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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0149
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INeggenLorfers Humoristische Blälter.


Die süße Rache.

ihre gesellschaftliche Stellung zu sichern. Aber Fräulein Aurelie
verstand es auch durchaus, die Rechte, wie die Pflichten, welche
mit solcher Stellung verbunden waren, voll zur Geltung zu
bringen. Sie besaß Lnergie und Lntschiedenheit genug, nie
einen Zweifel darüber zu lassen, daß sie darauf rechnete, nicht
nur um ihre Meinung gefragt zu. werden, sondern auch mit
derselben den Ausschlag zu geben; und es sehlte ihr ebenso-
wenig an der xersönlichen Lieb-enswürdigkeit, die das milde
Regiment gern ertragen und da.s Gefühl nicht aufkommen läßt,
daß man sich unter ein Ioch beuge.

Leider wurden diese vortrefflichen Ligenschaften des Geistes
durch Fräulein Aurelies körperliche Reize nur sehr bedingungs-
weise untcrstützt. Nicht, als ob die Natur sich ihr gegenüber
geizig und stiefmütterlich gezeigt hätte — eher im Gegenteil.
Aber sie war mit ihren Gaben mehr quantitativ als qualitativ
verschwenderisch gewesen. Fräulein Aurelie war nach sämtlichen
vier Dimensionen einfach erstaunlich. Schon mancher pietätlose
junge lNann, dem die Dame zur Abschwächung des Eindrucks
zuerst einmal vorsichtig von serne gezeigt worden war, hatte
die boshafte Frage nicht unterdriicken können, ob das wirklich
alles zu einer jungen Dame gehöre. Und dabei befand sich
Fräulein Aurelie — oder Tantchen Aurelie, wie sie von den
jüngeren Damen in ihrer Abwesenheit, von einer besonders
vertrauten Freundin auch wohl gelegentlich ins Gesicht genannt
wurde — in einem Alter, von dem ein harmloser Berichterstatter,
der es doch des lieben Friedens halber mit niemand ver-
derben mag, am besten thut, fein säuberlich den Mund zu halten.

In diesem Sommer gab es ein ganz besonders lustiges
Leben in der guten, alten Stadt B. Das kam daher, daß das
erforderliche Material an jungen Leuten beiderlei Geschlechts
reichlich vorhanden war, und daß es auch an den geeigneten
Persönlichkeiten unter den jungen kserren nicht fehlte, die —
ob aus eigenem, ob aus Interesse für die Allgemeinheit, lassen
wir dahingestellt — für die guten Linfälle sorgten und bei deren
Ausführung die leitende Rolle übernahmen. Aonzerte, Abend-
unterhaltungen iin Freien mit und ohne Tanz, Landpartien
mit allem Zubehör u. s. w. u. s. w. jagten sich förmlich. Ls war
damals noch nicht Mode, schon in jungen Iahren blasiert zu
sein oder zu scheinen, wenigstens in B. noch nicht. Line der
ersten Rollen spielte unbestritten dabei der junge Regierungs-
assessor Mar weinert, der zu Zlnfang des Frühjahrs zur
Lrledigung irgend eines längeren Kommissariums nach B.
entsendet worden war. Freilich munkelte man, daß seine
unermüdliche Thätigkeit als Arrangcur nicht ganz uneigennützig
sei, daß es nicht sowohl ein selbstloses Interesse sür die
Befriedigung des allgemeinen vergnügungsbedürfnisses sei, das
ihn zu seinen besten Leistungen veranlaßte, als vielmehr die
schönen Augen der kleinen wanda Rohrbach, des einzigen
Töchterchens des Aommerzienrats. Aber jedenfalls war er
gewandt und taktvoll genug, sich das nicht allzusehr merkcn
zu lassen, und die iibrigen ließen ihm sein Spezialmotiv und
zogen den besten Nutzen aus seinen Anstrengungen.

Ls war mitten im Sommer — in der schönen Zeit der
schwärmerischen jungen Liebe und den ersten Airschkuchen. Ltwa
ein Dutzend junger Damen und kserren saßen, unter dem ehr-
samen Schutz einiger älterer Frauen, in dem beliebten ver-
gnügungsgarten des Städtchens zusammcn. Die lebhafte Unter-
haltung bcwies, daß man sehr wichtige Dinge verhandelte.
Und in der That handelte es sich um nichts Geringeres als
eine für den nächsten Sonntag geplante größere Landpartie,
deren nähere Details hier en petit comitä festgesetzt wurden.
Lben war man über alles Wesentliche einig geworden, hatte
beschlossen, am nächsten Morgen die formelle Genehmigung der
verschiedenen Familienhäupter einzuholen und dann am vor-

mittage noch einmal in der ersten Aonditorei der Stadt zusammen-
zukommen, um das Programm einer endgültigen Schlußredaktion
zu unterziehen. Man trennte sich mit der gegenseitigen Mahnung,
ja recht xünktlich zu sein.

„ksalti" rief Assessor Weinert, „mit dem bloßen versprechen
können wir uns dieses Mal nicht begnügen, dazu ist die Sache
zu wichtig. wir mllssen eine Strafe festsetzen. Also — wer
als der Letzte auf dem Platze erscheint, zahlt für die ganze
Gesellschaft einen Airschkuchen. Linverstanden?"

Mit Lachen und Beifall wurde der vorschlag angenommen,
und das lustige Dölkchen flatterte auseinander.

Als am folgenden vormittag Max Weinert dem geräumigen
Marktplatze der Stadt zuwanderte, hätte ein aufmerksamer
Beobachter wohl finden können, daß sein hellbraunes Auge
minder klar und freundlich strahlte als gewöhnlich, und daß
aus seiner Stirn eine wolke des Mißmutes lagerte. Und wer
indiskret genug gewesen wäre, dem Assessor während der vorher-
gegangenen halben Stunde heimlich zu folgen, der hätte auch
einen ganz plausibeln Grund hiefür anzugeben vermocht, wenn
er nämlich hätte ausplaudern wollen, wie der Assessor sich
ungewöhnlich lange gegenüber dem Rohrbachschen bsause zu
schaffen machte, obwohl es nicht leicht einen Anlaß gab, der für
den Nichtkaufmann einen längeren Aufenthalt in der Nähe des
mitten in der eigentlichen Geschäftsstadt gelegenen stattlichen
Gcbäudes hätte besonders anziehend orscheinen lassen können.
Aber wenn unser Assessor nicht Aenner war, so war er doch

Ktimmt.

Braut (nüt einem Linjät,rigen verlobt): „So, Sie meinen auch, wir
paßten gut zusammen?"

B.: „Gewiß, Sie sind ein Lngel und er — Flügelmannl"
 
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