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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0067
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Meggendorfers Hurnoristischs Blätter.

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Frühling in nie versiegender Schönheit er-
strahlt. Du träumst von ewigem Glücke und
Sonnenschein, — um dann wieder zur nüch-

ternen Alltäglichkeit zu erwachen.

Das war der Eindruck, den die Zauber-
weisen des Spielmannes aus die Seele des
chörers hervorbrachten. Ls gab kein noch so
starres bserz, das daran nicht "rweicht wurde,
und die härteste Lisrinde schmolz wie eine
bsandvoll kserbstreis in der Glut der Tropensonne, so hatte er
alle in seinem Banne.

Und die Frauen? — Du lieber Lsimmell Da gab es nicht
ein lNägdelein im ganzen Reiche, deffen cherz nicht dem schönen
Iüngling, um dessen hohe, edle Ltirne die nachtschwarze Locken-
fiut wallte, entgegengeschlagen hätte.

Doch der sah nicht die liebesehnenden Blicke, achtete nicht
der zehrenden Flammen, die er in ihren Busen entzündet, sein
träumerisches Auge glitt teilnahmlos über sie alle hinweg,
war doch sein Geist so ferne von hierl weit sort über Berge
und Thäler, über Flüffe und Seen schweisten seine Gedanken,
bis zu einer Lsütte am LValdesrande, wo ein jungfräuliches Lserz
in reiner Liebe seiner gedachte und mit sehnendem Munsche
seiner wiederkehr harrte.

Im Sommer war's. Die Sonne war hinter den waldge-
krönten Bergspitzen untergegangen, und am sternbesäten Racht-
himmel zog langsam die silberne Mondsichel heraus.

Dort, wo herniederhängende Baumzweige im verein mit
Fliedersträuchen eine natürliche Laube bildeten, saß er und küßtc
mit heißer Inbrunst die Lippen, die soeben in holder verwir-
rung die selige verheißung gestammelt^ „Gwig Deinl" — In
süßem Erschauern schmiegte sich die liebliche lNädchengestalt an
ihn, das blonde Aöpfchen lehnte an seiner Brust.

In den Zweigen schlug die Nachtigall, und sie beide lauschten


s war einmal ein Sxiel-

mann.

Lsoch zu Roß, die Fiedel
an der Leite, so zog er
durch die Welt. Und
überall, wo der ksuf seines Pferdes den Boden
berührte, wurde er mit freudigem Iubel
emxfangen. Aönige und Fürsten schätzten

sich glücklich, wenn er nach langer Fahrt ihre
prächtigen sdaläste als Ziel sich erkor, denn sie alle beugten das
Rnie vor der hehren Majestät seiner Runft, vor der alle ir-
dische Größe in Nichts zerfiießt. Lin Gott schien er allen,
und wahrhaft göttlich war die Allgewalt seiner Töne.

U)enn er den Bogen an die 5aiten setzte, klang es, als ob
ein leiser Zephyr der Aeolsharfe Sphärenklänge entlockte, die
im Abendwinde sich leise in die Ferne verlieren; wie wenn der
Vuell im lvalde mit melodischem jAätschern aus dem Stein
herausriesele, wie Räfergesumm und vogelgesang an einem
Sommermorgen in weltabgeschiedener lValdeinsamkeit. Dann
sang der Sturm sein trotzig Lied, vor dessen nrachtvollen Lsar-
monien die starke Eiche erbebte, und dann wiederum hörte man
den schmeichelnden Lockgesang der Sirenen, der die Schisfer mit
dämonischer Gewalt hinabzieht in die grausige Tiefe, um nie
wieder das goldene Tageslicht zu schauen. Dann klagte die
gefangene Nachtigall nach der verlorenen Freiheit, eine heiße,
ungestillte Sehnsucht klang aus den schmelzenden Tönen, die
der fahrende Geselle seiner Fiedel entlockte . . . . '

Lauschtest Du schon einmal dem Spiele eines gottbegnadeten
Rünstlers? lVer vermöchte den geheimnisvollen Zauber zu er-
klären, der Deine Seele beim Lrklingen der Töne gefangen
nimmt? — vergessen sind alle quälenden Sorgen, der Schmerz
und die Tualen, wie sie das Leben mit sich bringt; willenlos
läßt Du Dich in unendliche Fernen entführen, wo ewig der
 
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