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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 45.1901 (Nr. 536-548)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16555#0148
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Neggendorsers Humoristische Blätter.


er mit den kleinen rosigen ksänden an den Bettbändern herum,
und schließlich bekam er die zwischen den Rissen steckende Flasche
zu xacken. Natürlich war ihm seine Nilchflasche bekannt, und
so war er eifrigst bestrebt, sie dem Munde zuzusühren. Lr griss
an dem Gummisauger und zog und zerrte mit allen Nräften.
Aber dieser unglückselige Sauger war nicht allzu sest an der
Flasche, so daß er nachgab, bis ihn Fritzchen xlötzlich in der
ksand hatte und dann sofort in den Mund steckte. Raum war
aber die Flasche offen, so lief die Milch langsam heraus und
ergoß sich über Fritzchens Kiffen. Anfangs merkte das Rerlchen
nichts von der Nässe; als aber die Flasche leer und sein Ropf-
kiffen xatschnaß war, da begann er erbärmlich zu schreien.

Und nun erwachte Lies und sah die Bescherung.

Lntsetzt sprang sie aus und drehte das Rissen um.

Aber Fritzchen brüllte unentwegt weiter, denn sein ksemd-
chen war auch mit Nulch getränkt.

Nun hätte ja Lies, praktisch wie sie war, dem Rleinen auch
gern sofort ein trockenes Lsemdchen angezogen, aber leider wußte
sie nicht, wo die Rinderwäsche lag, und deshalb lief sie hurtig
hinaus, um den Franz zu rufen.

Inzwischen aber kam die lNutter, und als sie ihren Iüng-
sten in der versassung mutterseelenallein fand, wurde sie sehr
zornig und schalt auf den unzuverlässigen Franz.

Füns Minuten später kamen auch die beiden Rinder. Aber
als Lies die lNutter sah, nahm sie Reißaus und ließ den Franz
die Geschichte allein ausbaden.

Der stand nun da wie ein echter armer Sünder und wagte
nun kein lvort zu seiner Lntschuldigung zu sagen.

Aber die lNutter that ihm nichts, sie drohte nur: „lVart',
wenn heut' Abend der vater heim kommt, dann sollst Du schon
Deine kfaue kriegenl"

Und das war nun auch gerade Drohung genug für den
kleinen Schelm, denn nun wußte er, was ihm bevorstand: wo
vaters Faust hinsauste, da gab es blaue Fleckenl

Ganz kleinmütig und verzagt schlich er von dannen. Nun
waren ihm die Gedanken zum Spiel vergangen. Der Vorgeschmack
deffen, was er zu erwarten hatte, ließ keinen Frohsinn mehr
auskommen.

Lr setzte sich in eine Ecke und überdachte, was nun zu
thun sei.

lVas aber sollte er thun, den Zorn des Vaters zu be-
schwichtigen?

Lr sann und grübelte, erwog dies und das, verwarf es
aber sogleich wieder als zwecklos.

So lies er den ganzen Tag im lfause herum, ließ sich vor
keinem Menschen sehen, und kam sogar nicht zum Abendessen,
trotzdem der vater noch nicht daheim war.

Und dann, spät abends, kam er endlich aus eine Idee, die
er für die letzte Rettung hielt.

Lr wußte, daß der vater außerordentlich viel aus blanke
Stiefel gab. ksieraus baute er seine lsoffnung.

Und dann machte er sich ganz heimlich dabei, suchte alles
Schuhwerk, altes und neues, das im ksause zu sinden war, zu°
sammen, und begann alle diese Schuhe, die des Vaters, die der
lNutter, wie auch seine eigenen, zu putzen, — und so arbeitete
er im Schweiße seines Angesichts, bis die acht j?aar Stiefel
blitzblank gewichst waren.

Und als dies geschehen, entkleidete er sich, legte sich ins
Bett und stellte alle acht j)aar blanke Schuhe nebeneinander

auf seiner Zudecke auf, denn er sagte sich, daß der vater, sobald
er abends heim kam, ja an sein Bett treten und ihn xrügeln
würde; die blank gewichsten Schuhe aber sollten seinen Zorn
dämxfen.

lNit diesem Trost entschlummerte Franz Lsuber.

Line Stunde sxäter kam der Vater. Lr kam auch richtig
an des Anaben Bett, um ihn zu bestrasen.

Aber als er auf dem Bett die j)arade der blankgewichsten
Stiesel und mitten darin das glücklich lächelnde Gesicht seines
schlasenden Iungen sah, da verging ihm die Lust hiezu.

Lr lächelte still beglückt und verzieh ihin diesmal.

(Mck der Dumncheit.

as ist das Glück der Dummheit eben,

Daß sie sich keine Skruxel macht;

Am glücklichsten verbringt das Leben,
lver nie darüber nachgedacht. W.

Voshaft.

Freundin: „Denke Dir, meine verstorbene Tante hat ihr ganzes
Vermögen einer Stiftung für alte Iungfern vermachtl"

— „Da hat sie also doch an Dich gedachtl"

Zeim Zuwelier.

verantwortlicher Redakteur: lNax Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Mesterreich-Ungarn für Herausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in Ivien I
Verlag von I. F. Schreibrr in München und Etzlingen.
 
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