Meggendorfers Humoristische Blätter.
soziale Frage lösen? Soll mir lieb sein. Schießen Sie einmal
los, wie wollen Sie denn die Geschichte machen?"
„Lrhabener Sultan," erwiderte vr. Flirt, „nichts einfacher
als das. Die gewöhnliche Methode, die Lösung der Frage zu
versuchen, gefällt sich darin, dem Recext einer alle befriedigenden
Güterverteilung nachzuforschen. Dieses Recext ist unauffindbar,
wenigstens für den gegenwärtigen Standxunkt unserer wissen°
schaft und Lntwicklung. wir Menschen find wohl nicht reif
genug für einen Zustand idealer Gleichheit. Nur ein verfah-
ren, wie das meine, ist im stande, Ihren wünschen zu dienen."
„lvorin besteht Ihre Methode?"
„Merken Sie auf, erhabener kserrscher und edle Lserren des
hohen Rates l Sie alle wisfen," fuhr Or. Flirt fort, „daß auf
Lrden alles eitel ist. Alle irdischen Genüsse sind leere Linbildung."
„Sehr richtig," bemerkte der Sultan, während der vezier
mit etwas skextischem Blick seinen Schmeerbauch betrachtete.
„was macht es im Grunde genommen aus," docierte Or.
Flirt, „ob wir in einer villa oder in einer Lsütte wohnen, wenn
wir uns nur einbilden, daß das erstere der Fall ist. wer ist
glücklicher, der Millionär, der an der fixen Idee leidet, er sei
ein Arbeitsxferd und müsfe im Stalle kampieren, oder der Tag-
löhner, der an Größenwahn leidend, sich einbildet, er sei ein
Graf und wohne in einem Schlosse?"
„Der Taglöhner," riefen gleichzeitig der Sultan, der vezier
und die Ratsmitglieder.
„Ich sollte es meinen. was helfen dem Millionär seine
Austern, wenn er sie für Kartoffelschalen ißt? Ist gegen ihn
der Taglöhner nicht glücklich, der sich einbildet, Austern zu
effen, wenn er Kartoffeln versxeist ? Ls kommt im Leben weni-
ger auf das an, was wir in wirklichkeit sind, als auf das, was
wir uns einbilden, zu sein; die Linbildung bedingt unser Glück,
nicht die wirklichkeit. Die Lsauptsache ist, daß wir zufrieden
find. Der thatsächliche Zustand ift nebensächlich, denn was nützen
uns alle Güter der Lrde, wenn wir uns nicht wohl in ihrem
Besitze fühlen?"
„Sehr wahr," nickte der Sultan.
„Der Unterschied zwischen einer Auster und einer Kartof-
fel," sxrach der Amerikaner weiter, „ist ein rein imaginärer.
Man sorge dafür, daß das volk Kartosfeln lieber ißt als Austern,
und es xfeift auf sie; oder daß es seine Lichorie für Kakao
trinkt, und es wird nicht mehr nach Kakao verlangen."
Der Sultan lachte. „Mir scheint, lieber Doktor, Sie treffen
wirklich den Nagel auf den Roxf. Die Schwierigkeit ist nur,
das kleine Kunststück, das Sie mir da andeuten, zuwege zu
bringen."
„Ich bringe es zuwege," rief vr. Flirt eifrig. „Ich mache
Ihr volk zufrieden — was wollen Sie mehr? Geben Sie
jedem Ihrer Unterthanen einen palast, eine jährliche Rente
von tvooo Dollars und ;oo Acker Land,
und Sie haben die soziale Frage trotz-
dem nicht gelöst, sobald Ihre Unter-
thanen nicht zugleich zufrieden gewor-
den sind."
„wollen Sie meine Unterthanen
dahin bringen, daß sie wasfer für
Lhampagner trinken?"
„Das will ich, großer Sultan.
