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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0068
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Meggendorfers L)umoristische Blätter.


ihrem Sange. In beider Brust bebte noch der IViderhall
der beseligenden Ivorte: „Lwig Dein!" — Stunnn saßen sie,
eng aneinandergeschmiegt, und träumten von der Zukunft. wie
vermöchten auch leere worte dem höchsten und reinsten Glücke
Ausdruck zu verleihen? — „Dein, ewig Dein!"

Aber nicht leichtfertig wollten sie den Bund fürs Leben
schließen. Lr sollte sich erst prüfen, ob seine Liebe znr schlich-
ten waldblume nicht nur der Rausch eines Augenblicks sei.
Lr, zu dein ^ürstenkinder in heißer Licbe entbrannten, sollte
in die welt hinaus. Und wenn es ein stüchtiger Sinnesrausch
war, und er im Strome des Lebens daraus erwachte, so sollte
er wieder srei sein wie zuvor. Sie wollte seinem Genius keine
hemmende Fessel sein. wenn der Frühling Land zöge,

dann dürste er kommen und sie einen Augenblick sehen. Und
wenn zum drittenmal die chrühlingsstürme an den Läden des
kleinen bsäuschens rüttel-
ten, und sein bserz noch
sühlte wie damals, dann
wollte sie ihm angehören
— auf ewig. —

Bie wollte es so,
und er sügte sich.

Und als am nächsten
wlorgen der Tau im
Sonnenstrahle gleich De-
manten sunkelte, stand
sie aus dem bsügel, von
dem aus sie dein Davon-
ziehenden den letzten
5cheidegruß zugewinkt
hatte. Aber dann ihrem
Blicke entschwunden,
rollte eine Thräne über
die rosige wange, dann
noch eine, — wieder
eine —, und dann brach
sich der Thränenftrom un-
aushaltsam Bahn. Sie
meinte, sterben zu müssen.

Zum drittenmal
seit jenem Morgen hatte
Uönig Lenz den Aamps
gegen den griesgrämigen
Desxoten winter sieg-
reich bestanden. In
strahlender 5chönheit
wandelte der allmächtige Eroberer über die erlösten F^uren,
und unter seinem Tritte sproßten Blumen und Aräuter aus der
wiedererwachenden Trde.

In den lachenden Frühlingsmorgen hinein trabte ein
Reiter. Ungeduldig gab er dem edlen Rosse immer wieder die
5poren, sein regelschneller Lauf deuchte ihm wie der Gang
einer 5chnecke. Der 5pielmann war's der zu seinem Lieb'
eilte, um sich nie wieder von ihm zu trennen.

Drei Iahre war er in der welt herum geirrt. Alle Reiche
der Trde hatte er durchzogen und so seinen Ruhm verkündet.
Alle Uönige waren ihm in treuer Freundschast ergeben, er
wurde geseiert als ein Gott, aber der schlichten waldblume hatte
er nicht vergessen. Nach wie vor strahlte ihr Bild in seinem
kserzen und seine Liebe zu ihr war nicht geringer geworden.
Aweimal seit jenem Abschiede hatte er sie slüchtig umarmt,
einen Uuß mit ihr getauscht, dann war er wieder sort, in die
Ferne gezogen. Und nun kehrte er zum drittenmal zurück,
reich an Lhre und Ruhin, nun gehörte die tholde sein — aus ewig.

Mit windeseile trug ihn der seurige Renner über die
grünende Lbene, ohne Rast und Ruh ging es dahin. Die
Sonne stand im Zenit, und noch war er so ferne von dem heiß-
ersehnten Ziele. Ts schwand der Nachmittag. Länger und
länger wurden die Schatten, und langsam ging der Tag zur
Neige, da nahte er sich jenem bjügel, auf dem sie vor drei
Iahren Abschied genommen. Lr seuerte sein treues Roß zu
einer letzten Anstrengung an. Ietzt hatte er das Bächlein

durchquert, noch um jene Thalecke, und nun-Lntsetzen

lähmte ihn, als er vor dem Gärtchen hielt.

Sah er auch recht? wo waren all die blühenden Blumen,
an deren Stelle nun das Unkraut üppig wucherte? wo war
Schön-Rottraut, sein süßes Lieb? — Lr stieg von dem j)serde
und band es an die morsche Umzäunung. Langsam durchschritt
er das halbversallene Lsäuschen, durch dessen zertrümmerte

Thüren und Fenster der
Abendwind strich, und so
seine heiße Stirne kühlte.
Er ging in den Garten,
hin zu dem plätzchen,
wo sich in jener Sommer-
st» uacht ihre Berzen gesun-
den. Unter den Füeder-
büschen erhob sich ein
kleiner, grün überwach-
sener Erdhügel, daraus
setzte er sich. Ls sah
aus wie ein Grab.

Mit brennenden Au-
gen sah er ins Leere,
eine unendliche Gede er-
süllte sein Inneres. So
saß er noch unbeweglich
da, als schon die Schatten
der Nacht sich hernieder-
senkten. wer sollte ihm
das Rätsel lösen? — Tr
nahin seine chiedel zur
bsand. Und alles, was
sein Inneres bewegte,
der heiße Seelenschmerz,
die getäuschte Fjossnung,
alles klang wieder in den
klagenden Tönen, die in
die stille Nacht hinaus-
drangen. — Da xlötzlich
horchte er aus. j)n den Zweigen des Baumes begann die
Nachtigall zu schlagen. Still und traurig klang ihr Lied. Aünstler
verstehen die Sprache der Natur, ihnen ist auch der Gesang der
Nachtigall verständlich. Und so lauschte er der kleinen Sängerin:

Tin Spielmann hatt' ein Mägdlein lieb,
Schön-Rottraut ward's genannt.

Rein andres so an Tugend reich,

Gab's wohl im ganzen Land.

Der Spielmann weilte, ach, so sern,

Zog fiedelnd hin und her,

Ach Spielmann, kehr zu Rottraut bald,

Du find'st sie sonst nicht mehr!

Schon naht der wilde Iunker sich
Und wirbt um ihre Gunst.

Doch Rottraut blieb dem Spielmann treu,

Ls war sein Fleh'n umsunst.
 
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