Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0104
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
96

Meggendorfers Humoristische Blätter.


„Bitle! bittel" Lr sah ihr nach wie ein gereizter Tiger.
Uaum war ihre magere Gestalt durch die Thiire verschwunden,
als ein Leuchten iiber sein Gesicht ging. Lr xackte Teller und
Löffel und schwuxp! — lag das Nordsessen wieder in der Ge-
müseschüssel.

Als Tante Sophie bald darauf erschien, schluckte und
schmatzte cr so eifrig, als genösse er Göttersxeise. Die Tante
war ob der Würdigung ihrer kulinarischen Aunst hocherfreut.
5ie zog ihrem Neffen den Teller aus der bsand und — füllte
ihn zum zweitenmale.

Severin war total geknickt. Der Aermste zitterte fast, als
er seine heruntergefallene Serviette aufhob.

„Ncin, Tantel" wehrte er verzweiselt ab, „ich — ich muß
dankenl Ich habe diesmal vollständig genug — nein — nein
wirklich — es geht nicht mehrl"

„Aber ich bitte Dich, Severin! Für mich geniigen kaum
zwei Teller voll, und Du bist ein großer, starker Menschl Iß
nur getrost; zuinal da Dir's so schmeckt — es ist noch mehr
draußenl"

Auch noch mehr draußen — das hatte ihm ja gerade noch
gefehlt.

„Um — um Gottes willen nicht, Tantel Das heißt — ich
meine — soviel kann man doch unmöglich essenl" stotterte er
abermals. Lr war so bestürzt, daß er sich mit der Serviette

beinahe die Nase gewischt hätte. Lr steckte sie zwischen Lsals
und Aragen und fing wieder an zu blasen.

„Ls ist nicht mehr heiß, Severinl"

„Nein doch —gewiß nichtl" Lr schluckte mit Todesverachtung
eine Löffelspitzc voll hinunter. Ls schüttelte ihn. Für zwanzig
Mark so eine Schindereil Ach, wenn er doch nur das Geld
nicht so notwendig brauchte, er wollte der Alten schon einen
Vortrag über Zwiebelgemüse haltenl Die frömmsten Wünsche
für das Wohl der Tante durchzuckten seine Seele. Schließlich
raffte er sich auf: „Ls geht wahrhaftig nicht mehrl"

Die empfindsame Tante hörte sehr wohl den Alang leisen
Trotzes heraus. Sie setzte seinen Teller ärgerlich beiseite und
sagte spitz:

„Dann laß es stehen, es zwingt Dich ja niemand!"

„Mahl — Mahlzeitl" schluckte der sonst so lebhafte Musen-
sohn und stand hastig auf. Darauf bedankte er sich — ein
wenig erleichtert — auf das bserzlichste, um die beleidigte Tante
zu versöhnen. Ls gelang ihm nicht ganz. Sie ließ sich jedoch
herbei, ihm beim Abschiede etwas in die lhand zu drücken.
Severin überlief es heiß und kalt. Was er da kramxfhaft um-
schlungen hielt, war viel größer als die ersehnte Doppelkrone;
er sühlte es — es war — wieder ein Thalerl Und heute war
erst der Zweiundzwanzigste l Lr wagte nicht, ein lVort zu ver-
lieren — er kannte die strenge Tante . . . Mt äußerster Not
stammelte er nochmals „verbindlichsten Dank für die Liebens-
wiirdigkeit" und verschwand. Am Treppengeländer drchte er
sich um und hatte nicht übel Lust, den Thaler mit vehemenz an
den großen blechernen Briefkasten zu pfeffern. Er war empört.

Lrst als ihn auf dem Markte die warme Mittagssonne be-
strahlte, kam er wieder etwas ins seclische Gleichgewicht. Zehn
Mnuten später half er seinem getreusten Freunde, der „gerade
kein Geld bei sich hatte," mit einer Mark aus und war abends
so wohlbestallt, als vorerst.

Eine edle, wohlhabende Seele, der er sich notgedrungen
anvertraute, lieh ihm gern fünfzehn Mark; da erst zog in Se-
verins ljerz die alte Fröhlichkeit. Nur wenn er an Zwiebel-
gemüse dachte, packte ihn ein gelinder Schauer. — Lrzählen
durfte er die Geschichte nicht — die Foxxerei hätte dann nicht
aufgehört — aber in Stunden der Lrinnerung brummte er oft
seufzend: „Teufel, war das ein schwerer Pump l" — Als Severin
einmal lange, lange nach dem ominösen Gastmahl wieder den
ersten pflichtschuldigen Besuch machte — die Tante hatte ihm
briestich verschiedene Rixpenstöße geben miissen — erschien cr,
ihrer Hausordnung strikt entgegen, wohlweislich des Nachmittags
vier Uhr. — wer wollte es ihm verdenken?

s hatte ein Rnab' ein Mägdlein so gern,
Sie war seine Sonne, sie war sein Stern,
Sie war sein Glück — sein Leben.

Lr schwur ihr jeden Tag aufs neu'

Von ew'ger Lieb', von ew'ger Treu',

Lr war ihr ganz ergeben.

Der KeMmörder.

Doch untreu, wie die weiber sind,

So war es auch dies liebe Uind
Und ließ die Nkänner leiden.

Denn, kaum war sie von diesem fort,
So war an einem andern Mrt
Sie schon mit einem zweiten.

Dies merkte unser Iüngling auch
Und er beschloß, nach altem Brauch
I>n eig'nen Blut zu baden.

Die waffe drückt er an das kserz.

Utan hört nicht Schuß— er fühltnichtSchmerz,
— Lr hatte vergcssen zu laden.

E. W.

Nicht gaiy so schtimm.

Als Ljänschen Zahnreißen hatte, zog ihm Vnkel Zahn-
doktor den kranken Zahn; jctzt bekommt er Dhrenreißen.
„wir müssen wieder zum Doktor," spricht Mama; „weshalb
weinstDudenn,khänschen?" — „Weilder mir dann das Dhr
ausreißt," antwortet der Rleine.

Äin edler (Katte.

Arzt: „Mt Ihrer Frau steht es sehr schlecht, Lserr Meier;
ich sage Ihnen das im vertrauen, damit Sie sich darnach
richten können!"

— „Ach Gott, kserr Dokter, ich denke ja noch gar nicht
ans wiederverheiraten I"

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Vesterreich-Ungarn für Lserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingen.
 
Annotationen