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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 42.1900 (Nr. 497-509)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20909#0056
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Meggendorfers Hurnoriftische Biätter.


gleich mii besorgt hatte — eine funkelnagelneue Feder vor sich
hin — setzte die Tintenflasche möglichst sicher, und schlug nun
das Buch auf.

Gleich zuerst kam: „Brief eines jungen Ntädchens an ihren
Geliebten." Das konnte er allerdings nicht brauchen, aber
lesen wollte er, ob auch solches Zeug drin stand, wie in der
vroni ihren Briefen. Gr las — stutzte — las wieder — wurde
immer unruhiger und sprang endlich auf, um vronis Briefe,
die er im verschlossenen Rästchen
aufbewahrte, hervorzuholen. Lr
sah in den Brief — er sah ins
Buch — Wort für Wort deckte sich
der Inhalt — da waren die Rosen
und vergißmeinnicht — da war der
rätselhafte „Amor" — da waren die
düstern Typressen und „Tros mit
der Fackel" — und da auch „die
glühende Beredsamkeit" und die
„zarten Beweise seiner immer
wachsenden Liebe." 5till — stumm

— blaß saß Franzl — seine Ge-
danken jagten sich durch sein —
solcher Beweglichkeit ungewohntes
chirn — endlich stöhnte er, wie ein
sterbender Gladiator — und ließ
sein schöngescheiteltes ksaupt trost-
los auf die Tischplattc sinken.

Der kluge Sepp saß am Fenster
nnd war so vertieft in ein herr-
liches Sensationswerk, das den
Namen „das blutige Brötchen an
der Airchhofmauer" oder „die ab-
gehackte bjand" führte, daß er keiner-
lei Acht auf Franzls Treiben ge°
habt hatte. Ietzt aber wurde er
aufmerksam.

„kvas is los?" fragte er, er-
staunt auf den ganz Iusammen-
gebrochenen blick.end.

„5epp>" sagte Franzl
Grabesstimme — „alles is aus —
ich wußt's ja glei — i bin viel
z' dumm für so a Gescheite —

5exp — weißt wer das Büchel
g'schrieben hat — die vroni hat
das Büchel g'schrieben — da, schau
herl ka Tüxferl fehltl"

5epps Antlitz verklärte sich — er sprang auf — beugte
den borstigen Schädel über Buch und Briefe und brach in ein
schallendes Gelächter aus. „Du saudumma Knödl," schrie er

— „abg'schrieben hats aus dem Büchel — na — das wirst doch
wohl auch können — >"

Franzl brauchte einige Zeit, ehe er sich mit dieser — aller-
dings einiges lvahrscheinliche für sich habenden, veränderten
Thatsache abfand — und schon kämpfte auf seinem Antlitz
„glorreiche 5onne" mit dem lvinter seines INißvergnügens —
aber schon umwölkte es sich von neuem.

„Aber die Schrift" — stöhnte er — „so schön krieg' ich 's
nicht 'raus, und wann i glei sitzen bleib am Tisch bis ich
Großvater wär' — schau doch nur die Schrift von der vronil"

„was sagst?" lachte Sepx — „meinst etwa gar die
Schweinebauern-Vroni?"

Franzl hing beschämt die Vhren. Da hatte er sich ja
richtig verplappert.

„Gelt — verrätst's halt netl" bat er. „Die Schweinebauer-
vronil" schrie Sexp und hielt sich die Seiten — „die kann ja
überhauxt net schreiben — weil's zu dumm in der Schule war
— die hat sich die Briefl von wem anders abschreiben lassen

— willst auch wissen, von wem?" Er
griff in die Brusttasche und holte
einen Brief vor.

„Schau — der ist von der Lisl

— und die Lisl is meine Braut
und der vroni ihre beste Freundin

— na, dummer Bub — jetzt
schreib g'rad' wie dir die ttlaue ge-
wachsen isl"

Der Franz war aufgesprungen
und hatte den Sepp so fest an sein
yerz gedrückt, als ob er die vroni
in eigner Person gewesen wäre.

„kjurral" schrie er — „jetzt
hab' ich die vroni halt noch viel
lieber — wir brauchen ka Gscheit-
heit — wir brauchen bloß an
Schweineverstand. Und den, den
hats. — Und jetzt solls a Briefl
habn — so gut wie ich's halt ver-
steh' — die Lisl muß es ja doch
vorlesen."

„Haltl" sagte Sexp — „Strafe
muß sein — die salsche Federln,
mit denen sie sich gexutzt hat,
wollen wir ihr ausrupfen — da
geh her und schreib i
„Seite 7S"

er blätterte in dem Liebesbriefsteller,
bis er befriedigt anhielt — also
hier: „Liebe vronil" — hast's? —
jetzt bloß:

Seite 751

So — da kann's nachlesen. Ietzt
s'Brief'l zugemacht. Und ich will
der Lisl schreiben, daß 's erst a
weilchen zappeln läßt, eh' sie's auf-
klärt. Und daß das saudumme
Geschreibsel net noch amol ankummt.

Darauf gingen die beiden Ldlen nach dem Wirtshaus und
feierten die glückliche Lösung des Rätsels.

Nächstesmal hat der Franzl einen anderen Brief gekriegt,
den die vroni wirklich selbst geschrieben hatte und der an
Fehlern, Schrift und Alexen selbst Franzels kühnste phantasie
und hochgespannteste Erwartungen übertraf. Denn ganz so
schlimm war es mit der vroni doch nicht — „a bissel was"
war doch noch von Schulzeiten her in ihrem Rrausköpfchen
hängen geblieben. In diesem Brief war wenig von Liebe und
Sehnsucht aber viel von der „schwarzen" und der „schecketen"
zu lesen — und von Amor und dem Gott mit der Fackel —
dem Allsteger Eros — stand nichts mehr darin.

A. : „wie sehen Sie denn aus?"

B. : „Ich bin ein Vpfer des wettrasierens, welches

neulich bei der Iubiläumsausstellung der Barbier-
innung veranstaltet wurdel"

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Desterreich-Ungarn sür kjerausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingen
 
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