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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0067
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Neggendorfers humoristische Blätter.

59

Malhan der Weise.

pfandleiher (drei Studente» die Ringe zuriickgebend): .. Lure Ringe sind alle drci nicht echt."

Die Rübe.

mal der lserr Vberst derjenige
welcher, und hier war der Fall
nicht einmal zweifelhaft ge-
wesen, wie Witzbolde es nennen.

lvenn der Lserr Vberst
nur wenigstens seinen Fourier-
Dffizier hier gehabt hätte, um
von ihm sich eine Lrklärung
geben zu lassen, vor allen Dingen
aber, um mit dem Mann so grob
zu werden, wie er es verdiente.

Darüber, ob es ihm möglich
sein werde, seinen Leutnant nach
Gebühr anzusauchen, war der
Rommandeur sich noch nicht
ganz klar, aber er hoffte es —
wenigfiens nahm er sich fest
vor, den hohen Anforderungen,
die er in dieser Lsinsicht selbst
an sich stellte, gerecht zu werden.

Aber der Leutnant war
nicht da, er war bereits in die
Garnison zurückgefahren, um
dort alles für die Aufnahme der
Trupxen, die morgen zurück-
kehrten, vorzubereiten.

Doch der lvurm war da:
irgendwo im Gelände mußte er
mit den Leuten seines Zuges herumkriechen, denn da es heute
Mittag für sämtliche Truxpenteile nur das mit Recht so be-
liebto Biwak gab, hatten die übrigen Fourier-Dsfiziere nichts
mehr zu thun und mußten bei ihren Aompagnien eintreten.

Der Regimentsadjutant wurde abgeschickt, um den armen
Leutnant zu holen, aber er kehrte unverrichtetcr Sache zurück. —
wurm hatte inzwischen einen Sxezialauftrag erhalten und irrte
mit seinen Leuten, um den Befehl auszuführen, irgendwo in
der welt herum — über das „wo" hatte niemand den Ad-
jutanten aufklären können, und dicser fühlte sich nicht ver-
xflichtet, stundenlang herumzurciten, um den Gesuchten zu finden,
sein pferd mußte so wie so genug laufen.

Die Folge war, daß der Adjutant einen Teil jener Grob-
heiten, die für wurm bestimmt waren, zu hören bekam, aber
trotz alledcm blicb für den wirklich Schuldigen noch genug übrig.

Ie mehr der Dberst sich ärgerte, destomehr freute sich der
Alajor — es macht den meisten militärischen Untergebenen
Sxaß, wcnn sie schen, daß ihre Vorgesetztcn, über die sie sich
selbst so oft ärgcrn, sich auch einmal über sie ärgern, ohne daß
sie den hohen lherrn irgendwelche direkte veranlassung gegeben
haben, mit ihnen grob zu werden.

Dies nennt man beim Ulilitär den indirekten Aerger, der
nach Ansicht der ruchlosen Untergebenen dcn vorgesetztcn sehr
bekömmlich ist.

wer im Manövergelände cinen so großen Truppenteil, wie
eme Brigade es ist, zur vollsten Zufriedenheit seiner vorge-
setzten führen und keine <sehler machen will, mu)z einen klaren
rloxf haben und imstande sein, seine ganzen geistigen Fähig-
keiten auf die Lösung der ihm gestellten Aufgabe zu konzen-
trieren. D-ssen aber war der bserr Vberst heute nicht fähig,
vor lauter Aerger konnte er nicht ruhig denken, nicht sachlich
disponieren und das Lnde vom Liede war, daß er bei der
Aritik seitens Sr. Lxcellenz des kommandiercnden kserrn Generals
noch weniger als gar kein Lob erntcte.

Und dies ist nach der Ansicht aller Sachverständigen nicht viel.

wenig später rückte das Regiment nach dem für ihn be-
stimmten Biwaksxlatz, und kaum waren die Truxpen dort an-

gekommen, als Leutnant wurm zum Lserrn Vberst befohlen
wurde.

Der Aommandeur überragte seinen Untergebenen wenig-
stens um einen halben Meter und von der gewaltigen bsöhe
herab sah er seinen Unterthanen mit Augen an, die da zu
sagen schicnen: „Lebst Du elender wurm übcrhauxt noch? wagst
Du es noch zu atmen?"

Za, noch lebte, noch atmete er, aber nur noch schwach; der
Adjutant hatte ihn darüber aufgeklärt, worum es sich handelte,
und die Mienen des vorgesetzten klärten ihn darüber auf, daß
er dieses Mal nicht so ganz billig davon kommen würde.

Dcr herr Gberst holte noch Linmal tief Atem, dann fragte
er: „welchem Umstande Sie die Auszeichnung verdanken, daß
ich mit Ihnen spreche, wissen Sie?"

„Mir wäre lieber, diese Auszeichnung würde einem andern
zu teil,^ dachte Wurm, laut aber sagte er: „Zu Befehl."

„Um so besser," fuhr dcr Aommandeur fort, „dann kann
ich mich kurz fassen. Ls sind mir im Laufe des Manövers
verschiedentlich Alagen darübcr zu Ghren gekommen, daß Sie
Ihrem herrn Major in jedem Vrt stets das beste Vuartier zu
verschasien wußten, daß einmal sogar ein General eine weit
schlechtere Unterkunft fand, als Ihr herr Bataillonskommandeur.
Ich habe nichts dazu gesagt, im Gegenteil, ich habe mich darüber
gefreut, denn es bewies mir, daß Sie Ihren jdosten ausfüllten,
daß Sie die Interessen Ihres bserrn zu vertreten verstanden,
ich habe Ihr Talent und Ihre Geschicklichkeit bewundert; aber
diese Bewunderung hört mit dem Augenblick auf, da ich selbst
unter ihr zu leiden habe. Das, Herr Leutnant, wollte ich Ihnen
sagen."

„Wenn das schon der Schluß der ganzen Rede ist," dachte
Wurm, „hättest Du Dir auch den Anfang und die Mitte sparen
können, bis jetzt hat die cliose auf mich noch nicht den leisesten
Lindruck gemacht."

Aber es war noch nicht der Schluß; nun fing es erst an,
und der Rommandeur machte seinen Leutnant so schlecht, daß

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