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INeggendorfers ^umoristische Blätter.
Viston.
Cin Lchuhmann ist's, der stch ftreckt und gästnt.
k. 8otNl8.
Die (öänsekeberpasiete.
on Straßburg kam sie direkt, zwei Stunden zuvor war
die telegraphische Drdre von dorten gekommen, sie solle
bei Ankunst des Abendschnellzuges am Bahnhof in
Lmpfang genommen und unter allen Umständen sofort vertilgt
werden; sie sei unmittelbar vom Gfen in den Schnellzug befördert
worden. Guten Appetitl
Diese zarte Aufmerksamkeit ging von einem chreunde
der Familie aus, der kurze Zeit zuvor dieselbe in Lfeidelberg
besucht hatte.
bferr professor tvarten begab sich alsbald in höchst eigener
person zum Bahnhofe, nahm das stattliche Paket nach Ein-
treffen des Schnellzuges in Lmpfang und eilte damit seiner
wohnung zu. Ls machte ihm unterwegs den Lindruck, als ob
die Pastete noch ordentlich warm wäre. Abendessenszeit war
es auch, und so ist es begreiflich, daß Lferr lvarten sich in einer
außerordentlich angenehmen Gemütsstimmung befand, denn
derartigen Delikatessen ging er nicht gerne aus dem N)ege.
Seine Frau begrüßte ihn herzlich und dankte ihm für diesen
Gang.
Als das Aistchen sorgfältig ausgepackt war, entströmte der
stattlichen pastete ein herrlicher wohlgeruch; und groß war
sie auch — sehr großl —
Nun hätte es nach dem Sinne des edlen Sxenders sogleich
los gehen müffenl Den beiden frischen, im Lppigsten lvachs-
tum besindlichen Sxroffen traten ordentlich die Augen aus ihren
Lföhlen. Da fiel es dem beglückten vater auf, daß seine gute
Frau ein den Umständen durchaus nicht entsprechendes, merk-
würdig nachdenkliches Gesicht machte. Sie hatte in ihrem weit-
verzweigten Freundeskreise den Ruf einer äußerst tüchtigen und
praktischen bfausfrau.
„Ligentlich ist es doch schade, einen solchen Leckerbissen im
engsten Familienkreise zu verzehrenl Da könnte man doch etwas
damit abmachenl" meinte sie.
„Aber die Pastete verlöre bei jedem noch so kurzen Auf-
schub entschieden an lvohlgeschmack," beeilte sich der professor
zu entgegnen, „und außerdem lautet, das weißt Du ja, die
ausdrückliche Bestimmung, daß sie sofort vertilgt werden müsfel
Dies muß uns heilig seinl"
„Ach, die kann man wieder aufwärmen, dann ist sie gerade
so gut," hieß es, „wir laden auf übermorgen einige Gäste ein,
denen wir es schuldig sind, und da haben wir eine sehr hübsche
lNenunummer."
Richtigl Die Gäste werden eingeladen; einige sagten zu,
die andern, für welche dieser Leckerbisfen hauptsächlich berechnet
war, waren schon vergeben. „lvir wollen sie lieber noch auf-
heben, auf ein paar Tage wird es ja nicht ankommen," be-
stimmte sie.
Zwei Tage sxäter, an einem Donnerstage, erschienen wieder
andere, die eigentlichen Gäste, die der pastete endlich würdig
befunden worden waren. Alles war sehr vergnügt, die Aüche
vortrefflich. Der Ljausvater freute sich im stillen schon auf
den Moment, wo der Glanzpunkt des Abends, die Gänseleber-
pastete, sollte serviert werden. Doch was war das? Gang für
Gang nach dem andern ging vorüber. Lauter andere Lachenl
Lr durchbohrte seine ihm schräg gegenübersitzende Frau ordent-
lich mit seinen fragenden Blicken, allein dieselbe machte das
unschuldigste Gesicht von der lvelt.
