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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 45.1901 (Nr. 536-548)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16555#0160
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s56

Meggendorfers L)umoristische Blätter.


„Ia, Sie verzeihen," entgegne ich, „ich komme wegen des
Briefes, wegen der Annonce."

„Ganz recht, ganz recht; es freut mich, Sie xersönlich ken-
nen zu lernen, Sie haben einen sehr guten Lindruck auf mich
gemacht."

„Sehr schmeichelhaft für mich," erwiderte ich verwirrt.

„Aeine Ursache, übrigens meine Tochter, die doch auch mit-
zureden hat, ist ganz derselben Neinung, ja, ja."

„Aber Papa," und tiefes Trröten folgt diesen Worten.

„Nun ja, sehen Sie junger Freund, ich werde alt und muß
die Ljauptarbeit auf junge Schultern übertragen."

„Ganz recht," bemerkte ich verwirrt — mir wird ganz heiß.

„Die Lrkundigungen, welche ich über Sie eingezogen habe,
lauten recht günstig, und diese veranlaßten mich auch, Ihr Inse-
rat zu beantworten, . . übrigens meine kleine Geschäftsführerin
hat es gethan."

„verzeihen Sie, werter kjerr, die Sache muß ja aufgeklärt
werden, ich bin nicht der, den Sie denken, vor sich zu haben,
das ist mein Freund."

Das Staunen war nun auf Seite von Vater und Tochter.

„Ia, junger Mann, wie kommen Sie denn hierher?"

„Mein Freund ist leider verhindert, es liegen noch ver-
schiedene Gfferten vor, er wußte nicht, welches die richtige ist,
und hat jetzt ein anderes Rendezvous."

„Rendezvousl ich verstehe nicht, Sie scherzen wohl. Und
dabei so gute Zeugnissel"

„lNein Herr, das hätte ich von Ihnen nicht erwartet, mich
so zu kompromittieren," und schluchzend eilte das Töchterchen
zur Stube hinaus.

Die Sache war bald aufgeklärt. Der Brief hatte mit un-

serem Inserat gar nichts zu thun. Der kserr wollte einen Ge-
schäftsführer engagieren, und bei der Aufschrift hatte das Töch-
terchen versehentlich 23 statt 32 geschrieben.

An mir war es nun, mich geschickt aus der Affaire zu
ziehen, und dies that ich am leichtesten, indem ich der Einlad-
ung des jovialen alten Lserrn zu einem Glase wein folgte,
gleichsam, um die Angst herunterzuspülen, wie er scherzhaft
äußerte. Rlein Llschen kam mit verweinten Augen auch bald
wieder herein, und lachte schließlich herzlich mit über die tolle
verwechslung. Lfierbei merkte ich, daß sie reizend lachen konnte,
an ihr war überhaupt alles reizend, und da sie, wie sie jetzt
behauptete, mich auch „schrecklich reizend" sand, habe ich sie als
liebes, herziges Frauchen heimgeführt. wer es nicht glaubt,
möge sie selbst fragen.

Doch da hätte ich bald meinen Freund vergessen. — Als
ich mich so um ein Uhr herum von meinem zukünftigen Frauchen
und Schwiegerpapa verabschiedete, ging ich an die ksauptxost.
Niemand war zu sehen. Zu Ljause saß mein Freund ganz ge-
knickt auf dem Ranaxee.

„Nun hast du deinen Stern nicht getroffen?"

„Gh, doch l" entgegnete er zerknirrscht.

„was für einen Lindruck hat sie denn auf dich gemacht?"

„Tinen sehr noblen Lindruck, sie ist im kjotel „preußer"
^ — Zimmennädchen."

„Gerechter L^immell" Aufrichtiges Mitleid erfaßte mich,

! als ich den armen Rerl sitzen sah. — Da war ich doch beffer
j weggekommen.

Mein Freund, welcher jetzt auch glücklich verheiratet ist
behauptet übrigens, allein das große Los gezogen zu haben
Er hat sich also getröstet, und das ist ja die Lsauptsache.

Aloderner Zagdwagen.

Aufl zur fröhlichen Iagdl

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber, Druck von I. F. Schreiber, beide in'Eßlingen bei Stuttgart.
In Gesterreich-Ungarn für Herausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien l.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingen.
 
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