INeggendorfers humoristische Blätter.
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a, gewiß, es war verbrechen,
Unbewußt hatt' ich's gethan,
Bis ich ernste, strenge Richter
5ah zu meinem Urteil nah'n.
Alle nach und nach sie kamen,
Die die Größen sind der Stadt,
UUt verachtungsvollem Staunen
Ieder mich betrachtet hat.
Scheu im Areis sie um mich saßen,
Es erklang kein lautes wort,
Doch ich las in ihrem Schweigen,
Daß man weit mich wünschte sort.
Und so bin ich denn gesiohen,
Aber schwer noch reut's mich jetzt,
Daß ich dort im Rathauskeller
An den Stammtisch mich gesetzt.
Thcodor Frnuckc.
Die Todeskandidaten.
„Siehst du, das ist es, was ich dir noch sagen wollte,"
antwortete er. „lVenn ich dcnke, daß wir beide da unten-,
wenn man wenigstens wüßte, — warum?-—"
„Aberl" sagte sie vorwurfsvoll.
„Nun ja, mir ist vorhin, als ich da hinauf und dann da
hinunter sah, — oben Tag, unten Nacht — ein sehr gescheiter
Gedanke gekommmen. — Etwas, das uns diese schreckliche
5tunde ersparcn könnte."
„Und — ?" fragte sie atemlos. —
„lVeiterlebenI"-—
„Aber!"-sagte sie wieder.
Ihn überkam mit einem Male eine warme Beredsamkeiti
„5ieh, eigentlich hatte mein Vater recht, als er mich einen Lsel
nannte. — Du hast nichts — und du hast doch nichts?! —
und ich bin xin ar,ner Teufel, der nichts ist und gerade zu viel
Zum Verhungern hat .... Alan sagt, die Zeit heile alle lvunden
' - - alle . . . diese lVunden wird sie heilen —", er tixxte stch
und ihr auf die Stelle, wo nach seiner Uleinung das lserz saß,
— „aber die lvunden, die wir da unten empfangen würden, heilt
sie gewiß nicht. lveshalb wollen wir gescheiter sein als ein
durch Iahrtausende" —- er sprach hier mit edlem Schwung —
„erxrobter lvahrspruch? — — Ich will's nicht sein!" setzte
er ebenso bescheiden als nachdrücklich hinzu. — „Du?" — —
Lr sah sie imponierend an.
Ganz vcrschüchtert flüsterte sie: „Ich auch nicht l"-
Dann schwiegen sie; sie mußten sich erst an den Gedanken, -—
weiterzuleben, -— gewöhnen.
lvieder sahen sie hinab. Unten auf dem feuchten Gestein,
das halbverfaultes Laub bedeckte, hüxfte ein Frosch seine lllorgen-
xromenade auf und nieder. Lr freute sich der spärlichen Blüten,
die von oben herabtanzten. Da . . . patsch! ... fiel er ins
lvasser; er war fehlgesxrungen. lvirbelnd riß ihn der lvild-
bach mit sich fort.
„llnser Losl" xhilosophierte der beobachtende Randidat.
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a, gewiß, es war verbrechen,
Unbewußt hatt' ich's gethan,
Bis ich ernste, strenge Richter
5ah zu meinem Urteil nah'n.
Alle nach und nach sie kamen,
Die die Größen sind der Stadt,
UUt verachtungsvollem Staunen
Ieder mich betrachtet hat.
Scheu im Areis sie um mich saßen,
Es erklang kein lautes wort,
Doch ich las in ihrem Schweigen,
Daß man weit mich wünschte sort.
Und so bin ich denn gesiohen,
Aber schwer noch reut's mich jetzt,
Daß ich dort im Rathauskeller
An den Stammtisch mich gesetzt.
Thcodor Frnuckc.
Die Todeskandidaten.
„Siehst du, das ist es, was ich dir noch sagen wollte,"
antwortete er. „lVenn ich dcnke, daß wir beide da unten-,
wenn man wenigstens wüßte, — warum?-—"
„Aberl" sagte sie vorwurfsvoll.
„Nun ja, mir ist vorhin, als ich da hinauf und dann da
hinunter sah, — oben Tag, unten Nacht — ein sehr gescheiter
Gedanke gekommmen. — Etwas, das uns diese schreckliche
5tunde ersparcn könnte."
„Und — ?" fragte sie atemlos. —
„lVeiterlebenI"-—
„Aber!"-sagte sie wieder.
Ihn überkam mit einem Male eine warme Beredsamkeiti
„5ieh, eigentlich hatte mein Vater recht, als er mich einen Lsel
nannte. — Du hast nichts — und du hast doch nichts?! —
und ich bin xin ar,ner Teufel, der nichts ist und gerade zu viel
Zum Verhungern hat .... Alan sagt, die Zeit heile alle lvunden
' - - alle . . . diese lVunden wird sie heilen —", er tixxte stch
und ihr auf die Stelle, wo nach seiner Uleinung das lserz saß,
— „aber die lvunden, die wir da unten empfangen würden, heilt
sie gewiß nicht. lveshalb wollen wir gescheiter sein als ein
durch Iahrtausende" —- er sprach hier mit edlem Schwung —
„erxrobter lvahrspruch? — — Ich will's nicht sein!" setzte
er ebenso bescheiden als nachdrücklich hinzu. — „Du?" — —
Lr sah sie imponierend an.
Ganz vcrschüchtert flüsterte sie: „Ich auch nicht l"-
Dann schwiegen sie; sie mußten sich erst an den Gedanken, -—
weiterzuleben, -— gewöhnen.
lvieder sahen sie hinab. Unten auf dem feuchten Gestein,
das halbverfaultes Laub bedeckte, hüxfte ein Frosch seine lllorgen-
xromenade auf und nieder. Lr freute sich der spärlichen Blüten,
die von oben herabtanzten. Da . . . patsch! ... fiel er ins
lvasser; er war fehlgesxrungen. lvirbelnd riß ihn der lvild-
bach mit sich fort.
„llnser Losl" xhilosophierte der beobachtende Randidat.