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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 45.1901 (Nr. 536-548)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16555#0016
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^2

Aleggendorfers ^umoristische Btätter.


zu widerlegen, und als ihm das nicht gelang, wurde er unge-
duldig und heftig, erklLrte, daß ich nichts verstehe, daß ich ver-
rückte Ideen hätte, kurz, daß ich ein — Gänschen sei! Der
Llende! Auch zu Papa sagte er das nämliche. Und Papa
gab ihm sogar recht.

Aber das macht nichtsl Ich bin _

jetzt eine Märtyrerin der modernen
Frauenbewegung. Ich habe für meine
Anschauungen gelitten.

Der Uhrkettenproh.

Vierzehn Tage sind verflossen und meine Broschüre ist be-
reits beim — sechsten verleger. Ieder lehnt sie ab. Die Bar-
barenl 5o unterdrückt man uns schwache Nädchenl

Lseute habe ich übrigens Lousin Alfred begegnet. Ls thut

_^ mir um ihn leid. Der arme Iunge

sieht wahrhaftig schlecht aus. Und
alles wegen mirl Linen Blick hat er
mir zugeworfen einen Blick, der mich
ins Innerste traf.

j)axa ist wütend, auch Mama ist sehr un-
gehalten über mich, da ich durch mein Beneh-
men Lousin Alfred —diesen rückständigen,
ungebildeten Menschen — angeblich
verscheucht habe. Ich bekomme des-
halb auch kein neues Rleid, das
ist unerhört. So werden die
Forderungen des weibes mit
Füßen getreten. Nirgends
können wir Mädchen Recht
finden. Niemand schützt

uns. wozu ist der Ltaat
da? Ich werde über die°
sen punkt noch nachdenken.

Das sind traurige Tage.

Mama und j)apa böse. Uein
Mensch, der mir Bonbons
bringt. Rein neues Rleid.

Nichts, gar nichts. Aber

ich werde jetzt zum verdienen
sehen. vor allem schreibe ich ein

Buch über die Lösung der Frauenfrage.

Ich stelle mir das sehr einfach

vor. Der Staat hat den größten vor-
teil und Nutzen davon, wenn es uns
Frauen gut geht, und wenn wir glück-
lich sind. Ls ist deshalb nur ein-
fache Rlugheit, wenn er sich unser
sxeziell annimmt und uns seinen
Schutz verleiht. Dazu hat er
auch die Macht und den
Einfluß. Er besitzt das
Militär, welches er zu
den verschiedensten Dienst-
leistungen als Telegraphenbeamte,

Techniker, postbeamte u. s. w. heran-
zieht. warum soll er es nicht zur Lösung der Frauenfrage
verwenden?

(Es soll ganz einfach für jedes Mädchen ein — Garde-
leutnant kommandiert werden. In diesem Augenblick
ist die Frauenfrage gelöst.)

Noch heute schicke ich meine Broschüre an den verleger.

Großer Skandal. Lndlose vorwürfe. Durch
einen Zufall erfuhr s?apa, daß ich seit ein
paar wochen die Rochschule schwänze. wie
wird das enden? Man will mich in ein
jdensionat steckenl Das überlebe ich
nicht. Dazu kommt noch, daß Resi
— diese nichtswürdige jderson —
den großen Idealen der moder-
nen Frauenbewegung untreu
wurde. Sie „geht" jetzt mit
einem verpflegungskorporal. Ich
stehe ganz allein.

Nachmittag.

j)apa macht Lrnst. Ich
muß in ein j)ensionat und zwar
sofort. Lben traf auch mein wieder
zurückgesandtes Manuskript „Ueber
die Frauenfrage" ein. Abermals
abgelehnt. Das Schriftstellern scheint
ein sehr unsicheres Geschäft zu sein.
Ich bin sehr unglücklich. Soll ich
meinen Idealen untreu werden?
G, wenn ich nur wüßte, was ich
thun solll

* *

*

Das war eine niederschmetternde Nach-
richt, die mir den letzten Mut raubte.
Fräulein Adaxel, die göttliche Adaxel,
die glühendste Männerfeindin, die
größte Gegnerin der Lhe — hat
sich verlobt. Heute siand es
in allen Zeitungen. Natür-
lich mit hämischen Bemerk-
ungen versehen. Da brach
ich innerlich zusammen.
Aber als ich mich wieder auf-
gerafft und ausgeweint hatte, da
ging ich hin und schrieb an — Alfred: er soll mich trösten

*

Ich weine vor Freuden. Ich kann mich nicht faffen.
Alfred war heute da, hat mit meinen Lltern gesprochen
und mich von ihnen für das ganze Leben gefordert . . .
Ist das nicht die schönste Forderung des weibes?

*

*

*

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Gesterreich-Ungarn für Herausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.
Vrrlag von I. F. Schreibrr in Münrhen und Etzlingrn.
 
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