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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0027
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Meggendorfers yumoristische Blätter.


Im Voudoir.

Ritter Dagobert
und das Telephon.

Line schauerliche Ballade von Allg. Reichcr.

sitzet auf hohein Balkone
^ Des Dagobert einziges Nind
Eulalia, ein Mädchen nicht ,ohne',
5ie sitzet so sittsam und sinnt.

Da finkt die crschrockcne Susi

Gar schnell aus die sxitzigen Anie':

„V Gnade, !serr Ritter und thun Sie

Nicht meucheln, gcwähr'n S'

Amncstie."

Und 's eilet zu seinem Utalheure

Zum Ritter der Rnapp' voll Bra-
vour:

„kserr Dagobert, glaubt mir, auf
Lhre:

Platonisch nur ist die Amourl"

Drauf Dagobert rufet: „Jetzt rasch
gehl

Uinaus du verdammter Lauseur,

Das kannst du erzähl'n der Frau
Blaschke,

Doch nimmer 'nem alten Flaneurl"

Nun rieselt ein schrccklicher Schauer
Herrn Udo gleich über die ksaut,

Und ausschreiet hinter der Ulauer
Lulalia, die horchende Braut.

Da lauschet, woher dieser Schrei kam,

Der Ritter mit osfenem Ubund,

Nerdutzt blickt er an seinen Lidam;

Doch dem wird die Sache zu bunt:

Lr kauft sich noch schnell einen G'spritzten
Und schütt' ihn hinunter voll Schmerz,
Dann zückt er den Dolch, den gespitzten
Und bohrt ihn ins zuckende kserz.

iserr (sebr jung, zu seiuer Tänzeri»): „Ulein ^räulein, ich will lieber nichts reden; es könnte
Lnde ein Ballgespräch daraus werdenl"

Hervor stürzt verzweifelt die Tochter:
„Utein Udo, er liebt mich so sehrl
Die Trennung ertragen nicht mocht' er
Und tot sinkt sie ventre ä terre.

„V wehl Die Geschichte is' z'wider,
Ich klingle der Rettungsstationl"

So sprechend eilt jammernd der Ritter
ksinein rasch zum Schloß-Tclephon.

Ritter Dagobert und das Telephon. -

So praktisch und noch nicht erfunden,

Die Zeit ist verbohrt und verkehrt,

Zu dämm'rig noch sind mir die Stundenl"
Und Dagobert stürzt sich ins Schwert.

Moral:

Du siehst wieder, freundlicher Leser,
lvie's geht, wenn der Zeit man vorausl
kserr Dagobert war so'n Lhineserl
Drum starb er in Grauen und Graus.

Wie Dagobert renntl — Da urxlötzlich
Grinst er diabolisch, voll bsohn:

„Zum Teufel, 's ist wirklich ergötzlich,
Ls gibt ja noch kein Telephonl

Willst glücklich du leben hienieden:
Lrsehne Lrfindungen niel
UUt dem, was vorhanden, zufrieden:
Das sei deinc Philosophiel

Doch Udo, der Anappe des Ritters,
Der störet Lulalicns Ruh':

Um Stelldichein immerfort bitt' er s',
Und Feuerblick' wirft er ihr zu.

UAe üblich zu Ritters Gezeiten
lserr Dagobert trinkt über'n Durst,
Da sieht er die Susi von weitem:
Jm Rausch denkt er: „Jetzt ist's
mir wurst."

§r brüllet gar zornig und wütig:
„Du trägst in dcr ksand einen Ulischl
V Susi, der lherrgott behüt dich,
Beförderst du Liebesgezischl"

Derhaßt war dem Rittcr das G'spusi:
Der Rnaxpe — er wußt' es — doch
ach —I

Geheim schickt er Post durch die Susi
Der Liebsten ins Frauengemach.
 
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