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Aleggendorfers Huinoristische Blätter.
Dabei wurde das Rot ihres sreundlichen Antlitzes immer
intensiver.
Bernhard Griesler bekam infolge dieser rückhaltlosen Aner-
kennung neucn Mut und fuhr fort:
„Ich habe mir das sehr gründlich überlegt und bin über-
zeugt, daß ich nicht übel dabei fahren werde."
„Ganz gewiß nicht," hauchte Frau Thilde.
„Und was ,sie° anbetrifft," fügte bferr Griesler mit ge-
winnendem Lächeln hinzu, „so denk' ich, daß es auch für sie das
beste ist. Sie steht ja doch auch so einsam in der Welt da,
hat keinen Schutz und keinen Menschen . .
„Ach, Sie guter Mannl" hauchte Frau Thilde und konnte
sich nicht enthalten, von neuem seine bsand zu drücken und ihn
mit einem zärtlichen Blick zu bedenken.
„Dann denke ich auch — das Leben zu zweien wird auch
nicht viel tdurer sein als dieses Leben im Wirtshaus, meinen
Sie nicht?"
„Dh, kserr Griesler, ganz gewiß nichtl Sie werden sehen,
es geht alles aufs beste," bestätigte Frau Bauer.
„Nun hab' ich sie allerdings noch nicht gefragt, was sie
darüber denkt; aber ich meine, sie wird meinen vorschlag mit
Freuden annehmen."
„Ia, das wird sie," erklärte sie mit Bestimmtheit, „sie wird
recht glücklich sein."
„Aurz und gut," fuhr bserr Griesler sort, „ich denke, es
wird ein recht srohes und zusriedenes Leben werden" — Frau
Thildes Augen strahlten — „und man weiß doch wenigstens^
wo man hin gehört. Mrd ein prächtiges Lsausmütterchen
abgeben, das Mathildchen."
Lin jubelnder Aufschrei hallte durch die Staatsstube und
Frau Thilde hing mit beiden Armen an seinem bsalse, ließ ihre
Thränen sließen und stammelte unzusammenhängende Worte
süßesten Lntzückens.
Bernhard Griesler wußte anfänglich nicht, wie ihm geschah.
Dieses Finale seiner geschästlichen Unterredung mit der bsaus-
eigentümerin hatte er wirklich nicht erwartet; aber noch ehe er
eigentlich zur Besinnung gekommen war, sühlte er ihre warmen
Lixpen und ihre weiche Hand, die ihn streichelte, und das that
ihm so wohl und war so süß, daß er es vorzog, noch ein weilchen
in seinem Zustand zu verharren und sie nicht etwa hartherzig
von sich zu stoßen. Und sie fuhr fort, zu lachen und zu weinen
und ihm tausend Gelübde zuzuflüstern, wie sie ihn lieb haben
und verhätscheln wolle.
Das alles war zwar sehr gegen das jdrogramm, aber
trotzdem gefiel's ihm, und schließlich, so fuhr es ihm durch den
Koxf, ist eine Liebe der andern wert, und er schlang seinen
Arm um ihre „zärtliche" Gestalt und küßte sie . . . einmal....
zweimal . . . und, da der Apxetit b^kanntlich bei dem Lssen
kommt, noch viel öfter. Gezählt haben wir's nicht.
Und dann nahmen sie auf dem Sofa Platz, saßen bjand in
bsand nebeneinander, lachten, schwatzten, kosten und waren
vergnügt wie die kleinen Ainder. kserr Bernhard war schließlich
der vergnügteste. Lr machte durchaus nicht den Lindruck eines
Menschen, bei dem alles ganz anders gekommen war, als er
beabsichtigt hatte.
Lr hatte die unerwartete wendung auch wirklich nicht zu
bereuen, weder jetzt noch sxäter. Frau Thilde Bauer, die bald
darauf das gesetzliche Recht erhielt, sich Frau Thilde Griesler
zu nennen — (von dem sie herzlich gern Gebrauch machte) —
weiß heute noch nicht, daß es sich damals um ein ganz anderes
Nkathildchen gehandelt hatte. Dieses andere Mathildchen war
auch bald in den neuen bsausstand ausgenommen worden und
Lserr Bernhard Griesler fand, daß es so viel schicklicher sei, als
wenn sie in die NArtschaft eines Iunggesellen gekommen wäre,
sei es auch eines Iunggesellen aus Prinzip. Ueberhauxt . . .
das prinzixl !serr Griesler wußte, was man davon zu halten
hatte.
Dptinüst und Bessimik.
Ftz>eht nur," so ruft ein Gptimist,
vor Freude hochentzückt,
„Wie doch das schöne Blümchen dort
Die alte Mauer schmücktl"
„Ach, seht doch," ruft der Pessimist,
Unangenehm berührt,
„lvie 's Blümchen durch die Mauer dort
All seinen Reiz verliert!"
W.
Die gebildete Zofe.
— „Ist der bserr Doktor zu bjause?"
— „Nein, er befindet sich gerade auf dem Parnaßl"
verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Desterreich-Ungarn sür kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Ulohr in Wien I.
Verlsg von I. F. Schreiber in Miinchen und Etzlingen.
