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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0092
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Meggendorfers ^urnoristische Blättet.

Der Fremdenfübrer.

Uebrigens war es ganz schlau von mir, denn der lebende Fnhrer hat uns
vielleicht besser bedient als ein gedruckter."

Ich widmete mich den L^errschaften noch den ganzen Tag und verstand
es, mit der Geschicklichkeit, die man sich als älterer Student allmählich an-
geeignet hat, mich immer wieder an die Seite der jungen Dame zu
schlängeln, die nicht nur hübsch, sondern auch klug und liebenswurdig
war und von deren Lixpen der schwäbische Dialekt ganz reizend klang. Als
sie abfuhr, fühlte ich, daß sie mindestens die Hälfte meines Herzens mit
sich nahm.

Das war der Anfang unserer Bekanntschaft. Nach acht Tagen bekam
ich ein paket, das einen wunderhübschen Bierkrug enthielt. Auf dem Deckel
stand das geistvolle Verschen:

wenn einer einen Führer hat,

So kann er nicht verderben,

Am wenigsten wenn Bier er hat,

Zu füllen diesen Scherben. —

In dem beiliegenden Briefe erklärten Mutter und Tochter feierlich,
daß sie an dieser furchtbaren Dichtung unschuldig seien, während Papa sich
mit bescheidenem Ttolze als Verfasser bekannte und sich besonders auf den
Reim „Führer hat — Bier er hat" viel zu gute that.

- Hieran schloß sich ein regelmäßiger, reizender Briefwechsel mit der
Tochter, der hübschen Marie, und als ich nach meinem Txamen eine „Tr-
holungsreise" nach dem Schwarzwalde unternahm, wobei ich jedoch in
Stuttgart definitiv hängen blieb, da waren eigentlich die präliminarien
schon erledigt und wir haiten nur noch die Schlußscene: Umarmung —
Ruß — Segen, aufzuführen. Sie ging glatt pon statten und so bin ich
denn glücklicher Bräutigam. Ach und wie glücklichl Ich sage Dir, sie ist —"

T-r suchte nach U)orten, verdrehte die Augen nach der Iimmerdecke
zu und machte mit der L^and eine pathetische Bewegung nach der Magen-
gegend, wo er jedenfalls sein Herz vermutete. Da aber die Geste auch
auf Magenschmerz gedeutet werden konnte, stellte ich die Tognacstasche vor
ihn hin: „Noch ein Gläschen gefällig?" Bofort schwand seine gehobene
Stimmung, was mir sehr lieb war; denn einem Iunggesellen, der sich etwas
vereinsamt fühlt, ist nichts fataler, als wenn ihm ein andrer von seiner
Braut vorschwärmt.^

Beleidigt trank mein Freund den Lognac und sagte: „Ich gebe Dir
den Rat, nimm Dir ein Beispiel an mir, dann wirst Du auch glücklich
werden."

„Ich will es versuchen," erwiderte ich wehmütig, „von morgen ab
werde ich mich täglich zwei Stunden lang auf einem der Bahnhöfe auf-
halten. vielleicht findet sich auch für mich ein hübsches Mädel, das mich
als Führer durch Leipzig und im Anschluß daran als Führer durchs Leben
engagiert." —

Äus dem Vrief einer höheren

„Liebste Freundin! Da ich nur wenig Zeit habe, stenographiere ich
heute nicht, sondern muß kurrent schreiben . . ."

Ratfchlag.

Iunger Lyriker: „Ob mir der reiche Rentier seine Tochter wohl geben
wird? Ich werde eben noch gar nicht viel gelesen."

Freund: „Ia, wenn man Dich nicht aufschneidet, wirst Du eben bei der
werbung desto mehr aufschneiden müssen."

In der Mstafe.

Mutter: „Aber Thekla, muß denn Dein Bräutigam einmal unbedingt ein
Leutnant sein?"

Thekla: „Ia, Mama, ,Leutnant, Leutnant über alles, über
alles in der weltll"

Der durchgegangene Tabakbeutel.

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Oesterreich-Ungarn für L^erausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.

Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingen.
 
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