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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 45.1901 (Nr. 536-548)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16555#0076
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Meggendorfers Humoristische Blätter.


scheinung, im Gegenteil, die blonden Locken, das kecke Schnurr-
bärtchen und die schlanke und doch kräftige Gestalt paßten gut
zu einander.

Meier speiste im „Goldenen Mörser", berühmt durch seine
Aöchin, respektive durch die von derselben verfertigten Leber-
knödel. !Vas konnte Meier dasür, daß dies gerade seine
Leibspeise war. Es war rasch in dem 5tädtchen bekannt, daß
der Stern des Theaters den „Mörser" beehrt, und die lVirtschast
bekam noch stärkeren Zulauf als srüher.

Gretchen, die obenerwähnte Aöchin und Nichte des lNörser-
wirtes in einer person, sand gar bald Gefallen an unserem

Schlangenimitator,
nicht nur Gefallen,
sondern ihr bserzchen ^
war gar bald „um-
schlängelt". Und
lNeier merkte dies.
Nicht etwa, daß Gret-
chen etwas gesprochen
hätte, nein, sie war
gegen ihn aussallend
still, während sie sich
mit den anderen
lserren unterhielt. !
Aber es siel ihm auf,
daß seine Leberknödel
nicht nur um etliche
Tentimeter größer an
Umfang waren, als
die anderen, sondern
es lagen bei ihm
immer vier Rnödel auf dem Teller, während die anderen Gäste !
für das gleiche Geld nur drei bekamen.

lvelcher Mensch würde derartige handgreifliche Beweise der ^
Liebe und Zuneigung nicht merken? Und ebenso erging es
auch Serpentinus. Ich will gleich verraten, daß auch ihm Gret-
chen nicht gleichgiltig war und so traf es sich, ob zufällig oder
nicht, kann ich nicht sagen, daß beide nachts um die elfte Stunde
nach Schluß der lVirtschaft einmal zusammenkamen, .... und
von nun ab befanden sich im Teller Serpentinus' täglich füns
Leberknödel.

Begreisiich ist, daß die Regelmäßigkeit dem Menschen nicht
schadet. Genau so erging es Meier. Lr sühlte deutlich, daß
sein Tricot immer enger und enger wurde, daß sein Leib sich
nicht mehr so leicht schlängelte als früher, nur wußte er selbst
nicht recht, welchem Umstande er diese Lrscheinung zuschreiben
sollte. Als er jedoch immer wohlbeleibter wurde, kam ihm auf
einmal die Lrleuchtung — — — die Leberknödel. Im ersten
Moment glaubte Meier, ein Schlag würde sich die Freiheit

nehmen, ihn zu rühren, aber nichts von alledem, Meier blieb
gesund und — — dick. Der Theaterdirektor wurde ebenfalls

aus den Umstand auf-
merksam, daß Meier
die Nummer, mit der
er immer so glänzen-
den Applaus errang,
einsach vollständig
weg ließ. Aus Be-
fragen erhielt er die
lakonische Antwort:
„Leberknödel." Dem
Direktor ward angst
und bang um seine
Nummer und so bat
er Meier hände-
ringend, das Lssen so
vieler Leberknödel mit
der bisherigen Regel-
mäßigkeit um bsimmels willen ausgeben zu wollen. Serpentinus
aber sprach mit Leichenbittermiene: „Ich kann nicht."

* *

4-

Ls würde zu umständlich sein, alle Gespräche, die betreffs
obiger Sache noch gesührt wurden, aufzuzählen. Die «Vuinteffenz
vom Ganzen ist: Meier bekam gar bald sein Gretchen zum
tveib, der Theaterdirektor erhielt eine kleine Lntschädigung
und im Zimmer der glücklichen Familie Meier, die sich übrigens

jährlich um einen jungen Schlängler vermehrt, hängt über dem
Brautbild das Lmblem, eine Schlange mit einem Leberknödel
im aufgesperrten Rachen.

M^itzest Du beim Becher lvein,
Laß ihn gut Dir schmecken,
Laß Dich durch philisterei'n
vom Genuß nicht schrecken; —
Sieh Dir den philister anl
's ist ein altes Laster:
lvas er nicht vertragen kann
Alles das, — das haßt erl

NroWnn.


Sitzest Du beim Mägdelein,


lvarst Du sroh zu jeder Siund',

Laß nicht ab vom Aosen,
lvenn philister auch drob schrei'n

V

Laß Oich's nicht gereuen,
Rheinweinduft und Mädchenmund

V'/

Und sich arg erbosen; —

V/

ksalte stets in Treuen; —

/iV

Sieh Dir den j?hilister anl
's ist ein altes Laster;

/V

Und kommt dann die Stunde Dein,
lvo Du sie mußt laffen,

s

lvas er selbst nicht haben kann,
Alles das, — das haßt erl


wirst Du kein philister sein,
lvein und lveib nicht hassenll

Schmidt-Prinzl.

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Oesterreich-Ungarn für Herausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in lvien l.

Verlag von I. F Schreiber in Münchrn und Etzlingrn.
 
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