Aleggendorfers Huinoristische Blätter.
Dabei wurde das Rot ihres sreundlichen Antlitzes immer
intensiver.
Bernhard Griesler bekam infolge dieser rückhaltlosen Aner-
kennung neucn Mut und fuhr fort:
„Ich habe mir das sehr gründlich überlegt und bin über-
zeugt, daß ich nicht übel dabei fahren werde."
„Ganz gewiß nicht," hauchte Frau Thilde.
„Und was ,sie° anbetrifft," fügte bferr Griesler mit ge-
winnendem Lächeln hinzu, „so denk' ich, daß es auch für sie das
beste ist. Sie steht ja doch auch so einsam in der Welt da,
hat keinen Schutz und keinen Menschen . .
„Ach, Sie guter Mannl" hauchte Frau Thilde und konnte
sich nicht enthalten, von neuem seine bsand zu drücken und ihn
mit einem zärtlichen Blick zu bedenken.
„Dann denke ich auch — das Leben zu zweien wird auch
nicht viel tdurer sein als dieses Leben im Wirtshaus, meinen
Sie nicht?"
„Dh, kserr Griesler, ganz gewiß nichtl Sie werden sehen,
es geht alles aufs beste," bestätigte Frau Bauer.
„Nun hab' ich sie allerdings noch nicht gefragt, was sie
darüber denkt; aber ich meine, sie wird meinen vorschlag mit
Freuden annehmen."
„Ia, das wird sie," erklärte sie mit Bestimmtheit, „sie wird
recht glücklich sein."
„Aurz und gut," fuhr bserr Griesler sort, „ich denke, es
wird ein recht srohes und zusriedenes Leben werden" — Frau
Thildes Augen strahlten — „und man weiß doch wenigstens^
wo man hin gehört. Mrd ein prächtiges Lsausmütterchen
abgeben, das Mathildchen."
Lin jubelnder Aufschrei hallte durch die Staatsstube und
Frau Thilde hing mit beiden Armen an seinem bsalse, ließ ihre
Thränen sließen und stammelte unzusammenhängende Worte
süßesten Lntzückens.
Bernhard Griesler wußte anfänglich nicht, wie ihm geschah.
Dieses Finale seiner geschästlichen Unterredung mit der bsaus-
eigentümerin hatte er wirklich nicht erwartet; aber noch ehe er
eigentlich zur Besinnung gekommen war, sühlte er ihre warmen
Lixpen und ihre weiche Hand, die ihn streichelte, und das that
ihm so wohl und war so süß, daß er es vorzog, noch ein weilchen
in seinem Zustand zu verharren und sie nicht etwa hartherzig
von sich zu stoßen. Und sie fuhr fort, zu lachen und zu weinen
und ihm tausend Gelübde zuzuflüstern, wie sie ihn lieb haben
und verhätscheln wolle.
Das alles war zwar sehr gegen das jdrogramm, aber
trotzdem gefiel's ihm, und schließlich, so fuhr es ihm durch den
Koxf, ist eine Liebe der andern wert, und er schlang seinen
Arm um ihre „zärtliche" Gestalt und küßte sie . . . einmal....
zweimal . . . und, da der Apxetit b^kanntlich bei dem Lssen
kommt, noch viel öfter. Gezählt haben wir's nicht.
Und dann nahmen sie auf dem Sofa Platz, saßen bjand in
bsand nebeneinander, lachten, schwatzten, kosten und waren
vergnügt wie die kleinen Ainder. kserr Bernhard war schließlich
der vergnügteste. Lr machte durchaus nicht den Lindruck eines
Menschen, bei dem alles ganz anders gekommen war, als er
beabsichtigt hatte.
Lr hatte die unerwartete wendung auch wirklich nicht zu
bereuen, weder jetzt noch sxäter. Frau Thilde Bauer, die bald
darauf das gesetzliche Recht erhielt, sich Frau Thilde Griesler
zu nennen — (von dem sie herzlich gern Gebrauch machte) —
weiß heute noch nicht, daß es sich damals um ein ganz anderes
Nkathildchen gehandelt hatte. Dieses andere Mathildchen war
auch bald in den neuen bsausstand ausgenommen worden und
Lserr Bernhard Griesler fand, daß es so viel schicklicher sei, als
wenn sie in die NArtschaft eines Iunggesellen gekommen wäre,
sei es auch eines Iunggesellen aus Prinzip. Ueberhauxt . . .
das prinzixl !serr Griesler wußte, was man davon zu halten
hatte.
Dptinüst und Bessimik.
Ftz>eht nur," so ruft ein Gptimist,
vor Freude hochentzückt,
„Wie doch das schöne Blümchen dort
Die alte Mauer schmücktl"
„Ach, seht doch," ruft der Pessimist,
Unangenehm berührt,
„lvie 's Blümchen durch die Mauer dort
All seinen Reiz verliert!"
W.
Die gebildete Zofe.
— „Ist der bserr Doktor zu bjause?"
— „Nein, er befindet sich gerade auf dem Parnaßl"
verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Desterreich-Ungarn sür kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Ulohr in Wien I.
Verlsg von I. F. Schreiber in Miinchen und Etzlingen.