Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0080
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
72

Meggendorfers Hunroristische Blätter.

Lin ehelicher Zweikampf.

nicht unterkriegen lassen wollte. Nachdem die predigt, von der
sie kein N)ort verstanden hatte, voriiber war, zuckte sie plötzlich
jäh zusammen. L^atte sie da nicht ihren Namen vernommen?
Klar und deutlich tönten die lvorte des pastors bis hinter die
schützende Säule. Lr teilte seiner christlichen Gemeinde mit,
daß die Bäuerin Brigitle Plinz von eincm schweren Ungluck
heimgesucht sei: sie habe plötzlich die Sprache verloren. Darauf
that er Fnrbitte für die Schwergeprüfte, deren baldige L^eilung
und Genesung er erflehte. — Die Bäuerin lauschte mit weit
aufgerissenem Ulunde. Gs währte aber nicht lange, und sie
erriet mit spiritistischem Ahnungs-
vermögen die ganze Geschichte. —

Die Schlußstrophe des gemeinsamen
Gesanges war kaum verhallt, als
Brigitte glühend vor Emxörung
die Kirche verließ. Sie rannte,
was sie konnte, um aus dem Ge-
sichtskreise der Rirchgänger zu
kommen, denn die Nachbarn, die
ihr Mundwerk kannten, waren
so grausam gewesen, nicht nur eine
verwunderte Miene, sondern auch
ein schadenfrohes Lächeln zu
zeigen.

Unterdessen saß der Bauer
daheim bei seinen Büchern und
rechnete. Ls wollte nicht so recht
gehen. Lin triumphierendes Lächeln
umspielte seine Lippen, als er be-
dächtig die Feder wieder auswischte
und beiseite legte. Gr mußte fort-
während an seine Geftrenge denken,
deren baldige Rückkehr er mit heim-
licher Freude erwartete und oft
schweifte sein Blick hinaus auf den sonnigen Feldweg. U)enn
die Dickköpfige nun nicht redete, dann half nichts mehr auf der
N)elt. Der seelengute Herr pfarrer hatte ihm aufs Wort ge-
glaubt und die Fürbitte gethan, das wußte er ganz bestimmt;
na — er würde ihm wohl auch verzeihen, wenn er erfuhr,
welchen Liebesdienst er unfreiwillig einem Unglücklichen geleistet
hatte. — plinz stand auf. Da sah er auch schon, wie sie heran-
gekeucht kam, den Ropf puterrot, das Gesangbuch krampfhast

in der L)and. plinz räusperte sich und knöpste unwillkürlich den
obersten Iackenknopf zu.

Nur wenige Augenblicke — und die Thür wurde wütend
aufgerissen. Lin Griff unter die Mfenbank, und — padautzl
kling! kling! klirrrr! sauste der massive L)olzpantoffel an das
Fensterkreuz, daß die Scheiben zersplitterten. Der Bauer kannte
Brigittens explosive Ausfälle und war geschickt retiriert.

„Du Tagedieb, Du Nichtsnuh infamer, mich so zu hinter-
gehen! Mich so vor allen Leuten zu blamieren! Aufs Aor-
rektionshaus gehärst Du! — Die Schande — nein, die Schande!

Aber Dir will ich zusetzen, — Du
sollst noch die Staren pfeifen hören!
Wachsweich, lammsromm, zuckersüß
sollst Du werden, Du polacke, Du
Tropf vermaledeiter! . . . Nein,
daß ich das erleben muß! Unsern
alten, guten pastor so zu betrügen
— mich ehrsame Frau so zu schim-
pfieren, daß mich alles ansieht wie'n
Invaliden von achtzehnhundertdrei-
zehn l — Romm' Du mir nur in
den N)eg, Dich will ich kujonieren,
daß die Ziegen meckern, Du In-
triktant, miserabler!"

Nun folgte noch eine Aanonade
von Lhrentiteln, wie sie der bär-
beißigste Unteroffizier dem dümnu
sten Rekruten gegenüber nicht
schlimmer gebrauchen kann.

Der Bauer hatte behaglich
Platz genommen. ^eine Augen
leuchteten. Tr fürchtete sich
nicht vor dem andern Holzpan-
toffel, der noch friedlich seiner Be-
stimmung harrte, er fürchtete nicht die Fäuste der überlisteten,
wutentflammten Ghehälfte — er lauschte nur — lauschte ent-
zückt . . . er konnte sich nicht satt hören. Und als Brigitte
immer wütender und vom vielen Schreien fast heiser wurde,
da strahlte er vor Freude, und mit seliger Genugthuung rief
er aus tiefstem Herzen:

„Gott sei Dank, meine gute Brigitte, Gott und allen

L^eiligen sei Dank, daß Du endlich — endlich wieder red'stl"

—d' Grdankrnsxlitlrr.

-(I-v

In der N)üste der Geistlosigkeit gedeiht
der Salonlöwe am besten.

I. P.

Ueber die Fehler einer schönen Frau
sind nur Blinde gerechte Richter.

F. G.

Die meisten Geldheiraten sind nichts
anderes als erste Hypotheken auf das
Lebensglück. Sacco.

Ls ist leichter für eine Frau bessere
L^älfte zu sein, als gute. E.

Das Los der meisten Menschen ist eine

Niete.^ ..

- -

Soll's wohnlich sein

Am eig'nen Herd,

Braucht's auch den Stall

Fürs Steckenpferd.

Sch.-P.

N)en die Leute nicht zu beurteilen ver-
stehen, den verurteilen sie gewöhnlich.

Der Aluge ist auf eine N)oche Leids
gefaßt, wenn er eine Stunde Glücks ge-
nossen hat. I. Sp.

Liebe ist eine Notwendigkeit der Natur,
Freundschaft ein Luxus der Seelen.

M. H.

-t- *

*

Nicht die Tinrichtung — die Gast-

lichkeit macht ein Haus schön.

.. Lg.

Aus schwankenden Begriffen
entwickeln sich am leichtesten — fire
Ideen.

Die wahre Gesinnung manches
Uienschen erfährst Du erst, wenn er von
Dir unabhängig wird. W

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Cßlingen bei Stuttgart.
Jn Oesterreich-Ungarn für L^erausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in N)ien I.

Verlag von I. F. Schreiver in München und Etzlingen.
 
Annotationen