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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0150
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2Neggeudorfers L)umoristische Blätler.

^2

Die süße Rache.

Liebhaber. Mit Todesverachtung hatte er wohl zehn Minuten
lang sich den Anschein gegeben, in einer Straße nach ansehens-
werten Schaufenstern zu suchen, wo es, wie er sehr gut von
früheren Gelegenheiten her wissen konnte, überhauxt keine gab.
Dabei hatte er stets eine gewisse ksausthüre im 2luge behalten,
stets gehofft, daß sie sich endlich öffnen solle — zuerst weit, ganz
weit, um Fräulein Aurelie den Durchlaß zu gestatten, und dann
zum zweitenmal ein ganz wenig, so daß gerade ein schlankes
Figürchen hindurchschlüxfen konnte, das sich neben der volumi-
nösen Lousine ausnahm wie eine Nixxfigur neben dem Stuben-
ofen. Aber Minute auf Minute hatte er, immer ungeduldiger
und doch gleich vergeblich gewartet, bis er endlich die kfoffnung
aufgeben und enttäuscht von dannen ziehen mußte. Längst schon
hatte die Rathausuhr die elfte Stunde verkündet, und so blieb
nur die Möglichkeit, daß die beiden Damen doch noch früher
auf dem Platze gewesen seien, als er, daß sie vielleicht einen
Besorgungsgang durch die Stadt gemacht und sich dann direkt
nach dem vereinbarten versammlungsort begeben hatten. So-
bald er zu dieser Ueberzeugung gelangt war, mußte er sich aber
auch sagen, daß jeder Augenblick, den er hier länger verweile,
dem ersehnten Zusammensein entzogen werde, und so eilte er
denn in ftürmischer bfast, um das versäumte wieder einzuholen,
dem Ziele entgegen.

Als er in das schon ziemlich gefüllte versammlungszimmer
eintrat, welches sich das Vergnügungs-Komitee ein für allemal
in der Konditorei reserviert hatte, wurde er mit sturmreichem
Iubel emxfangen.

„Alle Lile hilft Ihnen nichts mehr, Lserr Assessor," rief ihm
lachend eine reizende kleine Blondine entgegen. „Dieses Ukal
sind Sie doch der Letztel"

„Also endlich einmal in die eigene Grube gefallen!" setzte
ihre Nachbarin ein wenig schadenfroh hinzu.

„Prosit, Assessorl" — begrüßte ihn einer der jungen Ljerren.
„Wir essen schon einen Airschkuchen auf Ihr Sxecielles —
schmeckt famosl"

Kaum hatte der Assessor Geistesgegcnwart genug, diese

Axostrophen mit gutem kjumor entgegenzunehmen — um nicht
in den Verdacht zu geraten, daß er sich ärgere, nicht etwa zu-
letzt gekommen, sondern in die von ihm selbst vorgeschlagene
Strafe verfallen zu sein — denn ein rascher Blick über die
versammelte Gesellschaft hatte ihm gezeigt, daß auch hier die
Lrwarteten — oder vielmehr die Erwartete, denn es läßt sich
leider nicht verschweigen, daß er Fräulein Aurelies Abwesen-
heit ohne besonderen Aummer würde haben ertragen können —
nicht anwesend sei. Lr murmelte der Form wegen etwas von
dringenden Amtsgeschäften, obwohl er sehr gut wußte, daß
ihm das niemand glaube, und obwohl es ihm im Grunde auch
ganz gleichgiltig war, ob man es ihm glaubte oder nicht. Dann
sehte er sich zu den Müttern, erkundigte sich xflichtschuldigst
nach Nachtruhe und Befinden sowie nach dem Lrgebnis etwa
bereits stattgefundener Beratungen — daß solche vor seiner
Zlnkunft nicht stattgefunden hatten, war ihm natürlich nicht
im mindesten zweifelhaft —, bis er endlich unauffällig die Frage
dazwischen werfen konnte, ob denn die Rohrbachschen Damen
nicht kommen würden.

„Leider nein" — entgegnete ihm eine der Damen, „vor
einer viertelstunde schickte Fräulein Aurelie her und ließ
absagen, da sie durch eine xlötzliche Migräne verhindert sei."

Der Assessor fühlte eine xlötzliche !vut gegen die arme
Tante 2lurelie in sich aufsteigen. Lr vermochte einmal nicht
einzusehen, weshalb auch der kleinen tvanda Tante Aurelies
Uoxf weh thun mußte. Aber zugleich sah er auch, wie er aus
dieser Situation vorteil ziehen konnte. Lr gab seinem lebhaf-
testen Bedauern über den Zwischenfall Ausdruck, nicht nur im
Interesse der Aranken, sondern namentlich auch im Interesse
der Gesellschaft, die nun einer so bewährten Araft entbehren
müsse, auf deren Mitwirkung inan doch sicher gerechnet habe.
Das fand allgemeine Zustimmung, namentlich ausnahmslos bei
den älteren Damen. Denn Aurelie hatte sich wirklich unent-
behrlich zu machen verstanden, indem ste stets, wie ganz selbst-
verständlich, alle die kleinen Arbeiten übernahm, die bei solchen
Gelegenheiten von Damen besorgt werden wollen und einer,

die sich nicht darauf
versteht, schon Roxf-
zerbrechen bereiten
können. Lr verstärk-
te diese Stimmung
nach Kräften und er-
bot sich schließlich, so-
fort selbst seine ganze
xersönliche Liebens-
würdigkeit aufzubie-
ten, um Fräulein
Aurelie zu überzeu-
gen, daß in diesein
Falle ihre Mgräne
den jdflichten gegen
die Gesellschaft nach-
stehen müsfe. Natür-
lich wurde dieses
Lrbieten mit gebüh-
rendem Danke ange-
nommen, und mancher
junge bjerr, wie man-
che junge Dame be-
wunderte im Stillen
den Ljeroismus eines
solchen Lntschlusses.

Aaum fünf M-
nuten sxäter stand der

Äalgenhumor.

Richter: „kjaben Sie noch etwas zu bemerken?"

Taschendieb (d-r -in gahr SefLngms b-k°mmenN „kjoher Gerichtshof, ich bm ;a gewohnt etwas emzu-
stecken, aber das ist zu reichlich l"
 
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