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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 42.1900 (Nr. 497-509)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20909#0016
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Meggendorfers Hurnorisiische Blätter.

Siil-Bür

in verlangen auch die ihn nie
gesehen und seinen Liedern noch
nie gelauscht.

Aber eine war, die lachte.

Sie war das schönste Mädchen
in allen Reichen; weithin er-
scholl der preis ihrer Reize,

Aönigssöhne lagen ihr zu Füßen,

Dichter und Sänger umschinach-
teten sie und erhoben ihren
Namen zu unvergänglichem
Ruhme. Sie aber spottete aller
bsuldigungen, Stolz hatte ihr
iserz verhärtet und die Blüten-
keime der Liebe hatte der Frost
maßloser Eitelkeit vor der Zeit
oernichtet, daß keine Glut der
ivelt sie zum Leben erwecken
konnte.

Iung-Sxielmann aber dachte
in seinem kserzen, auch dich will
ich besiegen; erst dann will ich
zufrieden sein, wenn auch die
stolzeste der Schönen in schmach-
tendem verlangen zu meinen Fiißen
sich windet. Und er trat vor sie hin
und sang seine glühendsten Meisen
und verfolgte sie mit verzehrenden
Blicken.

Aber hier war sein Iauber umsonst;
sie verachtete sein Werben und spottete seiner
sehnsüchtigen verse; denn alle Leidenschaft vermag
ein steinernes kserz nicht zu erwärmen, und alle Poesie erweicht
es nicht.

Und immer eisriger umwarb Iung-Sxielmann die schönheit-
strahlende Iungfrau, sein Stolz war verletzt, um seine Zauber-
macht ward ihm bange; immer glühender sang er von seiner
Liebe und sein Lserz entzündete sich, da sein Begehren keine
Befriedigung fand. Bül-Bül war im goldenen Aäfig gesangen;
er trieb nicht mehr sein Spiel mit schuldlosen Lserzen — er
selber war ein Spiel der Leidenschast geworden. Und die Aunde
davon durcheilte die Lande, und löste überall den Bann, der die
bezauberten kserzen gefangen hielt, wie der Frühlingswind die
Wuellen erlöst aus den Banden des Lises.

Und als nun der Sxielmann mit seiner verschmähten Liebe
verzweifelnd von dannen zog, da sah er, wie alle sich von ihm
wandten, und wie er ein Spott geworden, denen, die er zuvor
in den Staub getreten. Aber das kiimmerte ihn nicht mehri
fort trieb es ihn, fort, in der Einsamkeit sein Leid zu begraben.

Müde und gebrochen erreichte er eines Abends den Saum
eines großen Waldes. Mie lieblich sangen die vögell Lr
horchte hoch aufl Alte Lieder wurden in ihm lebendig, wie
ein Nebel zerrann vor seinem Geiste sein irrendes Leben und
vergessene Bilder einer goldenen, reinen Zeit nahmen seinen
Sinn gefangen.

Lr dachte seines ersten Liebs und der seligen Stunde, da
er ihr goldenes bsaar zum erstenmal durch das Dunkel des Waldes
im Abendsonnenglanze hatte ausieuchten sehen. Line unendliche
Sehnsucht erfaßte sein bserzi noch einmal nur hätte er fie sehen
mögen: — er wollte ihr alles vergeben.

Siehe, da leuchtete es so rot und golden in der Ferne, wie
dazumall Iung-Sxielmann eilte dem Schimmer zu, und da sah
er sein Lieb, bleich und abgehärmt, aber schöner denn je: eine
unendliche Milde leuchtete aus ihren traurigen Augen.

„V daß du zurückkehrtest!" seufzte die ksolde: „Bh daß ich
noch einmal dir sagen könnte, daß ich nur dich allein wahrhaftig
liebte und noch liebel Was du gethan in der weiten Welt,
nachdem du von mir geschieden, was mir die boshafte ksexe
erzählt — ach l ich verdiente es tausendmal, das alles kann dir
mein kserz nicht mehr entfremden. Die Reue hat mein Leben ver-
zehrt: nur einen Blick der vergebung, nur einen ksauch des
Mtleids von dir, so wollte ich gerne sterben!" Und nun hub
sie an und begann zu singen, und sang mit himmlischer Stimme
— alle die Lieder, die einst ihre Eifersucht entsiammt hatten,
alle die Lieder, die sie einst in der ksexenhütte in grausamer
Lust gemordet hatte, und die durch ihre Reue zu neuem Leben
erweckt worden waren.

Da brannte Iung-Spielmanns Herz, und er eilte in ihre
Arme. „vergib mir!" rief er ihr zu: „Nur du bist meine
erste und meine letzte Liebe: wohl mir, daß ich erwacht bin aus
unseligen Träumenl"

Sie aber siüsterte bange: „Achl daß du mir vergeben könn-
test, was ich in herzloser Eifersucht an dir verschuldet: ich trage
allein die ganze Last der Schuld, da ich deine Liebe in meinem
kserzen verleumdete um der schönen, unschuldigen Lieder willen,
und meine Treue dir brach, um sie zu verderben. Und siehe
diese Lieder allein, erst rächend in wahnsinniger Reue, dann
tröstend in wehmütigem Gedenke« haben mein Leben gefristet,
bis ich dich wiederfand."
 
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