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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0069
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Meggendorfers ^urnoristische Blätter

65


Da saßt den Iunker wilder Zorn,

Lr weiß nicht, was er thut —

Lr reißt sein scharses Schwert heraus,

Ls särbte sich init Rottrauts Blut.

lDas säumtest, Sxielmann Du so lang?

Und kainst nicht früher her? —

Schön-Rottraut ruht iin kühlen Grab,

Du siehst sie niininerinehr!

Die Nachtigall schwieg. Stumm saß er da, er hatte Gewiß-
heit. Gemordet war sein Glück I — Ach, könnte er jetzt ster-
ben, könnte er mit ihr vereint im Grabe ruhen! — !Das sollte
er auch auf der lVelt? — Doch wie, wenn er den lNörder auf-
zufinden, Rottraut zu rächen suchte?

Mit raschem Entschlusse sprang er aus. Ia, er wollte den
Bösewicht suchen, ihn bestrafen und dann —

Bevor er schied, spielte er dem Vogel ein Danklied, dann
ging er in die Nacht hinaus. lVohin? . . .

lVeit in der kVelt herum trugen ihn seine Irrsahrten.
Ueberall spielte er das Alagelied, das ihm die Nachtigall vor-
gesungen. Alle Ukenschen, auch die Fühllosesten, vergossen
Thränen, wenn sie es hörten, aber der, dem es galt, war noch
nicht gesunden.

Tines Abends langte er müde und hungrig aus einer Burg
an. Line drückende Stille lastete aus den weiten Ballen, der
Burgherr war zum 5terben. Als dieser hörte, ein Bpielmann
sei angekommen, ließ er ihn zu sich rusen, und bat ihn, ein
Lied zu spielen. Der nahm seine Fiedel, und bald klang das
schluchzende Lied der Nachtigall aus den 5aiten. Da schrie mit
einem Ulale der sterbende Burgherr laut auf. Lr besahl, man
solle ihn mit dem Sxielmann allein lassen.

Als nun alle hinaus gegangen waren, da bekannte der ,
Sterbende seine gräßliche Schuld. Tr war der Ulörder 5chön-
Rottrauts. Tr habe sie geliebt von der Ztunde an, da er sie
zuerst gesehen. Aber all sein lVerben um ihre Gunst war ver-
gebens. Und als er sah, daß alles umsonst war, loderte in ihm
ein wilder Zorn aus. Nicht wissend, was er that, stieß er ihr
das Schwert in das reine Berz. Als er die holde Blume starr
und tot vor sich sah, kam er wieder zur Besinnung. Lr be-
grub sie unter den chliederbüschen und errichtete über ihrem
Grabe einen kleinen Bügel. Ls war derselbe, aus dem der
Spielmann geruht. Dann floh er die Stätte des Verbrechens.
Ruhelos irrte er umher, stets fland die Gestalt der Gemordeten
anklagend vor ihm, es war ein entsetzliches Dasein, das er ge-

sührt. Nun nahte sich ihm endlich der heiß ersehnte Tod.
Sein Geständnis war zu Tnde, er flehte nur noch um des
Sxielmanns Verzeihung.

lVortlos hatte ihm dieser zugehört, und stumm reichte er
dem Mörder seines Teuersten die Rechte, — er verzieh ihm.
Lin letzter Blick des Dankes tras ihn aus dem brechenden Auge
des Sterbenden, dann ein tieses Ausatmen, — er war tot.

Als kaum der junge Morgen graute, verließ der Spielmann
die Burg. Seine Irrsahrt war zu Tnde, es verlangte ihn
nach Ruhe. Tr wandte den Laus seines Rößleins nach jenem
einsamen Thale, wo sein Glück begraben war, dort wollte er
von nun an leben. Er baute das Lsüttchen wieder aus und
zog hinein. Vom moosgedeckten Dache verkündete alltäglich
ein Glöcklein mit silbernem Geläute das Ave, die Frommen
auffordernd zu stillem Gebet. Und bald ging im Land die
Märe von dem Tremiten im weltabgelegenen Thale, aus dessen
chütte noch nie ein Lsilsesuchender ohne Trost im gequälten
cherzen sortgegangen war. Von nah und sern kamen die Leute
zu dem lVundermanne, und er half allen. Aber nicht allein
Alänner und Frauen waren es, die zu ihm kamen. Nein, auch
Rinder kamen in großer Zahl, und diese hatte er besonders
lieb. Stets war er denn auch von einer Schar allerliebster
kleiner Büblein und Nägdlein umringt. Mit Begierde lausch-
ten sie den lVorten des weisen Mannes, und manch lehrhastes
Sprüchlein, das von seinen Lippen floß, schlug krästig lVurzeln
in den unverdorbenen Kinderherzen, wurde zum Baume, der
reiche und edle Frucht trug. Ts schwanden die Iahre, und
längst war die Rinderschar hinaus, um im heißen Kampse mit
dem Leben zu ringen, und auch an ihm waren sie nicht vor-
übergegangen, ohne ihre Spuren zu hinterlassen. Sein Lsaupt
deckte der Schnee des Alters, und ein weißer Bart reichte ihm
bis an den Gürtel. Mit liebevoller Sorgfalt hatte er das Grab
unter den Fliederbüschen gexflegt, und täglich begoß er die
wilden Rosen, die aus dem Bügel herauswuchsen, — es ruhte
ja sein Glück darin I

Tines Abends, es war im Sommer, da wurde ihm seltsam
zu Mute. Nie mehr seit jenem Abend in der Burg, hatte
er seine Fiedel angerührt. kseute nahm er sie wieder zur bsand.
lVie ehedem quollen die süßen lVeisen unter dem Bogen her-
vor, und wurden vom lVinde in die laue Sommernacht hinaus-
getragen; es klang wie ein Abschiedslied. — Am nächsten Mor-
gen schwieg das Glöcklein aus dem Dache. Rnd als dann Leute
kamen, fanden sie ihn still und kalt auf dem harten Streulager
hingestreckt. Tine stille Zusriedenheit lag auf den ernsten Zügen,
er war mit seinem Lieb vereint — auf ewig.

Hans Kleindienst.
 
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