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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0042
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Meggendorfers L)umoristische Blätter.

Der Uechtsstreit.

tzumoreske von Jos.

angsam und mit bedächtigem Schritt schiebt der wastlbauer
sich über die Straße. Die L^ände hat er in seine Taschen
versenkt, mit dem Aopf wackelt er hin und her, so daß
die 6)uaste seiner Zipfelhaube auch lustig in der IVelt hin und her
baumelt. Manchmal bleibt er stehen, betrachtet aufmerksam ein
paar am Boden liegende Steine, um dann brummend seinen
Leichnam wieder in Bewegung zu setzen. Es ist aber auch zu
dumm, was ihm, dem wastlbauer, heute durch den Aopf geht.
Seit geraumer Zeit allerdings ist er dem Hinterhuber Nazi das
Geld für seine letzte Sau schuldig. Die Sau hat der wastl
vom Hinterhuber gekauft, und der Lstnterhuber hat zum wastl
g'sagt: „wastl, mit'n zahlen hat's koa Eill" — „Ist mir schon
recht," hat der andere drauf geantwortet. Die 2au ist ge-
schlachtet, ihre edelsten Bestandteile sind teils geräuchert, teils ver-
wurstet und was die Hauptsache ist, auch schon fein säuberlich
aufgegessen. wie der wastl die Sau nimmer g'sehen hat, hat
er halt auch aufs Zahlen vergessen, so daß der Hinterhuber ihn
doch einmal gefragt hat: „Du wastl, was is denn mit meiner
Sau?l" — „Aufg'essen is," sagt der drauf, dreht sich auf dem
linken Stiefelabsatz um und segelt davon. Und der Nazi
ist dag'standen und hat ihm nachg'schaut.

Nach einiger Zeit kommen die beiden wieder zusammen
und zwar im wirtshaus. Uiesmal war aber der Hinterhuber
g'scheiter. Er hat gewartet bis der wastl ein volles Glas vor
sich stehen hat, und erst dann hat er wieder angefragt. „wastl,
jetzt muaß i 's Geld für die Sau haben," schreit er. „Hast ja
eh g'sagt, es hat kei Eil, wart'st halt no ein paar Iahrl,"
sagt der wastl grob. Da wird der Nazi fuchsteufelswild,
schreit und schimpft und droht dem andern, „avikatisch" zu
werden. Der jedoch denkt sich, die Sau is weg, er hat keinen
Anhaltspunkt mehr, was will er^machen, läßt den andern ruhig
schreien und schimpfen, trinkt sein Bier aus und geht.1

Lange Zeit hörte er von der Sache nichts mehr, der Hinter-
huber hat auch nichts mehr laut werden lassen, und er meint,
alles sei in der schönsten Grdnung.

Da kommt der Krach, d. h. vorläufig in diesem Fall der Bote
mit einem großen Brief, an „Herrn Sebastian Unterreuter, ge-
nannt wastlbauer in Dingsda." Und der „Herr Sebastian
Unterreuter" hat seinen werten Namen als Empfangsbescheinig-

ung auf ein Fetz'l Papier schreiben müssen, das der Bote wieder
mitgenommen hat. Die „Frau Leni Unterreuter" mit kurzem

Herrmannsdorfer.

Nock, braun gebrannten, verwurzelten Armen und dito bräun-
lichen nackten Füßen, bewaffnet mit der Mistgabel, war auch
bei der Uebergabe des Briefes dabei. Zunächst hat der wastl
nichts gethan, als das Maul wie ein Stadelthor aufgesperrt
und mit heiliger Scheu und Ehrfurcht auf das „Schreibets"
hingeschaut, bis ihn seine energischere Ehehälfte aus seinen
Träumen gerissen hat. „No Depp, hast jetzt an Datterer?
Mach's Briafei auf was drinna steht, leicht, daß ma was g'irbt
ham, du woaßt as ja, vom Schorschl, der vor zwanzig Iahr
ins Amerika nei' is."