„Aber, nimm es mir nicht übel, was war denn das schon
wieder für eine Geschichte? lvo blieb denn unsere Pastete?"
rief er, als die letzten Gäste sich entfernt hatten, voller Lnt-
rüstung.
„Ia, weißt Du, ich hatte ganz vergessen, Dir vorher zu
sagen, daß wir am nächsten Sonntag das Glück haben werden,
Geheimrat von Gurmanns bei uns zu sehen, und die wissen
so etwas am allerbesten zu würdigen. Da laden wir noch einige
Gleichgesinnte dazu."
„Ia, Kind, bist Du verrückt? Abermals drei Tage warten,
da ist ja die ganze pastete durch und durch kaputl"
„Das glaube ich nicht, es ist ja so kalt draußen, da verdirbt
nichts." Sie wurde auch thatsächlich von einem Drt zum andern
getragen, immer dorthin, wo man glaubte, daß es am kühlsten sei.
Die gute Frau war durch nichts aus dem Gleichgewicht
zu bringen, während der gewiffenhafte kfausvater immer be-
sorgter wurde. Lr sah ja, wie von Tag zu Tag die äußere
Gestalt des fraglichen Vbjektes sich veränderte; er sah ordent-
lich durch die Rinde durch in die Lingeweide und — es grauste
ihm ob der bevorstehenden Blamage. Ruhelos irrt er einher,
bis er xlötzlich, wie von einer Lingebung erleuchtet, sich an
seinen Schreibtisch setzt, einige Zeilen schreibt, auf die Uhr sieht,
weggeht, um bald darauf ganz harmlos und wie es schien,
beruhigt wieder zurückzukehren. Der armen Frau fiel ordent-
lich ein Stein vom kjerzen, daß nun das ewige Lamento mit
der Pastete endlich einmal aufhörte.
Am Sonntag Abend verschwand der profeffor ganz heimlich
aus seiner kvohnung, und kehrte etwa eine halbe Stunde, ehe
INeggendorfers ^umoristische Blätter.
Viston.
Cin Lchuhmann ist's, der stch ftreckt und gästnt.
k. 8otNl8.
Die (öänsekeberpasiete.
on Straßburg kam sie direkt, zwei Stunden zuvor war
die telegraphische Drdre von dorten gekommen, sie solle
bei Ankunst des Abendschnellzuges am Bahnhof in
Lmpfang genommen und unter allen Umständen sofort vertilgt
werden; sie sei unmittelbar vom Gfen in den Schnellzug befördert
worden. Guten Appetitl
Diese zarte Aufmerksamkeit ging von einem chreunde
der Familie aus, der kurze Zeit zuvor dieselbe in Lfeidelberg
besucht hatte.
bferr professor tvarten begab sich alsbald in höchst eigener
person zum Bahnhofe, nahm das stattliche Paket nach Ein-
treffen des Schnellzuges in Lmpfang und eilte damit seiner
wohnung zu. Ls machte ihm unterwegs den Lindruck, als ob
die Pastete noch ordentlich warm wäre. Abendessenszeit war
es auch, und so ist es begreiflich, daß Lferr lvarten sich in einer
außerordentlich angenehmen Gemütsstimmung befand, denn
derartigen Delikatessen ging er nicht gerne aus dem N)ege.
Seine Frau begrüßte ihn herzlich und dankte ihm für diesen
Gang.
Als das Aistchen sorgfältig ausgepackt war, entströmte der
stattlichen pastete ein herrlicher wohlgeruch; und groß war
sie auch — sehr großl —
Nun hätte es nach dem Sinne des edlen Sxenders sogleich
los gehen müffenl Den beiden frischen, im Lppigsten lvachs-
tum besindlichen Sxroffen traten ordentlich die Augen aus ihren
Lföhlen. Da fiel es dem beglückten vater auf, daß seine gute
Frau ein den Umständen durchaus nicht entsprechendes, merk-
würdig nachdenkliches Gesicht machte. Sie hatte in ihrem weit-
verzweigten Freundeskreise den Ruf einer äußerst tüchtigen und
praktischen bfausfrau.
