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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0020
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(2

Meggendorfers ^nmoristisebe Blätler.

Aus Nell^s Tagebuch.

die ^errschaftsgüter mit Tchloß und dreitausend Tagwerk Grund
keineswegs wie die Aieselsteine an der Straße. Lr hoffe und
erwarte von seiner Tochter, daß sie klug sei. Lr wenigstens
halte sie dasür. (j)apa ist und war immer ein heller Aopf). wenn
ich da mit dem jungen Mann einen kleinen Flirt angesponnen habe,
weiter werde es ja nichts bedeuten, so wünsche er, daß alles Auf-
sehen gründlich vermieden werde. Ich solle ruhig und in aller
Stille abwickeln — stoxpen sagte er eigentlich, aber ich muß dabei
immer an das verhaß-
teste Geschäft denken —
und den jungen Nann
deutlich und nachdrücklich
aber in sanftester Form
verabschieden. Das sollte
ich aufs lVort versxrechen.

Ich habe um nicht
schwören zu müssen, hef-
tig geweint, so daß ich
gut durchgekommen bin.

2. Iuli. Im Abend-
blatt folgende Antwort
Rimmings: „Fassungs-
los. Tief erschüttert.

Bitte mir unter allen
Umständen postlagernd
zu schreiben, was ich für
Sie thun kann. Lhiffre
dieselbe."

7. Iuli. Einen wun-
dervollen Brief Rim-
mings erhalten, worin
er mir erklärt für mich
leben und sterben zu
wollen. Ein Dokument
beigeschloffen, woraus er-
fichtlich ist, daß er von
seiner Mutter einhundert-
undfünfzigtausend Mark
Trbteil besttzt, das auf
der Bank liegt. Er will
mich also heiraten. Aber
ich kenne seinen Vater
nicht und er scheint mir
ein wenig schwach zu
sein. Db er mich wirk-
lich liebt, was man lieben
heißt? Jch werde vor-
läufig bei den Lltern keine
Silbe verlauten lassen.

Ich fühle, daß ich jhn

ungeheuer gerne habe. -

Er scheint stolz darauf zu sein, daß er mich von dem vetter
errettet. Aber, aber, aber . . . . Lr ist schließlich eben doch
nur ein Mann und ich traue noch nicht unbedingt.

t8. Iuli. bsurrahl Ietzt weiß ich es gewiß, daß er mich
wirklich treu und unerschütterlich liebt. Am fünften Iuli schrieb
ich ihm, daß ich ihn nur abends um sechs Uhr am Bahnhof
sehen könnte. Natürlich kam er. Lr will sofort mit jdapa
sprechen. Ich riet ihm vorläustg ab. Ich habe eine wahn-
sinnige Furcht vor rückgängigen Verlobungen. Da ist man
immer eine geschiedene Iungfrau. Lr quälte mich ohne Unter-

Hchtes Mttel.

Dichterling: „Zahlenl"

Aellner: „Bitte schöni Lin Diner t Mk. so, ein Bier 30 Pfg. macht
t Mk. 80 pfg.

Dichterling: „bsier ist ein Band meiner lyrischen Gedichte, Ladenxreis
Mk. 2.30, zwanzig pfennig können Sie als Trinkgeld behalten, bekomme

ich 50 Pfg. wieder."

laß immer wieder um einen Auß. Lächerlich, als ob ich etwas
dagegen hätte l Aber in einem pausgang — Pfuil wo sonst?
Ach, was sind die Männer sür unbehilfliche, drollige wesen.
Ihm wäre in einem Iahre nichts Gescheites eingefallen. Am
siebenten Iuli sage ich zu ihm, es stieg mir dabei freilich das
Blut in den Aoxf. Rarl, sei so gut und nimm zum Schnell-
zug ein perronbillet und ein Personenbillet.

Lr schaut mich höchstverwundert an. vielleicht dachte er an eine

Lntführung oder so was.
Aber er folgte mir ohne
lang zu fragen. wir
gehen zum Zug hinaus,
nnd steigen, da wir die
Lrstey sind, in ein leeres
Louxö ein. Und er schaut
und schaut und schaut
mit seinen lieben Lsirsch-
augen, und vergißt dar-
über öas Begreifen. Nun
sage ich lachend zu ihm
„Du fährst fort und ich
gehe heim." „Ia, warum
fahre ich denn fort?"
fragt er ein wsnig blöde.
Ich muß immer mehr
lachen. „Also leb' wohl
bleib' gesund und schreibe
mir bald, Rarl." Ich
stehe auf und reiche ihm
die bsand. Und er ver-
steht r.och immer nicht,
im Gegenteil, sein hüb-
sches Geficht nimmt einen
jämmerlichen Iug an.
Natürlich befinde ich mich
nun ebenfalls in Ver-
legenheit. Aber es ver-
streicht die Zeit und so
reißt mir denn die Ge-
duld. „Past Du mich
gar nicht ein wenig lieb,
daß Du mich so von Dir
gehen läßt," frag ichfihn
— schmollend. Ls war
ja doch kaum zum aus-
halten I

Nun Gottlob kehrt
ihm die Befinnung plötz-
lich zurück. Vder wie
man es will, 'er verliert
fie vollständig. Meinem
La^ckschadete es ja mchts, aber mein armer, neuer bsut und
meine.Frisur. Eine Schandel wie die aussahenl

. Lritdem nahmen wir jeden Tag vor dem waggon Abschied.
Lr fährt jeden Tag eine Stunde weit fort, übernachtet und
dampft um fünf Uhr morgens zurück. Also liebt er mich. Und
morgen sag' ich es Paxa. Mama weiß es schon. Ls hat keinen
Anstand. Selbst wenn ich mein Wort gegeben hätte, so habe
ich es nicht gebrochen, denn ich habe gehalten, was mir Paxa
auftrug. Ich habe ihn nachdrücklich, aber in der sanftesten
Form verabschiedet.

nicht

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreib'er. Druck von jjs. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Gesterreich-Ungarn für bserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.

Verlag don I. F. Schrriber in Münchrn und Etzlingrn.
 
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