Der wastl ist aber noch nicht ganz bei einander. Halblaut
liest er vor sich hin: „Herrn Sebastian Unterreuterl Sakra,
Sakra, so nobel! Richtig, richtig ,Herrn Sebastian Unterreuter^."
— „So mach jetzt doch amal aufl" sagt seine neugierige Ehehälfte.
„S' Maul halt," schreit er, „geht's di vielleicht was an, siehg'st
net, daß an ,Herrn* vom Haus g'richt is?" Draußen geht
gerade der Sterzenbichler Lenz vorbei, der den wastl einmal
einen Notnickel, Hammel und was dergleichen bäuerische Lieb-
kosungen mehr sind, geheißen hat. Schnell schiebt der wastl
mit einem kräftigen Ruck seine Ehegesponsin vom Fenster weg,
reißt letzteres auf und schreit: „Lenz, geh amal rei, sei so
guat und lies mir amal dös vor," und winkt dabei mit dem
Brief. „woaßt," sagt er, nachdem letzterer hereingestampft ist,
„s' wei hat mir mei Augenbrill'n verlegt, und i siech halt gar
so schlecht." Ist aber eitel Schwindel vom wastl, er will dem
andern nur schwarz auf weiß zeigen, daß er der „Herr Se-
bastian Unterreuter" ist, also folgerichtig kein Notnickel oder
L^ammel sein kann. Der Lenz buchstabiert ihm nun die Auf-
schrift, die er, der wastl, selber bereits zwanzigmal gelesen hat,
herunter. Es thut ihm halt gar so wohl einmal „Herr" ge-
heißen zu werden. So hat ihn noch nicht einmal Hochwürden
Herr Pfarrer, der Bezirksamtmann etc. angesprochen, seiner
Erinnerung nach ist's nicht einmal dem Bürgermeister passiert.

„Mei," sagt der Lenz, „was wird's sei, a Schreibets vom
G'richt is halt." — „Recht hast, und an Erbschaft bedeut's, woaßt
vom Schorschl, vom Mo' von oaner Freundin von der Schwester
von mein wei'." —„A bißl weitschichti is halt d'verwandtschaft,"
moant der Lenz drauf. „Natürli, weil er bis ins Amerika nei
is," entgegnet der wastl. „Also wastl, balst was irbst, mi
freut's aufrichti, woaßt oan von meine Gchs'n, hast ja eh all-
weil auf den rotscheckigen g'spitzt, i gib dir'n nacha billi,
vastehst, oa Nachbar muaß den andern an d' Hand geh. Und
jetzt pfüat die Gott, hab mi scho' z' lang aufg'halten." Dabei
verschwindet der Lenz von der Bildsläche. Kaum ist der Lenz
in des wortes verwegenster Bedeutung verduftet, als die
Bäuerin von neuem darauf dringt, den Inhalt des geheimnis-
vollen Tchreibens kennen zu lernen. Dabei kommt sie aber
beim Wastl an den Unrechten. Der bastelt immer in der Tisch-
schublade herum, zieht endlich einen alten abgenützten Kalender
ehrwürdigen Alters „zum Besten des Missionshauses St. Michael
in Afghanistan" hervor, reißt bedächtig ein Blatt davon heraus
und wickelt seinen Brief sorgfältig ein und sperrt alles zu-
sammen in das „wandkastel." „Jetzt glaub i aber, daß d' völli
überg'schnappt bist, bist denn jetzt ganz dappert wor'n?" — so
seine Ehehälfte, die wastlbäuerin.

„wei, des verstehst net," entgegnet der wastl, „wenn wir
jetzt s' Briafei glei aufmacha, wiss' ma ganz genau, wie viel
d' Erbschaft ausmacht; so wiss' ma's net genau und vielleicht
is viel mehr als wia mir uns einsbilden, und hernach ist d'
Freud um so größer." So der wastl, der wie sein weib auch,
sich ganz in die Idee verrannt hat, eine Erbschaft angetreten
zu haben.
 
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