„Ligentlich ist es doch schade, einen solchen Leckerbissen im
engsten Familienkreise zu verzehrenl Da könnte man doch etwas
damit abmachenl" meinte sie.
„Aber die Pastete verlöre bei jedem noch so kurzen Auf-
schub entschieden an lvohlgeschmack," beeilte sich der professor
zu entgegnen, „und außerdem lautet, das weißt Du ja, die
ausdrückliche Bestimmung, daß sie sofort vertilgt werden müsfel
Dies muß uns heilig seinl"
„Ach, die kann man wieder aufwärmen, dann ist sie gerade
so gut," hieß es, „wir laden auf übermorgen einige Gäste ein,
denen wir es schuldig sind, und da haben wir eine sehr hübsche
lNenunummer."
Richtigl Die Gäste werden eingeladen; einige sagten zu,
die andern, für welche dieser Leckerbisfen hauptsächlich berechnet
war, waren schon vergeben. „lvir wollen sie lieber noch auf-
heben, auf ein paar Tage wird es ja nicht ankommen," be-
stimmte sie.
Zwei Tage sxäter, an einem Donnerstage, erschienen wieder
andere, die eigentlichen Gäste, die der pastete endlich würdig
befunden worden waren. Alles war sehr vergnügt, die Aüche
vortrefflich. Der Ljausvater freute sich im stillen schon auf
den Moment, wo der Glanzpunkt des Abends, die Gänseleber-
pastete, sollte serviert werden. Doch was war das? Gang für
Gang nach dem andern ging vorüber. Lauter andere Lachenl
Lr durchbohrte seine ihm schräg gegenübersitzende Frau ordent-
lich mit seinen fragenden Blicken, allein dieselbe machte das
unschuldigste Gesicht von der lvelt.
„Aber, nimm es mir nicht übel, was war denn das schon
wieder für eine Geschichte? lvo blieb denn unsere Pastete?"
rief er, als die letzten Gäste sich entfernt hatten, voller Lnt-
rüstung.
„Ia, weißt Du, ich hatte ganz vergessen, Dir vorher zu
sagen, daß wir am nächsten Sonntag das Glück haben werden,
Geheimrat von Gurmanns bei uns zu sehen, und die wissen
so etwas am allerbesten zu würdigen. Da laden wir noch einige
Gleichgesinnte dazu."
„Ia, Kind, bist Du verrückt? Abermals drei Tage warten,
da ist ja die ganze pastete durch und durch kaputl"
„Das glaube ich nicht, es ist ja so kalt draußen, da verdirbt
nichts." Sie wurde auch thatsächlich von einem Drt zum andern
getragen, immer dorthin, wo man glaubte, daß es am kühlsten sei.
Die gute Frau war durch nichts aus dem Gleichgewicht
zu bringen, während der gewiffenhafte kfausvater immer be-
sorgter wurde. Lr sah ja, wie von Tag zu Tag die äußere
Gestalt des fraglichen Vbjektes sich veränderte; er sah ordent-
lich durch die Rinde durch in die Lingeweide und — es grauste
ihm ob der bevorstehenden Blamage. Ruhelos irrt er einher,
bis er xlötzlich, wie von einer Lingebung erleuchtet, sich an
seinen Schreibtisch setzt, einige Zeilen schreibt, auf die Uhr sieht,
weggeht, um bald darauf ganz harmlos und wie es schien,
beruhigt wieder zurückzukehren. Der armen Frau fiel ordent-
lich ein Stein vom kjerzen, daß nun das ewige Lamento mit
der Pastete endlich einmal aufhörte.
Am Sonntag Abend verschwand der profeffor ganz heimlich
aus seiner kvohnung, und kehrte etwa eine halbe Stunde, ehe