Meggendorfers ^umoristische Blätter.
Natürlich hatte die Vroni gerade dein ärmsten Buben im
ganzen Vrt, dem tsuber-Franzl, ihr kserz geschenkt. Und — g'rad',
am letzten Tage noch, ehe er einrücken mußte zu den Soldaten,
hatte sie es ihm gestanden. Der überselige Franzl war —
etwas benommen von seinem Glück — in die bsauptstadt ein-
gezogen. Daß so ein saubrer Bub', wie er einer war „Schwein"
hatte — das wunderte ihn weiter nicht, — daß das Glück, ulius
Schwein, aber gleich im plurul — in so vielen Schweinen —
iiber ihn kam, das betäubte ihn ganz. — Fast froh war er, daß
ein Schatten in dies blendende Licht fiel — der Gedanke an
den stielvoll „saugroben" bserrn Schwiegervater nämlich, der
vorläufig auch noch kein Sterbenswörtchen von der ganzen An-
gelegenheit erfahren durfte.
G'rad' in den zärtlichen Abschied war der Alte noch her-
eingeplatzt, und hatte ihm die letzten Treueschwüre glatt abge-
schnitten. „Schreib fein baldi" hatte er ihr nur noch heimlich
zuflüstern können. Die vroni hatte genickt — aber ein so
merkwürdiges Gesicht hatte sie dabei gemacht — g'rad' als ob
sie ihr schnell gegebenes Iawort nachträglich bereue — vielleicht
war's auch bloß Angst vor dem kserrn vater gewesen. —
Der Franzl saß in der Aaserne auf seinem Feldbett und
starrte trübselig auf einen lfaufen ungeputztes Lederzeug zu
seinen Füßen. Dabei malträtierte er seinen Schnauzbart der-
artig, daß er schon aussah, wie ein Weizenfeld, darin die
Mäuse Mahlzeit gehalten. Zwei Stunden hatte er nachexerzieren
müssen. Seinem Feldwebel konnte er es nie und nimmer recht
machen. Franzls Feldwebel war eines jener, immer mehr und
mehr aussterbenden Vriginale, ein Mann, von dem hundert
Anekdoten kursierten. kseute hatte er den Aerls „Ironneurs"
_machen beibringen wollen — von den
Gelegenheiten, die sich täglich ergeben
konnten, den Begegnungen mit „dem
lserrnlfauptmann", „dem lferrn Dberst"
— „dem lserrn General" — war
seine phantasie zu außergewöhn-
licheren Lreignissen emporge-
flattert — „jetzt bin ich ein
militärischer Leichen-
kondukt", sagte er
mit Grabes-
stimme —
und defi-
lierte
mit
Iekt!
verbrauchter Lebemann: „Ietzt gründe ich einen Tugendbund.
gesenktem lfauxt an seiner kreuzdumin dreinschauenden Schar
vorbei — und jetzt — paßt's auf — jetzt bin ich — (hier
schwang stch seine phantasie in jene heiteren lföhen, wo ihr
kein Blick mehr folgen konnte —) „jetzt bin ich die Aaiserin,
und fahre, auf dem Pferdebahnperron stehend, an euch vorüber;
jetzt, Leut', nehmts euch zusammenll"
Franzl lsuber blieb — über eine so märchenhafte lNöglich-
keit nachdenkend, — Mund und Nase offen stehen, seinem Gruß
fehlte es daher an der tiefen Ehrerbietung, die von ihm erwartet
wurde. Natürlich stürzte, rot wie ein Puthahn und beinahe
ebenso „kollernd", der Feldwebel auf ihn zu. „lfuberl" schrie
er und hielt dem Unglücklichen die Faust unter die Nase —
„Aerll — unsere Uaiserin ist eine gütige, herrliche Fraul —
aber — runtersxringen und Ihnen eine rechts und eine links
um die Vhren hau'n — das wär' das Wenigste."
Und dann hatte der Franzl mindestens zwei Dutzend „auf
dem Pferdebahnxerron stehenden „gekrönten lfäuptern", die an
ihm vorbeifuhren, „Ironnsurs" machen müsfen — bis ihm der
Schweiß von der Ulännerstirn getropft war — er hatte es ge-
than mit „heißcm Bemüh'n", seine Sache gut zu machen, und
ohne Ahnung, gleich seinem biederen Lehrer, von der ungeheuren
Drolligkeit der angenommenen Thatsache.
Und nun hatte er, totmüde heimkehrend, den ersten Brief
seiner vroni vorgefunden, und hätte all' seine Ntüdigkeit darüber
vergessen sollen — und doch saß er jetzt, nach Lektüre dieses
herrlich geschriebenen und von Liebe und Zärtlichkeit wahrhaft
überfließenden Briefes da und fühlte sich kreuzunglücklich — nie
hatte ihn das Gefühl seiner Unwürdigkeit gegenüber der schweine-
besitzenden Geliebten so durchdrungen, wie eben jetzt. —
Nein, so einen Brief hätte er der vroni nimmer zugetraut
— das war ja, als ob ein g'studierter Professor ihn geschrieben
hätte. Rosen und vergißmeinnicht umrankten üppig die Schwüre
ewiger Liebe und Treue — das verstand er noch — auch war
aber dann'von „Amors glänzendem Sieg" die Rede. Lrst hatte
er gedacht, „Amor" damit meinte sie Putzxomade, denn die
Schachtel, die er da vor sich bei seinem Lederzeug stehen hatte,
hieß doch „Amor" — aber es paßte nicht — „glänzend" machte
„Amor" freilich die Anöxfe aber Rosenketten — wie da
weiter stand — das wußte er gar nicht mit der jlutzpommade
in Verbindung zu bringen. Und kein lvort von den Schweinen
hatte sie geschrieben — wo er doch so gern gewußt hätte, ob
die schwarze Sau derweil den erwarteten Familienzuwachs er-
halten — und ob das „scheckete" Schwein gesund geworden war.
Und dann fiel ihm ein, daß er ja nun auch antworten müsse.
Siedend heiß wurde ihm, wenn er Vronis herrliche Schrift be-
trachtete und dann an seine eigenen Schriftzeichen dachte. lfatte
doch der lferr Lehrer noch in der obersten Alasse zu ihm gesagt:
„Du machst die lfaken so verworren, als hätt' die ljenne Ukist
geschorren."-Und Franzl holte einen brunnentiefen Seufzer
nach dem andern aus der Tiefe seiner Männerbrust.
vor Ratlosigkeit ließ er vierzehn Tage verstreichen, ehe er
sich zum Schreiben entschloß — und ehe er noch die Feder an-
gesetzt hatte, überraschte ihn ein neuer Brief der vroni.
Franzl wagte kaum, ihn zu öffnen. N)ie bös würde sie
über sein Schweigen sein I Ganz blaß riß er endlich das Lou-
vert auf. Aber — o Wunder l — kein Wort des vorwurfs
— nichts als neue Liebe- und Treueschwüre — Grab-
Lypressen, deren schwarze Zweige im Mondlicht auf ihrem
Grabe noch N)orte der Liebe flüstern würden, spielten
eine große Rolle darin; — von den Schweinen keine
Silbe. Dagegen war von „Lros" und „seiner Fackel" die
Rede — Franzel hielt ihn, nach beängstigend tiefem Nach-
denken, für eine Art Feuerwehrmann — und wunderte
sich, daß sie im Dorf daheim jetzt schon „so was" hätten.