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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 45.1901 (Nr. 536-548)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16555#0008
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ITleggendorfers Humoristische Blätter.



in der Regierung gefolget und gleichermaßen hieß, sürbringen
ihr Beschwernis und Bitt', der Stadt zu verhelfen von dem
argen Manne. Thaten auch alsobald, als beschlossen gewest
und machten sich aus drei ausgesonderte und ehrenfeste Männer
aus dem Rate der Stadt. Die sind mit Namen gewest: Iochen
Deckenhart aus der Bildhauerzunst, der sollt das lVort führen;
Lukas Vollandus, ein Bräuer; ksans Grossius, so dem Landbau
obgelegen. Und da sie sich hatten genüglich Speis und Trank
beigestecket, reiseten sie; und sie stunden nach zwei Tagreisen
vor dem Lustschlosse des kserzogs und höreten auf ihr Ansinnen,
daß sie gar bald sollten audiiret werden.

Es ist aber der kserzog Lambertus secundus ein sonderlicher
kserr gewest, und war keinem geraten, ihn zu molestiren, wann's
ihm nit gut passete; des hatten sich die drei Ratsherren nit
versehen, trafen's nun zu ihrem Ungelücke, daß lherr Lambertus
artlich lachte, als ihm die Lserrn wurden vermeldt; und war
solch knisfiich Lachen kein sreundlich auspicium.

Da nun die drei Ratsherrn vorgeführet worden und sich
sittiglich und submiß verbeuget, hat bserr Lambertus nach ihrem
Begehr gesraget; worauf denn Iochen Deckenhart angefangen,
der Stadt Solishausen Rlag über den Schultheiß gar beweglich
vorzubringen: als daß er seie ein Böller und Säufer, stelle auch
den ehrbaren Weibern nach — und da er in Gebärden und
forma ein ansehnlicher Nann, so wäre durch solch schlimme
Ding den Männern öftere Betrübniß verursachet worden. !Vie
er geendet, da haben solche Alag die zwei anderen Ratsherrn
bekräftiget: wie der Schultheiß dem ksans Grossius, da selbiger
auf kurze Meil aus dem Ratskeller an die Mauer sei getreten,
Branntwein in sein Bier geschüttet; ihn auch, da er beim Trin-
ken das Maul schief gezogen, höllisch verlachet; und den Vollan-
dus, da er gescholten über solch Narrentheiding, einen Simpel
und Gchsenknecht geheißen und ihn mit Maulschellen bedrohet.

Nachdem so noch manch andere Ding fürbracht worden,
und bserr Lambertus secundus derweilen hier gelächelt und dort
die 5tirn in Fältlein geleget, stellete er die questio, ob der Lserr
Schultheiß je und immerdar so ein Schalk sei gewest?

„Ti wohl," ruset da Iochen Deckenhart, „sein Thun war
eitel Tand und Narrethei und Völlerei von Anbeginnl"

Item fraget der Nerr Lainbertus weiter, wie lang schon der
Schultheiß hab solch Unwesen getrieben? woraus kserr Grossius
repliciret, am vorigen ksornung hab' es sich zum zwölstenmale ge-
jähret, daß solcher Schalk als der^tadtkjauxtjedermannUeblesthue.

Nach solcher Antwort hat der gnädige Nerr bjerzog ein
weniges beiseits gelacht und dreimal an die lVand geklopfet,
worauf durch die Thür ein bjeuduck hereingekommen; selbigem
hat kserr Lambertus geboten, daß er sollt die drei Ratsherrn
in ein abgesondert Gelaß schasfen und allda jedem von ihnen
mit einem Gchsenziemer zehn tüchtige Streiche zuzählen.

Gb solchen Befehls aber entstund ein arg Trschrecken der
drei Ratsherrn, sie fielen auf die Rniee und riefen: Die Streiche
gehöreten wohl dem Schultheiß, aber nit ihnen, die doch genug
Beschwer erlitten; und hätten sich gnädiger Abhülf', aber nim-
mer einer Straf und Schimpses versehen I

kserr Lambertus aber vermeinete, daß sie nit nur solches,
sondern gar viel Schlimmeres verdienen möchten, derweilen sie
einen Schultheiß, der sich von Anbeginn als ein völler und
Schalk erwiesen, zum andernmale zu ihrem Gberhaupt erkieset
hätten — nit zu gedenken des, daß jedermann in allen Stücken
das verdienete, was er sich gefallen ließe.

> Und hat alles Flehen nit geholsen: Mit Iochen Deckenhart,
so der lVortsührer war, hat müssen der Ansang gemacht werden I
aber dies Gelöbniß hat er bei jedem Streiche repetieret: Ts sollt
nun und nimmer der Schultheiß Salmortus wieder erwählet
werden. Gleicherweise thäten es seine Gefährten ohne Unterlaß
und mit löblichem Lifer, so lang die executio währete, ohne daß

sie zu alledem das gerechte und weise Urtel des kserrn Lam-
bertus secundus rühmeten.

In dem Städtlein Solishausen aber ist ein gut Regiment
worden erst acht Iährlein später, da der Schultheiß Salmortus,
so sich nit gebessert und in seinem Schandleben trutziglich und
verstockt verharrete, sein Amt eingebüßet und an seiner Statt
Iochen Deckenhart den Schulzensessel bestiegen hat. Ist auch
die Lektion des kjerrn Lambertus secundus niemalen ver-
gessen, noch weniger die Lehr', daß ein jeder verdienet,
was ihm zu Theil ist worden.

Ä1N Heimweg vom Bferdemarkt.
 
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