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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 45.1901 (Nr. 536-548)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16555#0085
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

8l

Der Sparklub.

Lokals geleitet worden, welche augenscheinlich bereits für etwa
ein Dutzend erwarteter Gäste hergerichtet war.

„Bringen Sie uns eine Flasche Lliquotl" — rief Graf R.
einem der befrackten Iünglinge zu, während wir ablegten und
unsere jdlätze wählten — „und stellen Sie die Bowle kaltl"

„Der Graf ist nämlich Sektsparer" — erläuterte S., zu mir
gewendet — „das ist eine Sxezialität von ihm."

„Ia, ich merke" — stimmte ich lachend zu.

„Lrlauben Sie, das ist ganz ernst gemeint" — begann nun
Gras K. — „Man muß die Sache nur vom richtigen Standpunkt
betrachten. wenn ich die schätzenswerte Gewohnheit habe, täg-
lich eine bestimmte Anzahl von Flaschen Sekt zu leeren, und
ich lege mir Sann sreiwillig die Lntsagung auf, diese Zahl
um eine zu vermindern, so erspare ich damit schlecht gerechnet

— das heißt: den Sekt schlecht gerechnet — eine Rrone den
Tag und kann mir davon ein erkleckliches Sümmchen zurückle-
gen, das mir bei außerordentlichen Anlässen sehr gelegen kommt.
bseute allerdings" — dabei nahm er dem herbeigeeilten Gany-
med die Flasche ab, entkorkte sie und süllte die Relchgläser —
„habe ich eigentlich meinen Ltat bereits erfüllt. Ich befinde
mich also in der angenehmen Lage" — er erhob, sich gegen uns
verneigend, das Glas mit dem perlenden weine — „heute ge-
wissermaßen von meinen Lrsparnissen zu leben."

„Line ganz vortreffliche Theorie" — entgegnete ich, ihm
Bescheid thuend — „um so vortrefflicher, als sie es gestattet,
ohne viele Mühe die Sparfähigkeit ins Unbegrenzte zu steigern,
ohne daß man es nötig hätte, darum seine Ausgaben zu ver-
ringern — auf dem einsachen und stets praktikablen wege der
Erhöhung seiner Ansxrüche."

„Sehen Sie wohl" — antwortete der Graf — „daß die
Sache etwas sür sich hat. Sie werden sich mit unseren Grund-
sätzen schon befreunden."

„Läßt fich denn überhaupt eine angenehmere Beschäftigung
denken" — bemerkte der Assessor — „als so nach des Tages
Last und bsitze in angenehmer Aühle beim Glas Lhampagner
zusammen zu sttzen und über die Theorie des Sxarens zu dis-
kutieren? Doch" — suhr er mit einem Blick auf die Uhr sort

— „es ist bald Rlubstunde, und ich will daher die Zeit be-
nützen, Dir einen kurzen Ueberblick über die Bestrebungen und
Prinzipien unseres vortresflichen vereins zu geben."

Seine Mitteilungen waren sür mich außerordentlich inte-
ressant. Da ich jedoch das Gleiche bei meinen geehrten Lesern
nicht vorauszusetzen wage, will ich auf deren wiedergabe ver-
zichten. A?ir hatten geraume Zeit so gesessen und waren be-
reits mit der zweiten Flasche, die Graf A. von seinen „Lrspar-
nissen" zum besten gab, fertig, als rasch hintereinander — es
hatte eben acht Uhr geschlagen — etwa sieben oder acht Mit-
glieder des Alubs ziemlich gleichzeitig eintraten und nach kurzer
Begrüßung mit einer gewissen ksast ihre Plätze einnahmen.

Da mir die meisten derselben wenigstens
vom Ansehen bekannt waren, machte die
Linführung keine weitere Schwierigkeit.

