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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 42.1900 (Nr. 497-509)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20909#0071
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Meggendorfers Hunioristische Bläiter.

63

Das LochMtsgeschenk.

^7"antc Rosalie ist der Schrecken der Familie durch ihre Geschenke.

Zu allen Familiensesten, Taufen, Trauungen, Geburtstagen
erscheint sie, die gern dort ist, wo man gut ißt und trinkt, und
überreicht irgend ein unnötiges unxraktisches Geschenk, bei dem
der „glückliche" Lmpfänger jedesmal das deprimierende Gefühl hat,
für etwas danken zu müfsen, was ihm so ganz ungelegen kommt.
Tante Rosalie versteht die Aunst, billig zu kaufen, glänzend; schade
nur, daß der Begriss „schlecht" sich bei ihr meist mit „billig"
deckt. — So war wieder einmal eine ksochzeit in der Lamilie,
zu der Tante Rosalie als Ehrengast geladen war. Der Bräu-
tigam war ein junger Ravallerie-Dffizier von altem Adel. Dies-
mal machte das obligate Geschenk der guten Tante ernstlich zu
schaffen; für den eleganten ksaushalt des jungen paares mußte
es doch etwas wirklich Nobles sein, und von ihr, der patin, er-
wartete man sicherlich ein größeres Silbergeschenk. Aber wozu
gibt es denn Trödler auf der Welt, oder gebildet ausgedrückt
„Aunst-und Antiquitätenhändler"? Zu einem solchen zog Tante
Rosalie eines Tages und fand auch bald, was sie gesucht: einen
antiken, kunstvoll gearbeiteten silbernen Tafelaufsag, bei dem nur
die Billigkeit sie in Lrstaunen setzte. Der ksändler wußte Tante
Rosalie jedoch mit vielem ksandereiben klar zu machen, daß nur
der lvunsch, die Dame gut zu bedienen und zum wiederkommen
zu veranlassen, ihn das wirklich wertvolle Stiick so billig weg-
geben lasse. Als man handelseinig geworden, sah Tante Rosalie
sich den Tafelaufsatz noch genauer an und bemerkte mit ihren
recht kurzsichtigen Augen eine am Rande eingravierte kvid-
mung. Sie konnte die Worte nicht erkennen, und auf ihre
Frage sagte der ksändler, dem die Sache sichtlich nicht angenehm
war, die Widmung hätte nichts zu bedeuten, er könnte das
leicht wegmachen lassen. Die Inschrift wiirde mit einer be-
siimmten Masse ausgefüllt, so daß sie ganz verschwände. was
das für eine Masse und ob die Füllung dauerhaft wäre, davon
sagte er nichts, und danach fragte sie nicht. Als die ksochzeit
herangekommen war, nahm das Lrstaunen der verwandten
über Tantchens Noblesse kein Lnde, und wenn einige
bösartige Seelen meinten, einen Lsaken werde die Sache
schon haben, nun, so mußte man ihnen diesen Argwohn ver-
zeihen angesichts ihrer trüben Lrfahrungen in diesem Punkte.

Ls sollte aber einst schrecklich tagen; zwar nicht die Sonne,
wohl aber das Putzpulver brachte es an den Lag.

Das junge Ehepaar, jetzt einige Monate verheiratet, wollte
seine erfte größere Gesellschaft geben, zu der sogar Se. Lxcellenz,
der kommandierende General sein Aommen zugesagt hatte. Eine
Stunde vor Beginn des Soupers warf die junge ksausfrau noch
einen prüfenden, ängstlichen Blick auf die kostbar und geschmack-
voll hergerichtete Tafel, in deren Mitte als prunkftiick zwischen
dem wappengeschmückten Service Tante Rosaliens Tafelaufsatz
prangte. In der strahlenden Beleuchtung erschien derselbe der
jungen Frau nicht blank genug geputzt, und so erteilte sie dem
Burschen den Befehl, den Tafelaufsatz schnell noch einmal iüchtig
zu fegen und dann wieder an seinen Platz zu stellen, während
sie die letzte ksand an ihre Toilette legte. Im letzten Augen-
blick, ehe die Gäste erscheinen sollten, kam der ksausherr, um
die Tischkarten aufzulegen, da er bis jetzt an seinem Schreibtisch
über der bereits siebzehnmal geänderten Tischordnung gesessen
hatte. Das erste, was ihm ins Auge fiel, war der jetzt glän-
zend geputzte Tafelaufsatz, an dem, durch das scharfe putzen her-
vorgerufen, sich mit erschreckender Deutlichkeit die für diesen Lsaus-
halt so sehr passende Widmung abhob: „Ihrem hochverehrten
Vorstande zum fünfundzwanzigjährigen Amtsjubiläum, Bäcker-
innung in St." M. v. B.

6^)es Gönias golden Prunkgemach

Ltrht deinem Märchenreichtum nach,
Mr sind des Weltalls Räume
Zu fternenarm und noch zu klein,

Und doch Ichliesit dich ein Settchen ein,

— Vu Wrlt drr Äinderträume.

E. Flco-
 
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