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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0018
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Neggendorsers Humoristische Blätter.

Am'kehrt is' aa g'sahr'n.

brennt, da löscht ma'.

Dös is' g'wiß;

Der L)iasl moant, daß 's um'kehrt is':

Er sagt — i glaub's, daß er net liiagt —

Lr hat an Brand vom Löschen kriagt.

O. Jegerl.

--

Aris Uessys Tagebuch.

Humoreske von I. Merkl.

ll- Juni. Abends.

eute wunderbarer Tag gewesen. Furchtbares Gewitter,
das sich noch iininer nicht völlig ausgetobt. wolken
wie die Nacht. Zuckende Blitze, grollende Oonner
^chlag auf Schlag. Iedesmal wenn es blitzt, schreie ich hellauf.
Oenn ich liebe das Gewitter und fiirchte mich zugleich entsetzlich
davor. Lin unbeschreiblich erhabenes Gefiihl. Mcuna lacht
mich aus. Ich finde, daß sie schrecklich poesielos ist. Sie fiirch-
tet sich vor gar nichts, nicht einmal vor Papa, der doch äußerst
energisch ist. Grst neulich hat er wieder einem Taglöhner ins
Gesicht getrotzt und ihn sogar unverschämt genannt. Da ge-
rade Papas Ltat daran war, standen wir eine namenlose Angst
aus, ob nicht irgend einer der Abgeordneten die Sache zur
Sprache brächte. wir haben uns aber gliicklich herausgewickelt
und der blaue Brief ist wieder an uns voriibergegangen. Ich
bin darüber sehr froh, denn meines Lrachtens gehören die
höheren Töchter a. D. nicht zu den vollgiltigen gesellschaftlichen
Lrscheinungen, obwohl sie ja sonst recht tiichtig sein können.

Nebenbei — ich muß morgen Papa sragen, wie es kommt,
daß der höhere Beamte der Untergebene des hohen ist? Line
merkwiirdige Logik des Komxarativs! Der höhere, der hohe,
der höchste! Und so etwas erfinden die Generalpächter der
wissenschaftlichen Denkungsart. U)enn das eine Frau geleistet
hättel Oh diese INänner!

Ls donnert noch immer. Ich lese Sudermanns Heimat;
mein Bruder hat es mir geliehen, da er es auch lächerlich
findet, daß ich das Stiick im Theater nicht sehen darf. Rost-
bares Milieu. Als wir noch in der Provinz vegetierten, habe
ich diese Aleinlichkeit, diese Beschränktheit am eigenen Leibe
erfahren. O wie ich mich nach Freiheit sehne!

(Datum sehlt.)

Gestern Gartenfest. Aus vorsicht ging ich ganz in Gumim
hin. Das reinste Gummiweib. Gummi ist eine herrliche Lr-
findung, die alle Unebenheiten des Lebens ausgleicht. Ls
regnet nämlich erfahrungsgemäß jedesmal bei diesem Feste,
und j)apa sagt, daß die Bauern, wenn kein Bittgang etwas
nützen will, die Vorstandschaft des vereins um ein Gartenfest
anbetteln. Das einzige in Gummi, was mir fehlt, wäre ein
mit Gummi beräderter Ulagen. Den wünschte ich mir noch um
meiner lieben Freundinnen willen.

Habe einen Herrn Rimming kennen gelernt. Netter Mensch.
Schnurrbart L „Ls ist erreicht!" blonde k)aare, in der Mitte
gescheitelt, tadelloses Backenbärtchen, nicht zu groß von Gestalt
und schöne, sanftmütige Augen, so wie ich sie gerne habe. Lin
wenig melancholisch träumerisch — so stelle ich mir den Blick
eines sterbenden Edelhirsches vor. Lr ist mir sehr s'smpathisch,
denn er versteht mich. Teilt alle meine Ansichten und hat sehr
vernünftige über sein eigenes Geschlecht, von dem auch er be-

Aus Nellys Tagebuch.

klagt, daß es von Tag zu Tag egoistischer und weniger ritter-
lich wird. Er besitzt vorzügliche Manieren und erstaunlich viel
Geist. Auch könnte er Reserveoffizier werden; er mag aber
nicht, da er nicht für das Militärische schwärmt, so wenig wie
ich. Lr muß einmal Unglück mit einem Duell gehabt haben,
hat sich darüber mit seinen Lorpsbrüdern zerschlagen, er wird
mir diese Geschichte sxäter einmal erzählen. Lr ist zwar gegen-
wärtig noch nicht angestellt, hat aber den Ronkurs schon günstig
hinter sich. Noch dazu mit einem Bruch, wie er sagte. Ich
aber fühle mich gänzlich frei von allen Lmpfindungen.

t. Iuli. Morgens zwei.

