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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 46.1901 (Nr. 549-561)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16556#0100
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rlc e g g e n d o r f e r s I) u in o r i sl i s ch e Blä 11 er


Ivie er sein Unternehinen zuin Ziel führte, hat er nicht
erzählt, qenng, er kain nach kurzer Zeit mit einer aroßen Aus-
wahl weiblicher Toilettegegenstände, dic er jetzt vor dein jdro-
fessor ausbreitcte, jcdes einzelne!?tück nach scinen Vuantitäten
und Tualitäten in der koinischten !1?cise anpreisend.

Unterdessen hatte sich das U?etter verzogen, und eine pracht-
volle Aussicht that sich durch die geöffneten Fcnfter auf; Dia-
inanten gleich blitzten die Aegentropfen auf den grünen Matten,
die noch vor kurzein voin s-turin geschütteltcn Väuinc neigten
leise ihre UApfel, in checken und Gefträuchern regten sich wieder
die gefiederten Bewohner und ein erfrischender Luftstroin ver-
drängte die drückende Schwüle, die in den Räuinen des lhauses lag.

Der Doktor hatte für einen Augenblick seine Gäste ver-
lassen und war vor die Gartenthüre getreten, uin die Verwüst-
ungen des 5turmes zu besichtigen. Er hatte sich bereits an
den Gedanken gewöhnt, so viele Gäste iin chause zu haben und
berechnete seine Rorräte und deren Lrgänzung. Das Bewußt-
sein wieder einmal eine verständnisvolle Umgebung bei sich zu
wissen, erfaßte ihn so mächtig, daß er vergnügt die chände rieb.
In seinem in sich gekehrten Rergnügtsein bemerkte er nicht
eine Gesellschaft von vier Lserren, die sich ihm nahte. „Ach,"
hörte er plötzlich im vertranlichen Ton rufen, „freut mich 5ie
zu 6ause zu finden, lieber Doktor!"

Ueberrascht schaute der Doktor den 5precher an, der ihm
völlig unbekannt war.

„Aennen uns ja," fuhr dieser unbekümmert fort, „haben
uns ja vor sechs Iahren an der Table d'hote in Aarlsbad ge-
troffen, mein Name sdaschwitz, chauptmann außer Dienst, er-
laube mir, meine Freunde vorzustellen, hier jdrofessor chofmann,
hier fdrofessor 5chuhmann und hier Professor 5chwarz, haben
von Ihrem Gräberfund gelesen, wollen die Ferien benützen,
den Nachgrabungen beizuwohnen, und bitten, uns einige Tage
Unterkunft zu gewähren. Aber nur ohne Umstände, lieber Doktor,
wir begnügen uns mit einem jAätzchen auf dem Ueuboden, wenn
es an Raum gebricht."

kVie man in manchen unangenehmen Situationen bei dem
Zusammentreffen verschiedener Umstände zuweilen unwillkürlich
laut auflacht, so war der Doktor nahe daran, seinen neuen
Gäften in das Gesicht zu lachen, nur mit Ubühe konnte er sich
bezwingen und die Fremden unter den üblichen Uöflichkeits-
formen in das chaus geleiten.

Uaum war die gegenseitige Vorftellung beendet, rief Michl
seinen Uerrn wieder ab. Draußen fand fich der Briefbote mii
einem Telegramm. Der Doktor las nach Tmpfang desselben i
„U?enn IVetter günstig, treffen mit Nachmittagszug Ukitglieder
unseres Vereins mit einigen Damen ein, Gräberfund in Augen-
schein zu nehmen. Bitte um gütige Aufnahme für einige Tage.
Vorftand des Altertumsvereins."

Das ging dem Doktor doch über den Tpaß. UUt den
chremden, welche er bis jetzt aufnahm, glaubte er fertig werden
zu können, so wcit reichten zur Not seiue Vorräte und seine
Räume; der in Aussicht ftehende Nachschnb mit Damenbegleitung
brachte ihn jedoch in vollständige Verwirrung. Tin schwacher
Uoffnungsftrahl, daß die ihm zugedachte Ueberraschnng zu UArsser
werden könnte, lag noch in dem hentigen U?itterungscharaktcr.
U?ie der Landmann nach allen Utindrichtungen Ausschau hält,
wenn monatelang kein Tropfen Regen gefallen ist, so schaute
jetzt der gute Doktor den Uimmel nach einem U?ölkchen ab,
doch der blickte blau und blank herunter, als hätte er vorhin
mit Tturm und Ulletter nur einen schlechten U)itz gemacht.
An sich herumtastend, griff der Geängftigte nach dem cheldstecher,

den er zufällig in der Tasche hatte. Man konnte von hier aus
die Bahn und die Ualtstation übersehen, von welcher der U)ea
zu des Doktors Besitztum führte. Ietzt fuhr der Z»g in den
Bahnhof cin, cine seltene Lebhaftigkeit zeigte sich heute auf dem
jderron, allmählich löjte sich die Ukenschenmenge auf und in langen
Linien, gleich einem Zug U?allfahrer, schlug man den U?eg zu
des Doktors Behausung cin.

U?ie der cinsame Uolonist an der Tüdspitze Afrikas mit
klopfendem Uerzen die Richtung einer u?olke kfeuschrecken ver-
folgt, so folgte dieser mit seinem chernrohr jeder Bewegung
des anrückenden Zuges. Breite Ttrohhüte, fliegende Tommer-
kleider, goldgefaßte Augengläser, Tonnen- nnd Regenschirme
fingen an vor seinen Augen zn tanzen und von ungeahntem
Grauen erfaßt, ftürzte er auf sein Zimmer, raffte Rucksack,
Uut und Bergstock zusammen, eilte durch den hinteren Teil des
Gartens ins chreie und ward nicht mehr gesehen.

Trst nach Mlonaten, als der Tchnee die U?ege gründlich
verschneit hatte, suchte er sein Ueim wieder auf. Die Nach-
grabungen in seinem Gräberfund wurden aber vor Beginn der
nächsten Ferien beendet.

öLvperbet.


u n t e r o ff i z i 6 r I>es Lrcrzierens zu emeni Irciliiaten) :

„wenn Dich der sel'ge Ttrauß hätte einmal ererzier'n seh'n,
ich glaube, dann hätte er bloß noch Lrauermärj che kom-
ponieren können."

Verantwortlicher Redakteur: Ukax Tchreiber. Druck von Z- ch- Tchreiber, beide in Tßlingen bei -tuttgart.
In G e st e r r e i ch - U n g a r n für Uerausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in lVien I.
Vrrlng von I. F. Schreiber in Mnnchen nnb Etzlingrn.
 
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