Ich bin Ulagnetiseur und Hyp-
notiseur, aber keiner der gewöhn-
lichen Sorte. Ls ist mir ge°
lungen, das S^stem der Sug-
gestion zur höchsten vollkommen-
heit auszubilden. Kraft meines
verfahrens bin ich im stande,
jeden Menschen dahin zu bringen, daß er seine kfütte für ein
Schloß, sich selbst für einen Staatswürdenträger, seinen zerlumx-
ten Leinenanzug für ein Staatsgewand HLlt. Nicht nur das;
er sieht auch in allen anderen dasselbe; alle Dinge erscheinen
ihm im rosigsten Lichte. Lr fürchtet weder den Tod, noch hegt er
je revolutionäre Gedanken. Lr ißt trockenes Brot und glaubt,
es sei das köstlichste Gebäck. Lr trinkt Dünnbier für wein und
sieht einen Groschen für ein Goldstück an."
„Ljerrlich, göttlich l" rief der Sultan. Alle Ratsmitglieder
klatschten entzückt in die kfände.
„Nur ein Bedenken," ergriff der kjerrscher xlötzlich das
wort: „Mein volk ist nicht klein, es zählt nach Millionen.
wann wollen Sie da in aller welt fertig werden?"
vr. Flirt schüttelte lächelnd das Ljaupt und erklärte: „Ich
hege durchaus nicht die Absicht, das gesammte volk zu hyxno-
tisieren. Ich besitze die Gabe, meine Methode in wenigen Stun-
den so vielen personen zu lehren, als Sie, großer Sultan, be-
fehlen. Diese übernehmen sodann die allgemeine Suggestion
dergestalt, daß auf je tausend Linwohner ein staatlich mit festem
Gehalt angestellter kfypnotiseur kommt."
„Und wie lange hält die erweckte vorstellung an?"
„Der suggestive Zustand währt etwa eine woche; nicht
kürzer, eher länger. Daher genügt es, wenn die kfyxnose an
jedem Linwohner, ohne Unterschied des Alters und Geschlechts,
— nur mit Ausnahme der Kinder unter zehn Iahren — alle
sieben Tage einmal vorgenommen wird, der Suggestionszwang
wird gesetzlich eingeführt, wie jetzt der Schulzwang. Ieder
Staatsbürger läßt sich dann alle wochen einmal hyxnotisieren,
wie er sich jetzt rasieren oder frisieren läßt."
„Aönnen wir ein probeexxeriment sehen?" fragte der
Sultan.
„Auf der Stelle. Bitte lasfen Sie mir nur einen wasch-
echten Rexublikaner und einen Aermsten der Armen besorgen,
so sollen Sie bald Ihr blaues wunder erleben."
Sofort gab der Sultan Befehl, die Gewünschten zur Stelle
zu schaffen. wenige Minuten später brachte man vor die er-
lauchte Versammlung einen Mann, dem der Männerstolz vor
Aönigsthronen im Antlitz geschrieben stand und dem der Glanz
des ksofes nicht mehr imponierte, wie einem Gourmand ein
Butterbrot mit Dünnbier.
Der Amerikaner betrachtete ihn genau. „Ls ist der rechte,"
sagte er endlich. „Trägt keinen Frack, stiert so finster wie der
zürnende Iuxiter und leidet an xermanentem kfexenschuß im
Rückgrat. passen Sie auf, meine kferrenl"
Damit trat er auf den Republikaner zu und begann:
„Mein kserr, darf ich mir die Frage erlauben, welchem Be-
ruf Sie angehören?"
„Ich bin Arbeiter," erwiderte der Rexublikaner.
.,Das sind wir alle."
„Alle, die wir etwas thun-"
„Sie haben recht — nur die Art
der Arbeit ist verschieden."
„Und der Lohn. Lr wird nicht denen
zu teil, welche ihn verdienen. Die
kapitalistische produktionsweise . . . ."
Or. Flirt unterbrach ihn. „Dort
ist der Sultan," sagte er, auf den
Sultan deutend.
„Dem Verdienste die Krone,"
beharrte eisern der Republi-
kaner.
