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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 42.1900 (Nr. 497-509)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20909#0144
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s36

Neggendorfers ^umoristische Blätter.

Zur (Lrinnermrg.

Präsident: „Angeklagter, Sie haben Ihr Urteil vernommen. — Ls ist streng, aber gerecht. ksaben Sie noch etwas zu bemerken?"
Angeklagter: „kserr Richter, möchten S' mir nit a klein's Notizerl in mei' Stras' 'neimachen, daß i d'erste Nerhandlung
wär' im neuchen Iustizpalläh?"

A'uwp mit Linöernissen.

udolf kommt mit seinem Freunde Iakob von einem Aus-
fluge zurück. Bei der ersten ksaltestelle der Straßenbahn
angelangt, sagt er:

„Durch die Stadt könnten wir aber jetzt sahren l"

„Was fällt dir ein?" erwidert Iakob. „Die Bahn macht
einen Umweg, wir sind ja zu Fuße schneller daheim!"

„Vho, schneller? N)as gilt die Wette? Ich fahre, du
gehst. lver sxäter ankommt, zahlt zwei Flaschen Sekt I An der
Briicke treffen wir uns."

„Linverstanden l" sagtIakob, und während Rudolf einen eben
abfahrenden wagen besteigt, beginnt er rasch auszuschreiten.

Die Luft ist drückend schwül, und bald läuft ihm der Schweiß
aus allen poren. Aber sesten Willens, recht zu behalten, be-
schleunigt er seine Schritte noch iinmer mehr.

Da sieht er, gerade ausschauend, die dicke, kugelrunde Ge-
stalt seines Freundes Günther, welcher ihn schon aus der Ferne
durch NAnken mit dem Stocke begrüßt.

„Na, der fehlt mir jetzt gerade!" flucht Iakob.

„Iakob, servus, o wie gut, daß ich dich treffe, denke dir.."

„Ich gehe einen wettgang . . . kann mich keine Sekunde
aushalten . . . laufe mit, wenn du NAchtiges hastl"

„Gewiß — Wichtigesl" schnauft Günther, an der Seite
Iakobs dahineilend und schon nach den ersten Schritten atemlos.

„Denke dir . . . kommt heute mein Bruder, er hat Ainds-
taufe gehabt . . . soll Gebühren und ksebamme . . bezahlen . . .
was weiß ich noch . . . ich bitte dich, ich kann nicht mehr . ."

„So laß das bis inorgen — komm zu mir ins Bureau —
ich kann jetzt nicht stehen bleibenl"

Günther aber bleibt, sich ausschnaufend, einige Sekunden
stehen und läuft dann wieder nach. Den ksut hält er in der
ksand und die Schweißiropfen perlen ihm über die Glatze und
die dicken wangen.

„^st zu dringlich, lieber Iakob . . . kann nicht bis morgen
warten . . . und sonst weiß ich auch niemand, der mir helfen
könnte . . . sie warten zu Lsause auf das Geld . . . habe mich
fortgeschlichen . . . es wo aufzutreiben . . . es ist der letzte . .
Zahlungstag . . . er hat es nicht mehr . . . kam alles so
unvermutet . . . (er bleibt wieder stehen, um nach einigen Augen-
blicken wieder nachzulaufen) und weißt du, ich habe es auch...
ich habe es auch nicht mehr . . . Nun wartet er zu ksause auf

mich-mich trifft der Schlag-habe ihm

versprochen, es ihm zu beschaffen .... nur hundert Mark . .
da kommst du mir glücklicherweise . . . in den N)urf . . ."

Die lehten Worte bringt er nur mehr stoßweise heraus.
Lr inuß schon etwas länger stehen bleiben. Dann nimmt er
alle seine Araft zusammen und rennt dem nunmehr im Sturm-
schritte dahineilenden Freunde mit seinen kurzen Beinen wie
ein Dackel nach.

„Du wirst begreisen . . . kann meinen Bruder nicht auf-
sitzen . . . lassen . . . es ist ihm . . . und mir peinlich . . . sei
nicht böse . . . und so wirst du . . . mir . . . wohl den . . .
Gefallen thun . . ."
 
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