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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 42.1900 (Nr. 497-509)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20909#0065
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Aleggeridorfers Humoristische Blätter.

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statteten, große Sxrünge zu
machen — kurz, alles Dinge, die
es wunderbar erscheinen ließen,
daß bserr Griesler noch nicht
zur Mürde eines Lhemanns
avancierte. Das ganze Unglück
lag lediglich daran, daß kserr
Rentier Griesler sich in der
Zeitrechnung geirrt und um
circa sünfzig Jahre und mehr
zu früh auf die Welt gekommen
war. Ls ist eben noch nicht
ganz an der Ieit, daß eine sitt-
sameIungfrau oder eine ehrbare
Witib vor den Ukann, mit dem
sie gar zu gern selbander durchs
Leben gewandelt wäre, hintritt
und zu ihm frank und frei von
der Leber weg spricht:

„Sie gefallen mir, und ich
möchte gern Ihre Frau werden;
wollen Sie mich heiraten?"

Das ist heute noch wider
den guten Ton; guter Ton
vielmehr ist, wenn so ein liebes-
krankes Meibchen seine Sehn-
sucht still im Busen verschließt,
geduldig wartet, bis cr selbcr

kommt und eventuell an gebrochenem kserzen langsam
dahinstirbt. Nun müßten wir allerdings lügen, wenn wir

Lcböner (Ledanke.

Aufmerksarnkeit.

IVirt (als ein Gast

'n Bürgermeister auf 'n

bei emer Rauferci aus den Siirgermclstcr einen Arug schleudern will): „kfalt I WeilNst

Schädel werf'n wlllst, so nimm sein' Stammkrugl"

lvie man zu einer Frau kommen kann.

behaupten wollten, uns sei irgend wann und wo einmal ein Fall zu
Ghren gekommen, daß ein edles Frauenherz insolge allzu großer
Sehnsucht nach kserrn Bernhard Griesler gebrochen wäre; vielmehr
hatten besagte Frauenherzen, soweit sie einmal in mehr oder minder
lebhaftem Tempo sür Griesler schlugen, die lobenswerte vorsicht ge-
braucht, nach einigem fruchtlosem lverben ihre ksand einem andern
anzuvertrauen, und so war es gekommen, daß kserr Griesler, obwohl
er das Muster eines tüchtigen Lhemannes abgegeben hätte, bis zu
seinem sünfundvierzigsten Iahre noch unbeweibt geblieben. Und dabei
schwärmte er fürs Lwig-lveibliche wie kaum einer, wenn's auch
immer nur beim Platonischen blieb. Lr war halt ein bißchen schüchtern,
und als er sich erst mit einigen Iährchen aus dem Schneider heraus-
gemausert hatte, da ging's mit seiner Lourage immer weiter bergab.
Schließlich hatte er sich eingeredet, die lveiber taugten nicht sür ihn
und er tauge nicht sür die lveiber, hatte, wie gesagt, aus der Not
seiner unbeabsichtigten Ledigkeit die Tugend eines Iunggesellentums
aus Ueberzeugung gemacht und mit dieser großen Frage der mensch-
lichen Natur ein sür allemal abgeschlossen.

In der letzten Zeit war aber mit lherrn Bernhard Griesler eine
sehr bedenkliche lvandlung vor sich gegangen. Lr bewohnte nämlich
in dem schmucken lsause der lvitwe Frau Thilde Bauer ein Zimmer
mit Schlafkabinett, just unmittelbar neben der lvohnung der Ligen-
tümerin. Frau Thilde Bauer hielt große Stücke auf ihren lUieter, der
bisher ein Ausbund von Solidität, Ruhe und Pünktlichkeit in der
lNietszahlung war. Das bißchen Aufwartung, das ljerr Griesler
brauchte, besorgte Frau Thildes Dienstmädchen nebenher; lediglich der
vollständigkeit und Genauigkeit wegen müssen wir noch mitteilen,
daß Frau Thilde Bauer Lnde der Dreißiger stand, ein gar nicht
unübles, recht durchwachsenes, „druddeliges" lveibchen war, seit
stwa acht Iahren ihr Leben als lvitwe vertrauerte und bescheiden
von dem Lrtrage des kjauses lebte, das ihr der Selige sast schulden-
srei hinterlassen hatte.

5eppl (welcher seine erste Ustr bckommen):

a yerr prinz nach der Zeit frag'nl"

„Ietzt sollt' mi'

Die bedenkliche lvandlung, die sich in Bernhard Griesler vollzog,
hatte seinen Grund darin, daß, anfänglich vereinzelt und schüchtern,
 
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