Bald nachdem wir nunmehr eine ge-
meinsame Tafelrunde gebildet
und die gewaltige Bowle
hatten auffahren las-
sen, erschien noch der
mir gleichfalls be-
kannte Baumeister
D., und nach wei-
teren süns Minuten
Bankier M. Dem
hier zu begegnen,
setzte mich allerdings,

obwohl ich mir vorgenommen hatte, mich über nichts mehr zu
wundern, etwas in Lrstaunen. M., der Mitinhaber einer sehr
renommierten Bankfirma, galt sür einen außerordentlich tüchtigen
und routinierten Geschäftsmann; man sagte ihm aber auch nach,
daß er es außerhalb des Lomptoirs ebenso meisterlich verstehe,
das verdiente Geld wieder unter die Leute zu bringen. Ich
konnte mich deshalb nicht enthalten, nach einiger Zeit an ihn
die Frage zu richten, was er denn eigentlich thue, um den
Sxarprinzipien des Alubs gerecht zu werden.

„Ia, wiffen Sie, verehrtester" — erwiderte M. mit über-
legenem Lächeln — „ich gehöre zu den wenigen, die nicht ge-
rade eine besondere Spezialität des Sparens betreiben. Ich
arbeite mehr im allgemeinen an der Ausbreitung unserer Grund-
sätze und versuche — wie ich wohl sagen darf, nicht ohne Lr-
solg — dieselben namentlich auch auf das Gebiet der volks-
wirtschaft und der Finanzgeschäste zu übertragen. Eben heute
zum Beispiel habe ich einen glänzenden Sieg sür unsere jdrinzi-
pien und nebenbei zugleich für mein Bankgeschäft ersochten."

„Und wie das? — wenn es kein Geheimnis ist —"

„D, durchaus nicht — von den Namen selbstverständlich
abgesehen. Ich habe soeben mit dem Magistrat einer jdrovin-
zialstadt ein Anlehen von drei Millionen Mark abgeschlossen,
obgleich die Leute eigentlich nur anderthalb Millionen brauchten
und haben wollten. Sie haben sich aber überzeugen lassen, daß
ich ihnen einen so kleinen Betrag nicht unter vier j?rozent Zin-
sen und ein jdrozent Amortisation geben kann, während ich bei
dem größeren es mit drei dreiviertel Prozent Zinsen und drei-
viertel jdrozent Amortisation thun will. Sie sparen also" —
nur die eigentümliche Betonung dieses NDortes und ein kaum
merkliches Zwinkern der Augen konnten in dem aufmerksamen
Beobachter einen Zweifel aufsteigen lassen, ob der Bankier in
vollem Lrnste spreche — „bei dem Geschäfte netto ein halb
jdrozent jährlich."

„Und was machen sie mit dem überflüssigen Gelde?" fragte
eines der jüngeren Mitglieder der Gesellschaft.

„Das ist doch meine Sorge nicht" — entgegnete m. trocken.

— „N)enn sie wollen, können sie es zu zweieinhalb jdrozent
bei mir stehen lassen; auf sechs Monate feft gebe ich ihnen so-
gar drei jdrozent."

„In der That kein übles Geschäft!" — lachte Assessor S.

— „Da können Sie es schon verschmerzen, daß die Bowle heute
allem Anscheine nach wohl an Ihnen hängen bleiben wird. —
Das ist nämlich" — wandte er sich erklärend an mich — „eine
der Finessen, die Graf A. uns herausphilosoxhiert hat. N?ir
zahlen nämlich hohe Rlubbeiträge — schon um dadnrch alle
Llemente sern zu halten, die nicht aus edler Begeisterung, son-
dern nur des schnöden Mammons willen sich dem Sparen er-
geben haben. Anfangs wurden die Bowlen, die wir bei unse-

ren wöchentlichen Zusammenkünften trinken, aus der Aasse
bczohlt, und die kann das eigentlich auch
ganz gut leiften. Da kam aber unser
Gras auf den glänzenden Gedanken,
daß doch der Klub selbst seinen Mit-
gliedern im Sxaren mit gutem
Beispiel vorangehen müsse.
Seitdem geben wir un-
sere Gelder auf Zin-
sen; die erste Bowle
bezahlt jedesmal der
Zuletztgekommene,
die solgenden wer-
den ausgeknobelt."

„Lseute scheine
ich es allerdings
 
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