an, und seine
lauten Bemerkungen über das schwache Geschlecht begannen
wirklich lästig und ärgerlich zu werden.
Als er aber gar seine Nachbarin in gehobener Stimmung
mit dem Stuhle aufheben wollte, sie aber beinahe umgeworfen
hätte, da erhob deren Bräutigam die Ljand gegen ihn.
Der Erzürnte wurde zwar von seinem Freunde, dem jungen
Bergingenieur Ritscher zurückgehalten, so daß ein Streit ver-
mieden wurde, aber im Stillen planten die beiden, wie sie das
schwache Geschlecht an dem jMahler rächen könnten und fandcn
auch ein Mittel, welches sie befriedigte.
Ihren Plan, der am nächsten Gesellschaftsabend ausgeführt
werden sollte, hielten sie geheim; aber trotzdem munkelte man
hier und dort, und am nächsten Donnerstag war der Gesell-
schaftsabcnd stärker besucht wie jemals. Auch Ratte war zur
Stelle. Man hatte ihn neben einer jungen Dame placiert, dic
als zweiten Nachbar den Bergingenieur Ritscher hatte, der sie
mit großem Ernste als seine (Lousine vorstellte. Assessor Ratte,
der trotz seiner Lieblingsbemerkung über das schwache Geschlecht
für holde Weiblichkeit nichts weniger als unempfänglich war,
schwamm bald in Nergnügen. Seine Athletengeschichten wur-
den von der jungen Dame mit andächtigem Staunen aufgenom-
men, ja, er schien sehr zu imponieren, und dies ermunterte ihn zu
immer größeren Leistungen. Ritscher und ein xaar eingeweihte
Freunde schürten noch die Begeisterung und der dicke Doktor er-
zählte, er habe einen Athleten gesehen, der wirklich eine Dame
mit dem Stuhle aufgehoben habe. Nun wurde Ratte Feuer
und Flamme. Das sei auch ihm eine Rleinigkeit, und als der
Rreis ungläubig lachte, erbot er sich, sofort seine Nachbarin mii
dem Stuhle zu heben. Diese wehrte erschrocken ab. „Was?"
schrie Ritscher, „Du willst die Dame heben? — eher hebt die
Dame Dich."
Ratte stand feierlich auf: „lvas gilt die lvette?" — „chünf-
zig Flaschen Rüdesheimer!" Lin ksandschlag und die lvette
war perfekt.
Die junge Dame ließ sich nach einigeii^ Sträuben bereden,
die Wette mit zum llustrag zu bringen, nahm auf dem bereit-
gestellten Stuhle Platz und der Assesfor begann zu heben. G,
du armer Ratte I Zwei Bcine des Stuhles brachte er vom
Boden, aber weiter kein Gedanke. 5elbst als er sich keuchend
und schwitzend auf ein Rnie niederließ, um besser fassen zu
können, hatte er nur den Erfolg, daß seine enge Spannhose
aus genanntem Anie platzte.
Lndlich ließ er ab. „Der versiuchte Rheumatismus!" Aber
noch war die lVette ja nicht verloren, nun mußte die Dame
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ö)ie innfikalifchen Älonnrs.
Das schwache Geschtecht.
r war ja kein übler Nensch, dcr k)err Assessor Ratie, aber
seitdem er im Athletenklnb war, war einfach kein Aus-
konnnen mehr init ihm. Seine besten Freunde brachte
er durch seine prahlereien in verzweiflung. Zeine ganze Un-
terhaltung beschränkte sich auf die Lrzählung seiner Rraftthaten.
Die Bekannten lachten anfangs heimlich, später offen, denn sie
konnten sich nicht denken, in welchen seiner dürren Glieder all
die Araft sitzen sollte. 2lllein das störte ihn nicht, und am
Lnde sah jeder seinem Besuche mit Bangen entgegen, da er
alles (Lrreichbare, vom einfachen Stuhl bis zur brennenden
Erdöllampe zu seinen Stemmübungen benützte. Iwar ließen
ihn die Rräfte oft genug im Stiche, und noch beim letzten Ge-
sellschaftsabend hatte ein armer, unglücklicher Stuhl zwei Beine
verloren, weil er ihm zu mächtig wurde und er ihn fallen lassen
mußte, allein daran war nach seiner Aussage nur der Gelenk-
rheumatismus schuld.
Außer genanntem unglücklichem Stuhl hatten an diesem
Abend noch ein xaar junge Damen unter seiner Marotte zu
leiden gehabt; er bot ihnen die tollsten wetten an, und seine
lauten Bemerkungen über das schwache Geschlecht begannen
wirklich lästig und ärgerlich zu werden.
Als er aber gar seine Nachbarin in gehobener Stimmung
mit dem Stuhle aufheben wollte, sie aber beinahe umgeworfen
hätte, da erhob deren Bräutigam die Ljand gegen ihn.
Der Erzürnte wurde zwar von seinem Freunde, dem jungen
Bergingenieur Ritscher zurückgehalten, so daß ein Streit ver-
mieden wurde, aber im Stillen planten die beiden, wie sie das
schwache Geschlecht an dem jMahler rächen könnten und fandcn
auch ein Mittel, welches sie befriedigte.
Ihren Plan, der am nächsten Gesellschaftsabend ausgeführt
werden sollte, hielten sie geheim; aber trotzdem munkelte man
hier und dort, und am nächsten Donnerstag war der Gesell-
schaftsabcnd stärker besucht wie jemals. Auch Ratte war zur
Stelle. Man hatte ihn neben einer jungen Dame placiert, dic
als zweiten Nachbar den Bergingenieur Ritscher hatte, der sie
mit großem Ernste als seine (Lousine vorstellte. Assessor Ratte,
der trotz seiner Lieblingsbemerkung über das schwache Geschlecht
für holde Weiblichkeit nichts weniger als unempfänglich war,
schwamm bald in Nergnügen. Seine Athletengeschichten wur-
den von der jungen Dame mit andächtigem Staunen aufgenom-
men, ja, er schien sehr zu imponieren, und dies ermunterte ihn zu
immer größeren Leistungen. Ritscher und ein xaar eingeweihte
Freunde schürten noch die Begeisterung und der dicke Doktor er-
zählte, er habe einen Athleten gesehen, der wirklich eine Dame
mit dem Stuhle aufgehoben habe. Nun wurde Ratte Feuer
und Flamme. Das sei auch ihm eine Rleinigkeit, und als der
Rreis ungläubig lachte, erbot er sich, sofort seine Nachbarin mii
dem Stuhle zu heben. Diese wehrte erschrocken ab. „Was?"
schrie Ritscher, „Du willst die Dame heben? — eher hebt die
Dame Dich."
Ratte stand feierlich auf: „lvas gilt die lvette?" — „chünf-
zig Flaschen Rüdesheimer!" Lin ksandschlag und die lvette
war perfekt.
Die junge Dame ließ sich nach einigeii^ Sträuben bereden,
die Wette mit zum llustrag zu bringen, nahm auf dem bereit-
gestellten Stuhle Platz und der Assesfor begann zu heben. G,
du armer Ratte I Zwei Bcine des Stuhles brachte er vom
Boden, aber weiter kein Gedanke. 5elbst als er sich keuchend
und schwitzend auf ein Rnie niederließ, um besser fassen zu
können, hatte er nur den Erfolg, daß seine enge Spannhose
aus genanntem Anie platzte.
Lndlich ließ er ab. „Der versiuchte Rheumatismus!" Aber
noch war die lVette ja nicht verloren, nun mußte die Dame