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Meggendorfers Humoristische Blätter.
andere, schlechte Ligenschaft des verlästerten ein, und was das
schönste, oder eigentlich das traurigste bei der ganzen Sache ist,
es glaubt einer dem anderen alles auss lvort.
tvährend dieser lebhasten Debatte geht die Thüre aus, und
Neumann erscheint.
N?enn der leibhastige Gottseibeiuns mit sämtlichen Attri-
buten seiner teuslischen b^errlichkeit selber erschienen wäre, es
hätte kaum anders wirken können.
Am Stammtische wurde es ruhig, so ruhig, daß man eine
Stecknadel zur Erde hätte sallen hören. Alle, wieder mit Aus-
nahme des Gbersörsters, scheuten sich dem Ankommenden ins
Gesicht zu sehen. Dieser jedoch hängte, wie wenn gar nichts vor-
gekommen wäre, seinen Ueberzieher und chut an den Nagel,
begab sich lächelnd zum Stammtisch an seinen gewohnten platz,
begrüßte jeden der Anwesenden sreundlichst und bestellte sich
bei dem reizenden Ulirtstöchterlein ein Glas Bier.
Line eisige Kälte am Stammtisch.
Einer nach dem andern trinkt verlegen, kurze U)orte wer-
den halblaut gewechselt, ängstlich rücken die Neumann zunächst
Titzenden von demselben etwas weg.
Dem Apotheker sällt plötzlich ein, daß er noch ein Recept,
welches er wegen der NAchtigkeit und Genauigkeit seinem Lehr-
ling nicht anvertrauen durfte, zu machen habe. Stehend trinkt
er sein Bier aus, grüßt unter kühler Nichtbeachtung Neumanns,
die anderen und verläßt das Lokal.
Der Assistent sängt zu gähnen an, sagt, daß er sehr müde
von der Reise sei, und daher bei Zeiten sich legen müsse, be-
zahlt, und drückt sich ebensalls möglichst rasch zur Thüre hinaus.
Ihm schließt sich sosort der geinischte kvarenhändler Nägerl
an, der es jedoch nicht unterlassen kann, durch die Blume zu
bemerken, daß es ihm, dem gemischten waren und Delikatessen-
händler plötzlich zu „gemischt" geworden sei. Lr reicht den
andern, mit Ausnahme Neumanns, die chand, murmelt etwas
von „noch nie dagewesener chrechheit, Ungebildetheit" und verläßt
breitspurig im Lsochgefühle seiner moralischen und sinanziellen
Unsehlbarkeit die 5tube. Der Lehrer, der noch ein halbes Seidel
Bier hat, trinkt dasselbe ebensalls möglichst rasch aus, sieht
aus seine Uhr und sagt: „was?I 5chon gleich zehn Uhr, und
ich muß morgen schon um acht Uhr in der 5chule seinl Da
ist's aber höchste Zeit zum Linsteigen." Spricht's und begibt
sich nach kurzem Gruße mit dem Sekretär, der sich ihm an-
schließt, aus den bseimweg.
Der Dbersörster und Neumann bleiben, als die beiden Letz-
ten, zunächst einige Minuten still sitzen.
Ulit einem mächtigen Zuge leert der lveidmann sein Glas,
wischt sich die Schaumtropfen von seinem weißen Schnurrbart
und bestellt sich ein neues Seidel.
„Aber heute sind die Lserren alle schon bald nach Lsaus
gegangen," sängt Neumann ein Gespräch an.
»Ist Ihnen das auch ausgefallen," meint der Gbersörster,
und zwinkert, schlau lächelnd mit den Augen.
„Sagen Sie einmal," sängt er an, und schlägt dabei mit
seiner kräftigen bsand Neumann derb aus die Schulter, „ist
denn das wahr?I" Dabei hält er ihm den Anzeiger unter die
Nase und deutet mit seinem Finger aus die bewußte Notiz.
„Gott sei Dank, sreilich I Gder glauben Sie gar, ich würde
es wagen mit dem Gericht mir einen schlechten Scherz zu er-
lauben! Ich dank' schön, da könnte ich schön hereinfallen,"
entgegnet Neumann sröhlich lächelnd.
„Und dabei sind Sie schnackerlfidel und lachen noch dazu;
^ören Sie, mein lieber, junger Mann, ich muß Ihnen da schon
etwas sagen, was Sie mir altem Schweden nicht verübeln dürfen l"
„Aber nicht im mindesten, lieber Lserr Gberförster, reden
Sie ruhig von der Leber weg. Aber vorher erlauben Sie mir,
daß wir, um die Stimmung zu erhöhen, eine Flasche Labinet
mitsammen trinken.
„Meinetwegen, Sie Bruder Leichtfuß, aber das bitte ich mir
aus, daß ich sie bezahlel"
„Linverstanden, die zweite zahl' dann ich."
Der Sekt wird gebracht, die beiden schenken ihre Gläser
voll und trinken leer, und der Gberförster beginnt:
„chören Sie einmal, daß Ihnen diese dumme Geschichte
passicrt ist, will ich Ihnen gewiß nicht verdenken, obgleich Sie,
wenn Sie sich in Geldverlegenheiten besinden, oder befunden
haben, sich doch erst vertrauensvoll an Ihre Bekannten hätten
wenden sollen. Sie haben doch genug verwandte oder Bekannte?"