Lben vom Thee dansant zurück. Ich habe zum ersten-
male das Blaue angehabt mit dem diskreten Ausschnitt. Möchte
gerne wissen, ob Geheimrats Iulie sich schwer darüber geärgert
hat. Sie ist indessen so grundfalsch, daß sie sich durchaus nicht
verraten will. Rimming war auch da. Smoking, weiße Weste,
Lack, sehr putzig. wer es ihm wohl hinterbracht hat, daß ich
dort sein würde? Haben viel mitsammen geschwärmt von allen
möglichen und unmöglichen Lrfahrungen. von Liebe natürlich
kein wort. Ls ist wirklich zu drollig, wie unerfahren und un-
schuldig er in Bezug auf alles weibliche ist, besonders was die
Toilettengeheimnisse betrifft. So sxrach er von Plüschspitzen,
die ihm so sehr gut gefielen! wie einen so etwas anmutet!

Mein vetter, den ich heiraten soll, war auch anwesend.
Das reine Gegenteil. Lrinnert mich an die Inserate: pfiege
dein Haar! Das erste Tliche zeichnet einen Mann, der sich bis
auf die letzte Haarwurzel amüsiert hat, polierter vollmond . . .
ein entsetzlicher Mensch. Mein Bruder, der ihn auch nicht
leiden kann, sagt, er sei ein alkoholisches Säugetier, lebe auf
seinem großen Landgut nicht ungern in kleinen Gesellschaflen,
nähre sich hauxtsächlich von Krebsen, Rehwild und Forellen,
die er bis zu zwei pfunden verzehrt, ohne jemand einzuladen.
Lr soll gänzlich ungenießbar sein und sich von einem wallfisch
nur dadurch unterscheiden, daß er schon hundertmal gestrandet
ist, ohne daß er je gefangen werden konnte. Ich bestätige
dieses Urteil vollauf, obwohl er gegen mich höchst liebenswürdig
ist und mir jedesmal eine Liebeserklärung macht. Jch könnte
ihn zweifellos haben, aber er ist ein Frechdachs, der über alles
sxottet und diese Sorte ist mir in der Seele verhaßt. Darum
schlug ich ihm auch den zweiten walzer ab und tanzte ihn mit
Rimming. Und zwar aus Mitleid, weil ich hörte wie ihn das
Gespräch mit Geheimerats Iulie anödete, die sich natürlich für
verpflichtet hält, jeden einigermaßen hübschen jungen Mann
mit dem groben Geschütz ihrer flirtenden Künste zu bombar-
dieren. Mama scheint darüber hochgradig verstimmt zu sein,
weil sie mir keinen Gutenachtkuß gab und einige Andeutungen
auf morgen fallen ließ. Leben wir in Posemuckel?

2. Iuli.

Ich will mir die Thränen wegschreiben. Line unbeschreib-
liche Scene mit Mama gehabt, die durchaus darauf bestand,
daß ich mich gestern heillos kompromittiert hätte, weil ich vier
Touren mit einem ^errn getanzt habe. Ich bin emxört! Sie
will mich auf drei Monate zum Onkel Franz verschicken, der
in Rleinsibirien Forstmeister ist. Ich gehe aber nicht. Lieber
nehme ich eine Stellung an als Gouvernante oder so etwas.
Da bin ich doch ein freies wesen und meine eigene Herrin
und brauche mich nicht vor einer heuchlerischen Gesellschafts-
ordnung zu beugen, die im innersten Aern völlig faul ist und
Sklaven züchten will. Jch soll durchaus den vetter heiraten,
weil er Gutsbesitzer ist und viel Geld hat. Aber ich habe mich
über den Menschen mit der polierten Gußstahlstirne ausge-
 
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