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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0063
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jtN e g g e nä or se rs t) u 1Nor lstlsche lätte r.

59

Der erste Lindruck.

Schweiß brach inir aus allen poren. Ich rannte in wilder bsast davon. Die Treppe !
herunter, heraus aus dem bsause, heraus aus dem 5-tadtchen. Iin Dunkel des
tValdes will ich mich niederlegen und — sterben.

Der Nond war inzwischen hoch gestiegen und beleuchtete nnt seinein kalten,
mitleidlosen Lichte die sliehende Iaininergestalt. Tinige tausend i?chritte voin
Städtchen entsernt blieb ich stehen, um Atcm zu schöpsen. Da hörte ich iu der
stillen Nacht ein Getöse wie von lausenden uud schreienden Menschen. Ich wandte
den Nops. Richtig! Nan ist hinter mir her. Lchon kann ich die Rotte der
Oersolqer erkennen. löandseste Aerle mit INordinstrumenten aller Art. Allen
voraus ein Akensch mit anscheinend großer Gewandtheit, dcnn er entsernt sich
sichtlich vom Gros und nähert sich mir in demselben tNaße. Anter sürchter-
lichen Drohungen schwingt er einen Dreschslegel wirbelnd durch die Lust. — ^ch
bin verloren! Allarum bin ich Tsel vorhiu aus dem lsause gclausen. Tine Nacht
im Spritzenhaus zu sitzen ist doch immerhin besser, als von erzürnten 5-pießbürgern
totqeschlagen zu werden wie ein toller Nund.

tvährend ich so da stand und meine Dummheit verwünschte, merkte ich plötzlich,
daß der INann mit dem Dreschslegel seine Tile stark gemäßigt hatte. Auch das
Gros schien langsamer vorzurücken.

„Schlag ihn aus den Aopf, l5chneider!" brüllten jetzt die Nersolger. Ter
Lchneider blieb stehen und schwang seine Masfe mit einer so wüteuden lv-chnellig-
keit, daß ich mein letztes Stündlein gekommen wähnte. — Da durchblitzt mich ein
Gedanke. Ich will aus den INann zugehen und ihm mein Mißgeschick erzählen.
Oielleicht läßt er mich leben, wird gar zum chürsprecher sür mich. Nkit erhobeuen
bsänden ging ich auf den Schrecklichen zu. Lr wich einige Schritte zurück.

„Ietzt will er Raum zum Lchlage gewinnen," dachte ich in Todesangst.

„Schneider, paß aus, er schießt!" ries's da plötzlich aus dem Gros. Und im
selben Augenblick wandte sich die ganze Lchar,' der Schneider wars seinen Dresch-
slegel weg und — hoiho! wie die wilde chagd ging's zum Ltädtcheu zurück.

„Nehmt mich mitl Nehmt mich mit! Lr schießt mich tot I" krähte der Lchnei-
der. „M meine arme Frau! Ach, meine armen Ainder!"

And er lies mit erstaunlicher Lchnelligkeit, schneller wie der Gauner, der mir
meine Aleider gestohlen. Ia, der Gauner! Ltand er da nicht vor mir und zeigte
mir sein höhnisch grinsendes Gesicht mit den weißen Raubtierzähnen?

„lhab' da zwischen den lheuschwaden gelegen," sagte er mit heiserem Lachen,
„denn unsereins dars sich nicht leicht in die Nähe der Atenschen wagen, zumal
bei Nachtzeit nicht, wenn man die Augen nicht ossen halten kann. Aber gelacht
hab' ich wie noch nie in meinem Leben. Ts ist gar zu lustig, wenn so ein seiner
6err auch einmal gehetzt wird wie ein wildes Tier. IVegen seiner Kleider kann
der Gerr übrigens ganz beruhigt sein. Lie sind irgendwo sicher versteckt und wenn
ich hier in der Gegend meine Geschäste- gemacht habe, sollen sie schon an den rich-
tigen Akann gebracht werden. chür ein paar lustige Tage wird's wohl langen."

„lhalunke! Lpitzbube! Räuber!" brüllte ich, sast wahnsinnig vor lVut, und
drang aus den Rerl ein. Tr hob den knotigen Ltock, ich aber sprang ihm wie
ein Tiger an die Aehle. In wildem Ringen stelen wir zu Boden. Bald kniete
ich aus meinem Gegner und hielt ihn nieder. Aber meine erschöxsten Rräste
waren einer dauernden Anstrenqung nicht gewachsen. Nur durch einen Fehltritt
war der Nerbrecher nach unten gekommen. Im nächsten Auqenblick mußte er
oben liegen.

„bsilse! lhilse!" ries ich mit Ausgebot aller Arast; denn ich hörte Lchritte in
der Nähe. And bald klang eine Ltimme. Bei Gott, sie klang mir wie Lphären-
gesang. Das war Gustav.

„lVas geht hier vor?"

„ksierhin, Gustav!" brüllte ich.

„Mie? !Ver ist da?"

„Ich, Gustav! Rarl lNüller! Lchnell, schnell!"

„lVas? Aarl Nüller? Nein Aarl?"

„Ia, ja! Aber rasch!"

Da sauste Gustavs Spazierstock nieder.

„Du lve—ge—la—ge—rer ich will Dir helsen ordent—liche Leute zu über—
sallen da—da—da!"

bsageldicht fielen die lsiebe, und keiner ging verloren. Aber leider kamen
sie an die unrichtige Adresse; denn Gustav hielt mich sür den Räuber, und
eigentlich kann man's ihm nicht verdenken. Doch es thut weh, von Freundeshand
geschlagen zu werden. Ich riß mich von meinem Gegner los und drang aus

(Schluß Seite 60)

Warmma.

^tz>ei no' net gar so sürchtig stolz

i,Md lass' Deiu Prast und lass' Dein Trutz,
Au' aus der ällerschönste Ros'
wird schließlich bloß - a lsagabutz!*) As
Gustav Seuffer.

Aatate Verwechslung.
 
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