„Gewiß, verwandie und Bekannte; aber glauben Sie, daß
vielleicht einer der cherren, die eben sort sind, mich unterstützt
hätte?"
„Lsm," brummte der Förster, „aber ich bin ja auch noch da;
ich meine, wir kennen uns lange genug, daß sich keiner genieren
braucht, im Notfalle zum andern zu kommen."
„Ganz recht, Lserr Vberförster, aber Sie sprechen immer von
Geldverlegenheit, Notsall — bvörter, von dencn ich nicht recht
begreise, was sie bedeuten sollenl?"
„kvollen Sie mich vielleicht uzcn, das verbitte ich inir,"
brauste dcr Alte aus.
„Uzen, aber gar keine Spur; da sehen S' nur her," sprach
da Neumann, zoz sein sdortcmonnaie, sowie seine Brieftasche
heraus, und breitete unter den Augen des erstaunten Försters
eine ansehnliche Summe in Gold, sowie Banknoten aus.
„Sakra, Sakra, jetzt kenn' ich mich auch nimmer ausl Ich
glaub' halt doch, einer von uns zwei spinntl"
„Das glaub' ich wieder nicht, im Gegenteil, wir beide sind
heller und vernünftiger als die ganze übrige, ehrsame Taselrunde l"
„Aber jetzt sind S' so gut, und schenken Sie mir reinen lvein
ein, oder ein Areuzmillionendonnerwetter soll gleich in alles
drein sahren," polterte der Alte.
„Ich wollte eigentlich keinem Menschen etwas davon sagen,"
sprach Neumann, „aber da ich gewissermaßen jetzt von Ihnen
dazu gezwungen bin, Ihre Mithilse auch brauchen kann, und ich
außerdem gesehen, oder doch geahnt und jedensalls richtig geahnt
habe, wie die andern bserren sich äußerten, will ich Ihnen aus-
nahmsweise den ganzen Sachverhalt erklären; aber wort und
chandschlag — nichts verratenl"
Der Förster schlug kräftig in die ausgestreckte Rechte Neu-
manns ein, und derselbe begann zu erzählen.
was er erzählte, werde ich der liebenswürdigen Leserin am
Schluffe berichten, um dem Gange der handlung nicht vorzugreifen;
aber Thatsache war, daß das Gesicht des Alten sich zusehends
Meggendorfers Humoristische Blätter.
andere, schlechte Ligenschaft des verlästerten ein, und was das
schönste, oder eigentlich das traurigste bei der ganzen Sache ist,
es glaubt einer dem anderen alles auss lvort.
tvährend dieser lebhasten Debatte geht die Thüre aus, und
Neumann erscheint.
N?enn der leibhastige Gottseibeiuns mit sämtlichen Attri-
buten seiner teuslischen b^errlichkeit selber erschienen wäre, es
hätte kaum anders wirken können.
Am Stammtische wurde es ruhig, so ruhig, daß man eine
Stecknadel zur Erde hätte sallen hören. Alle, wieder mit Aus-
nahme des Gbersörsters, scheuten sich dem Ankommenden ins
Gesicht zu sehen. Dieser jedoch hängte, wie wenn gar nichts vor-
gekommen wäre, seinen Ueberzieher und chut an den Nagel,
begab sich lächelnd zum Stammtisch an seinen gewohnten platz,
begrüßte jeden der Anwesenden sreundlichst und bestellte sich
bei dem reizenden Ulirtstöchterlein ein Glas Bier.
Line eisige Kälte am Stammtisch.
Einer nach dem andern trinkt verlegen, kurze U)orte wer-
den halblaut gewechselt, ängstlich rücken die Neumann zunächst
Titzenden von demselben etwas weg.
Dem Apotheker sällt plötzlich ein, daß er noch ein Recept,
welches er wegen der NAchtigkeit und Genauigkeit seinem Lehr-
ling nicht anvertrauen durfte, zu machen habe. Stehend trinkt
er sein Bier aus, grüßt unter kühler Nichtbeachtung Neumanns,
die anderen und verläßt das Lokal.
Der Assistent sängt zu gähnen an, sagt, daß er sehr müde
von der Reise sei, und daher bei Zeiten sich legen müsse, be-
zahlt, und drückt sich ebensalls möglichst rasch zur Thüre hinaus.
Ihm schließt sich sosort der geinischte kvarenhändler Nägerl
an, der es jedoch nicht unterlassen kann, durch die Blume zu
bemerken, daß es ihm, dem gemischten waren und Delikatessen-
händler plötzlich zu „gemischt" geworden sei. Lr reicht den
andern, mit Ausnahme Neumanns, die chand, murmelt etwas
von „noch nie dagewesener chrechheit, Ungebildetheit" und verläßt
breitspurig im Lsochgefühle seiner moralischen und sinanziellen
Unsehlbarkeit die 5tube. Der Lehrer, der noch ein halbes Seidel
Bier hat, trinkt dasselbe ebensalls möglichst rasch aus, sieht
aus seine Uhr und sagt: „was?I 5chon gleich zehn Uhr, und
ich muß morgen schon um acht Uhr in der 5chule seinl Da
ist's aber höchste Zeit zum Linsteigen." Spricht's und begibt
sich nach kurzem Gruße mit dem Sekretär, der sich ihm an-
schließt, aus den bseimweg.