„Rein Zweifel," bemerkte
Or. Flirt siegesgewiß, „er ist
waschecht. verehrteHerrschaften,
soziale Frage lösen? Soll mir lieb sein. Schießen Sie einmal
los, wie wollen Sie denn die Geschichte machen?"
„Lrhabener Sultan," erwiderte vr. Flirt, „nichts einfacher
als das. Die gewöhnliche Methode, die Lösung der Frage zu
versuchen, gefällt sich darin, dem Recext einer alle befriedigenden
Güterverteilung nachzuforschen. Dieses Recext ist unauffindbar,
wenigstens für den gegenwärtigen Standxunkt unserer wissen°
schaft und Lntwicklung. wir Menschen find wohl nicht reif
genug für einen Zustand idealer Gleichheit. Nur ein verfah-
ren, wie das meine, ist im stande, Ihren wünschen zu dienen."
„lvorin besteht Ihre Methode?"
„Merken Sie auf, erhabener kserrscher und edle Lserren des
hohen Rates l Sie alle wisfen," fuhr Or. Flirt fort, „daß auf
Lrden alles eitel ist. Alle irdischen Genüsse sind leere Linbildung."
„Sehr richtig," bemerkte der Sultan, während der vezier
mit etwas skextischem Blick seinen Schmeerbauch betrachtete.
„was macht es im Grunde genommen aus," docierte Or.
Flirt, „ob wir in einer villa oder in einer Lsütte wohnen, wenn
wir uns nur einbilden, daß das erstere der Fall ist. wer ist
glücklicher, der Millionär, der an der fixen Idee leidet, er sei
ein Arbeitsxferd und müsfe im Stalle kampieren, oder der Tag-
löhner, der an Größenwahn leidend, sich einbildet, er sei ein
Graf und wohne in einem Schlosse?"
„Der Taglöhner," riefen gleichzeitig der Sultan, der vezier
und die Ratsmitglieder.
„Ich sollte es meinen. was helfen dem Millionär seine
Austern, wenn er sie für Kartoffelschalen ißt? Ist gegen ihn
der Taglöhner nicht glücklich, der sich einbildet, Austern zu
effen, wenn er Kartoffeln versxeist ? Ls kommt im Leben weni-
ger auf das an, was wir in wirklichkeit sind, als auf das, was
wir uns einbilden, zu sein; die Linbildung bedingt unser Glück,
nicht die wirklichkeit. Die Lsauptsache ist, daß wir zufrieden
find. Der thatsächliche Zustand ift nebensächlich, denn was nützen
uns alle Güter der Lrde, wenn wir uns nicht wohl in ihrem
Besitze fühlen?"
„Sehr wahr," nickte der Sultan.
„Der Unterschied zwischen einer Auster und einer Kartof-
fel," sxrach der Amerikaner weiter, „ist ein rein imaginärer.
Man sorge dafür, daß das volk Kartosfeln lieber ißt als Austern,
und es xfeift auf sie; oder daß es seine Lichorie für Kakao
trinkt, und es wird nicht mehr nach Kakao verlangen."
Der Sultan lachte. „Mir scheint, lieber Doktor, Sie treffen
wirklich den Nagel auf den Roxf. Die Schwierigkeit ist nur,
das kleine Kunststück, das Sie mir da andeuten, zuwege zu
bringen."
„Ich bringe es zuwege," rief vr. Flirt eifrig. „Ich mache
Ihr volk zufrieden — was wollen Sie mehr? Geben Sie
jedem Ihrer Unterthanen einen palast, eine jährliche Rente
von tvooo Dollars und ;oo Acker Land,
und Sie haben die soziale Frage trotz-
dem nicht gelöst, sobald Ihre Unter-
thanen nicht zugleich zufrieden gewor-
den sind."
„wollen Sie meine Unterthanen
dahin bringen, daß sie wasfer für
Lhampagner trinken?"
„Das will ich, großer Sultan.
