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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 42.1900 (Nr. 497-509)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20909#0102
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Neggendorfers Humoristische Blätter.

9^

Die A'araöehose.

Humoreske von C. Foß.

adelloses" wetter lag über der großherzoglichen Residenz
ausgegossen; zwischen den bunten Gruppen xlaudernder
Sxaziergänger, welche die lachende Sonne auf die Trot-
toirs gelockt hatte, sah man geschäftige Musketiere im Drillich-
anzuge vorübereilen, flüchtig und wichtig, das Gesicht in dienstliche
Falten gelegt, galt es doch die kurze Zeit noch auszunützen,
um die zweite Garnitur für die morgen vor Seiner Majestät statt-
findende jdarade instand zu setzen. — Morgen mußte alles
klaxpen, das war klar — morgen stand die Lhre des ganzen
Aorps aus dem Spiele, wenn Seine Majestät beim Vorbeimarsche
nicht sreundlich nickte, wenn der Lindruck nicht — wie der
sxeziell militärische terminns tecünicns lautet — ein „tadel-
loser" war.

Auch Leutnant Bummel, der in dem eine kleine Stunde
von der Residenz entfernten Dorfe Grünhausen in engem
Tuartier lag, stand bereits unter dem Lindruck des rnorgigen
Tages. In langer Reihe lagen
vor ihm ausgebreitet die blanken
Paradesachen, von den blendend
weißen kjandschuhen bis zum dunkel-
blauen lVaffenrock. Nur die weiß-
leinene kjose sehlte noch. —

„rj-ldl"

Im nächsten Augenblicke flog
die Zimmerthüre auf und in stram-
mer kjaltung stand der Bursche im
Zimmer. „kjerr Leutnant befehlen?"

„wo ist die Paradehose?"

Ueber das Gesicht des Bur-
schen ging es wie wetterleuchten;
endlich kam gexreßt heraus: „kjerr
Leutnant, die kjose ist nicht da."

„Ia zum Schockschwerenot, wo
ist sie denn?"

Nach peinlichen drei Minuten
war festgestellt, daß die Unaussxrech-
lichen in einem kleinen Neste, bei
welchem das Regiment einige Tage
manöveriert hatte, liegen geblieben
waren. Der Bursche hatte sie in
der Dunkelheit und Lile beim An-
treten morgens einzuxacken ver-
gessen. „Sie kann aber heute Abend
noch eintreffen," schloß er seinen
Bericht; „ich habe bereits darum
geschrieben, und unser Vuartier-
wirt, der Bäckermeister, hat geantwortet, daß er sie ganz ge-
wiß zur parade schicken werde." — Leutnant Bummel schnürte
es die Aehle zu. „So ein Aameli" dachte er; aber er dachte
es nur, reden konnte er nicht, und was hätte es auch geholsen,
wenn er seinen Zorn über den ratlosen Burschen ausgeschüttet
hätte.

Die bjose war also nicht da, so viel war sicher, und sür
morgen mußte eine andere beschafft werden, das war klar; aber
wie? „Sie kann aber heute Abend noch kommen," meinte kjeld.
„Gewißl sie kann aber auch nicht kommenl" und dies war nn
Manöver, wo alle paar Tage die gZuartiere gewechselt wurden,
das wahrscheinliche. Iedenfalls durfte ein kgl. preußischer

Soldat auf einen solchen Zufall sich nicht verlassen.-khm.I

— Tiefe Stille war im Zimmer eingetreten, Bummel kalkulierte
und auch der Bursche legte sein Gesicht in intelligentere Falten.
Lndlich war der plan gesaßt: „Lseldl Sie erkundigen sich heute

Abend noch einmal auf der hiesigen Station, ob die bjose in-
zwischen nicht eingetroffen ist, andernfalls lassen Sie sich von
dem Aammerunteroffizier eine gute Mannschaftshose für inich
geben."

„Zu Befehl.« -

Line Stunde sxäter stand Bummel im ersten Militäreffekten-
geschäfte der Residenz. — „Sie sind also nicht in der Lage, mir
über Nacht eine kjose anfertigen zu lassen?" — „Zu unserem
größten Leidwesen, nein." — „Und auf Lager haben Sie auch
keine?" — „Alles, was wir haben, ist vorausbestellt; sollte aber
ein j)aar nicht abgeholt werden, so steht es dem kjerrn Leut-
nant natürlich zur verfügung. Unter welcher Adresse darf ich
in diesem Falle die restierende bjose zusenden?"

Die Adresse wurde angegeben; mit einem Seufzer trat
Bummel auf die Straße; dies war ein recht schlechter Trost;
darauf konnte sich kein Ulensch verlassen; es mußte noch ein

versuch gemacht werden. Und da
kam in erster Linie der Regiments-
schneider der Leibgrenadiere in
Betracht.

Der mußte doch auf alle Fälle
eine solche verdammte Porzellan-
buxe beschaffen können. Mozu war
er denn Regimentsschneider? —
Aber auch hier stieß Bummel auf
denselben widerstand. Auf Lager
war nichts Unbestelltes, und die
Zahl der Aufträge war eine so
große, daß die Arbeiter nur wenige
knaxpe Stunden noch zur Ruhe
kamen, an die Ausführung eines
neuen Auftrages war nicht zu den-
ken. Sollte aber von den bestellten
bjosen eine liegen bleiben, so würde
sie ganz bestimmt morgen früh
noch zeitig nach Grünhausen ge-
bracht werden. — „Na, adieu
denn!"

Lin Gefiihl prickelnder Un-
ruhe überkam Bummel allmählich;
wenn nun morgen keine kjose da
sein sollte. Ls wäre schrecklich.
Mas würde sein Aomxagniechef
dazu sagen? Bisher war er ja
jcderzeit gerne bereit, ihm das
Zeugnis eines zuverlässigen und
xflichteifrigen Gffiziers auszustellen, aber jetzt, wenn er morgen
an der Kaiserparade sich krank melden mußtel

Na! auf alle Fälle hatte er ja noch eine Ukannschaftshose.
Schlecht genug allerdings wird sie sein und weit wie ein Mehl-
sack und ohne Stege. Aber da ließ sich ja noch helfen; diente
doch in der Aompagnie ein rothaariger Schneider, Munkel ge-
nannt. Der mußte heute Abend noch aufgesucht werden.

Unter solchen Reflexionen schlenderte Bummel dem bjalte-
xlatz der Lokalbahn zu, die nach Grünhausen führt. Als die
Ukaschine stampfend und schnaubend sich in Bewegung setzte,
hatte er einem Aameraden, der ins gleiche Louxe gestiegen
war, bereits seine kjosenaffaire erzählt.

„Da kann Ihnen vielleicht geholfen werden, Ljerr Rame-
rad," meinte dieser. „Dberleutnant Röhler in ineiner Aom-
xagnie ist Guartiermacher für unser Bataillon und macht als
solcher die jdarade wahrscheinlich nicht mit; ich will sehen, daß
 
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