Der Dbersörster und Neumann bleiben, als die beiden Letz-
ten, zunächst einige Minuten still sitzen.
Ulit einem mächtigen Zuge leert der lveidmann sein Glas,
wischt sich die Schaumtropfen von seinem weißen Schnurrbart
und bestellt sich ein neues Seidel.
„Aber heute sind die Lserren alle schon bald nach Lsaus
gegangen," sängt Neumann ein Gespräch an.
»Ist Ihnen das auch ausgefallen," meint der Gbersörster,
und zwinkert, schlau lächelnd mit den Augen.
„Sagen Sie einmal," sängt er an, und schlägt dabei mit
seiner kräftigen bsand Neumann derb aus die Schulter, „ist
denn das wahr?I" Dabei hält er ihm den Anzeiger unter die
Nase und deutet mit seinem Finger aus die bewußte Notiz.
„Gott sei Dank, sreilich I Gder glauben Sie gar, ich würde
es wagen mit dem Gericht mir einen schlechten Scherz zu er-
lauben! Ich dank' schön, da könnte ich schön hereinfallen,"
entgegnet Neumann sröhlich lächelnd.
„Und dabei sind Sie schnackerlfidel und lachen noch dazu;
^ören Sie, mein lieber, junger Mann, ich muß Ihnen da schon
etwas sagen, was Sie mir altem Schweden nicht verübeln dürfen l"
„Aber nicht im mindesten, lieber Lserr Gberförster, reden
Sie ruhig von der Leber weg. Aber vorher erlauben Sie mir,
daß wir, um die Stimmung zu erhöhen, eine Flasche Labinet
mitsammen trinken.
„Meinetwegen, Sie Bruder Leichtfuß, aber das bitte ich mir
aus, daß ich sie bezahlel"
„Linverstanden, die zweite zahl' dann ich."
Der Sekt wird gebracht, die beiden schenken ihre Gläser
voll und trinken leer, und der Gberförster beginnt:
„chören Sie einmal, daß Ihnen diese dumme Geschichte
passicrt ist, will ich Ihnen gewiß nicht verdenken, obgleich Sie,
wenn Sie sich in Geldverlegenheiten besinden, oder befunden
haben, sich doch erst vertrauensvoll an Ihre Bekannten hätten
wenden sollen. Sie haben doch genug verwandte oder Bekannte?"
„Gewiß, verwandie und Bekannte; aber glauben Sie, daß
vielleicht einer der cherren, die eben sort sind, mich unterstützt
hätte?"
„Lsm," brummte der Förster, „aber ich bin ja auch noch da;
ich meine, wir kennen uns lange genug, daß sich keiner genieren
braucht, im Notfalle zum andern zu kommen."
„Ganz recht, Lserr Vberförster, aber Sie sprechen immer von
Geldverlegenheit, Notsall — bvörter, von dencn ich nicht recht
begreise, was sie bedeuten sollenl?"
„kvollen Sie mich vielleicht uzcn, das verbitte ich inir,"
brauste dcr Alte aus.
„Uzen, aber gar keine Spur; da sehen S' nur her," sprach
da Neumann, zoz sein sdortcmonnaie, sowie seine Brieftasche
heraus, und breitete unter den Augen des erstaunten Försters
eine ansehnliche Summe in Gold, sowie Banknoten aus.
„Sakra, Sakra, jetzt kenn' ich mich auch nimmer ausl Ich
glaub' halt doch, einer von uns zwei spinntl"
„Das glaub' ich wieder nicht, im Gegenteil, wir beide sind
heller und vernünftiger als die ganze übrige, ehrsame Taselrunde l"
„Aber jetzt sind S' so gut, und schenken Sie mir reinen lvein
ein, oder ein Areuzmillionendonnerwetter soll gleich in alles
drein sahren," polterte der Alte.
„Ich wollte eigentlich keinem Menschen etwas davon sagen,"
sprach Neumann, „aber da ich gewissermaßen jetzt von Ihnen
dazu gezwungen bin, Ihre Mithilse auch brauchen kann, und ich
außerdem gesehen, oder doch geahnt und jedensalls richtig geahnt
habe, wie die andern bserren sich äußerten, will ich Ihnen aus-
nahmsweise den ganzen Sachverhalt erklären; aber wort und
chandschlag — nichts verratenl"
Der Förster schlug kräftig in die ausgestreckte Rechte Neu-
manns ein, und derselbe begann zu erzählen.
was er erzählte, werde ich der liebenswürdigen Leserin am
Schluffe berichten, um dem Gange der handlung nicht vorzugreifen;
aber Thatsache war, daß das Gesicht des Alten sich zusehends