Ich bin Ulagnetiseur und Hyp-
notiseur, aber keiner der gewöhn-
lichen Sorte. Ls ist mir ge°
lungen, das S^stem der Sug-
gestion zur höchsten vollkommen-
heit auszubilden. Kraft meines
verfahrens bin ich im stande,
jeden Menschen dahin zu bringen, daß er seine kfütte für ein
Schloß, sich selbst für einen Staatswürdenträger, seinen zerlumx-
ten Leinenanzug für ein Staatsgewand HLlt. Nicht nur das;
er sieht auch in allen anderen dasselbe; alle Dinge erscheinen
ihm im rosigsten Lichte. Lr fürchtet weder den Tod, noch hegt er
je revolutionäre Gedanken. Lr ißt trockenes Brot und glaubt,
es sei das köstlichste Gebäck. Lr trinkt Dünnbier für wein und
sieht einen Groschen für ein Goldstück an."
„Ljerrlich, göttlich l" rief der Sultan. Alle Ratsmitglieder
klatschten entzückt in die kfände.
„Nur ein Bedenken," ergriff der kjerrscher xlötzlich das
wort: „Mein volk ist nicht klein, es zählt nach Millionen.
wann wollen Sie da in aller welt fertig werden?"
vr. Flirt schüttelte lächelnd das Ljaupt und erklärte: „Ich
hege durchaus nicht die Absicht, das gesammte volk zu hyxno-
tisieren. Ich besitze die Gabe, meine Methode in wenigen Stun-
den so vielen personen zu lehren, als Sie, großer Sultan, be-
fehlen. Diese übernehmen sodann die allgemeine Suggestion
dergestalt, daß auf je tausend Linwohner ein staatlich mit festem
Gehalt angestellter kfypnotiseur kommt."
„Und wie lange hält die erweckte vorstellung an?"
„Der suggestive Zustand währt etwa eine woche; nicht
kürzer, eher länger. Daher genügt es, wenn die kfyxnose an
jedem Linwohner, ohne Unterschied des Alters und Geschlechts,
— nur mit Ausnahme der Kinder unter zehn Iahren — alle
sieben Tage einmal vorgenommen wird, der Suggestionszwang
wird gesetzlich eingeführt, wie jetzt der Schulzwang. Ieder
Staatsbürger läßt sich dann alle wochen einmal hyxnotisieren,
wie er sich jetzt rasieren oder frisieren läßt."
„Aönnen wir ein probeexxeriment sehen?" fragte der
Sultan.
„Auf der Stelle. Bitte lasfen Sie mir nur einen wasch-
echten Rexublikaner und einen Aermsten der Armen besorgen,
so sollen Sie bald Ihr blaues wunder erleben."
Sofort gab der Sultan Befehl, die Gewünschten zur Stelle
zu schaffen. wenige Minuten später brachte man vor die er-
lauchte Versammlung einen Mann, dem der Männerstolz vor
Aönigsthronen im Antlitz geschrieben stand und dem der Glanz
des ksofes nicht mehr imponierte, wie einem Gourmand ein
Butterbrot mit Dünnbier.
Der Amerikaner betrachtete ihn genau. „Ls ist der rechte,"
sagte er endlich. „Trägt keinen Frack, stiert so finster wie der
zürnende Iuxiter und leidet an xermanentem kfexenschuß im
Rückgrat. passen Sie auf, meine kferrenl"
Damit trat er auf den Republikaner zu und begann:
„Mein kserr, darf ich mir die Frage erlauben, welchem Be-
ruf Sie angehören?"
„Ich bin Arbeiter," erwiderte der Rexublikaner.
.,Das sind wir alle."
„Alle, die wir etwas thun-"
„Sie haben recht — nur die Art
der Arbeit ist verschieden."
„Und der Lohn. Lr wird nicht denen
zu teil, welche ihn verdienen. Die
kapitalistische produktionsweise . . . ."
Or. Flirt unterbrach ihn. „Dort
ist der Sultan," sagte er, auf den
Sultan deutend.
„Dem Verdienste die Krone,"
beharrte eisern der Republi-
kaner.
„Rein Zweifel," bemerkte
Or. Flirt siegesgewiß, „er ist
waschecht. verehrteHerrschaften,