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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0062
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58

Bleggenäorser s L) u m o r ist i s ch e Biätter.

Älassifinert.

— „Tehen 5ie nur, wie reich geschmückl die kleine Kommerzienralstochter ist!"

— „Ia. das reinste Perlhuhn!"


beleuchtet das Ziel meiner heißen Sehnsucht. — Ich drücke aus
die Itlinke. Verschlossenl sgch laste nach einem Schellenzuge.
'lteiner da! Auch das noch. Alopsen dars ich nicht, sonst könn-
ten Nachbarn mich sehen. Ich überlege. vielleicht hat das
6aus einen zweiten Lingang an der Rückseite. Behutsam
steige ich die sechs Ltusen hinab und schleiche nach links. Line
hohe INauer starrt mich an. Nach rechts l Lin Psörtchen I Ich
drücke dagegen, es gibt nach. Gott sei Dank! Ich bin aus
dem umschlossenen 6ose. Ietzt kann ich's wagen, halblaut zu
rusen.

Aber o weh! Lin viertelftündiges Rusen überzeugte mich
mit grausamer Gewißheit: Gustav war nicht da! Ich Lsel!
Das kommt davon, wenn man jemand überraschen will. Schon

chritz Reuter warnt davor, weil
nichts Vernünstiges dabei „rute
kamen" kann. Aber mit dem
Trotz, den schwere 5chicksals-
schläge manchmal erzeugen, sagte
ich mir: und wenn Gustav
nicht da ist und wenn das chaus
auch verschlosscn ist wie eine
verwunschene Burg, ich komme
hinein! Alein Blick stel aus
ein halb ostenes Fenster im
ersten Ttock. Wenn ich jctzt eine
Leiter hätte! ^ luckcker, u luck-
cker, rnz: Icin^ckom for u luckcker!
sagte ich frei nach 5hakesxeare.
Aeine zu finden! Aber schäme
dich, Iunge! chür einen Nen-
schen, der in srüheren Iahren
ein tüchtiger Turner war, bei
dem die grausame Iwangslage
den ungünstigen Amstand größe-
rer Aörpersülle mehr wie aus-
gleicht, sür den ist das Abfluß-
rohr eine Aletterstange cornine
il kunt, zumal da die tiesen chugen
zwischen den Tteinen seinen
chüßen chalt geben. Das Aunst-
stück gelang, ich huschte in ein
dunkles Zimmer und lehnte mich
erschöpst gegen die chenster-
brüstung, aber jubelnd brach
es aus übervollem cherzen:
„Gerettet!"

Das 5chicksal schien end-
giltig Friede mit mir geschlossen
zu haben. Schon der erste tas-
tende Grist brachte mich in den
Besitz eines Feuerzeugs. Auch
eine Lampe sand ich. — Tben
hatte ich begonnen, im Zimmer
Umschau zu halten, da drang
das Geräusch eines leichten
Tchrittes und das leise Rauschen
eines chrauenkleides an mein
Ghr. ?ie Thüre geht aus, und
das Licht der Lampe sällt aus
eine schlanke Rlädchengestalt. —
Ghne chut, Rock, IVeste
und Ttiesel, Gesicht und lhände
mit Ttaub und Tchweiß besudelt,
aber mit ausgestreckten bsän-
den und meinem liebenswürdig-
sten Lächeln — so ging ich aus die Schwester meines Freundes zu.
Ach, ich muß gestehen: der erste Lindruck, den sie von mir ge-
wann, war der denkbar schlechteste. — Das Nädchen stand bei
meinem Anblick einige Tekunden wie sestgebannt in Todesschrecken.
Dann stieß es einen gellenden Angstschrei aus und stürzte davon.

O, die versluchten lVeibernerven! lVäre sie nur eine Mi-
nute stehen geblieben, daß ich sie hätte ausklären können! —
lVas wird sie jetzt thun? Ihren Bruder rusen? Das wäre
inir recht. lVie aber, wenn Gustav nicht in der Nähe, wenn
er qar nicht im 5tädtchen ist? Tie^wird die ganze Nachbarschast
zusainmentrommeln. Atit Tensen und lseugabeln rückt das
Ausgebot an. Ich werde wie ein Verbrecher gefesselt und durch
die Ttraßen der 5tadt zum Sxritzenhause geschleppt. — Ralter
 
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