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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0099
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217 e g g e n ö o r f e r s L) u ni o r i st l s ch e Blätter



„Ich hatte gestern Abend die Lhre und das Oergnügen,
"thre werte Familie kennen zu lernen und ich kann nicht worte
aenua finden sür den Lindruck, den der Geist und die Lchön-
keit Ihrer Dainen, die Aenntnis und Alugheit der köerren aus
mich gemacht haben."

„5ehr schineichelhast! Lassen 5ie mich die Bemerkung an-
schließen, dast meine chrau und Töchter begeistcrt Ihr Lob ge-
sungen haben und dem Lohne und Bruder nicht ost genug zu
einem solchen chreunde gratulieren konnten."

„Diese Bestätigung sreut mich unendlich. Ich wage es
daher, die chrage an Sie zu richten, ob es Ihnen genehm wäre,
wenn ich morgen bei Ihnen und Ihrer chrau Gemahlin um
die bsand Ihrer Tochter anhalte?"

cherr wiedenrann streckte dem jungen cherrn die chand über
den Tisch entgegen, in welche dieser krästig einschlug.

„Abgemacht I"

kserr wiedemann ging sodann einigemal im Ziminer
aus und ab, dann blieb er vor dein werber stehen.

„6err Bildebrandt! Zch habe mich über Ihre Berhältnisse
erkundigt. Dieselben entsprechen durchaus dem, was ich sür
meine Tochter beanspruche. Lie sind mir eine weitere Lr-
klärung nicht schuldig."

„Bcrr wiedemann! Gerade so liegt die Lache aus meiner
5eite. Ich bin vollständig orientiert."

„Gut! Das sreut inich! Iedoch — ich bin ein chreund dcr
Grdnung und Alarheit und um keinerlei INißverständnisse aus-
kommen zu lassen, möchte ich Ihnen noch solgendes auseinander-
setzen. A?ie 5ie wissen, habe ich drei Töchter: Lsulda, Laura
und Bosa. Iedes Aind bekommt eine gediegene Ausstattung
mit und als Nlitgist sünszigtausend Alark."

„Ich bin entzückt, aus Ihrein Nlunde die Bestätigung dessen
zu hören, ivas ich schon wußte."

„Und Lie sind zusrieden damit?"

„kltehr als zusriedcn: ich bin glücklich, denn ich liebe Zhrp
Tochter."

„Atein lieber bsildebrandt! 5o wird es uns also cine Lhre
sein, SiesmorgensSonntag zn erwartcn. Um welche Zeit dürsen
wir aus Zie rechnen?"

„Ich werde pünktlich um ein Uhr erscheinen und Lie um
die Lsand Ihrer Tochter Rosa bitten."

„5ie meinen Laura."

„Pardon! Ich meine Rosa."

Der kleine lherr sprang auf:

„5ehen Lic, das kommt davorr, wenn man nicht alles ganz
genau und haarklein bespricht. lvas hätten Lie nun sür einc
Aonsusion angerichtet! Also hören 5ie: meine älteste Tochter
heißt ksulda, meine jüngste heistt Rosa; diejenige aber, die Ihnen
gestern gegenüber sasz, die mit dem großen ksut, welche Sie zur
Zrau haben wollen, heißt Laura. INerken Lie sich das, bitte."

„Berzeihnng, ich meine aber Rosa."

„Aber lieber Lserr ksildebrandt, Lie werden doch nicht wollen
mich meine Töchter kennen Ichren. Lie meinen die Laura."

„Mein teurer Berr tviedemann! Ls ist ja möglich, daß
5ie Laura meincn. Das Mädchen aber, das ich liebe, ist Zhre
jüngste",Tochter und heißt Rosa."

„6err Bildebrandt, das ist unmöglich. wollen §ie wirklich
- jeden Irrtum ausgeschlossen - um Rosa anhalten?"

„Das wäre mein Berzenswunsch."

jstn ivilder Lrregung stürmte lUiedcmann im Zimmer hin
und her. Lndlich brach er los.

„Das ist unmöglich! Das geht einsach nicht! Das gebe
ich nie zu. wie kann man die jüngste zuerst verheiraten! Das
thut kein Atensch. Ich mache 2thnen gegenüber schon eine^große
Ausnahmc, daß ich Ihnen außer der Reihe die zweite geben
will. Das ist schon sehr viel. Denn 5ie müssen doch einsehen,

Boshast.

wucherer: „Ich besaß in meinem ganzen Leben noch nie
einen j?elz."

Berr: „Sonderbar, ivo 5ie doch schon so vielen das Zell über
die Mhren gezogen haben."

daß dadurch die Thaneen der ältesten sich verschlechtern. Aber
iogar die jüngste — nein, nein und abermalss.'nein!"

kierr Bildebrandt erhob sich und sagte sörinlich: „Dann
entschuldigen Lie vielmals, wenn ich 5ie unnöiig gestört habe.
Zch muß dann versuchen, ohne Rosa zu'leben. §eben Tie wohl!"

IDiedemann drängte den jungen Dkann, welcher sich zuin
Gehen wandte, wieder aus seinen Ltuhl zurück.

„Lo setzen Lie sich zunächst wieder ruhig hin. UAr
wollen über die Lache reden. U?er wird denn gleich so hitzig
sein? D?as haben Bie denn eigentlich gegen die Laura?"

„Bichts! Aber ich liebe Rosa!"

„Ist Laura nicht ebenso hübsch, schlank, ebenmäßig, kernig
und krästig?"

„Das ist sie sicherlich, aber ich liebe Rosa."

„Ist Lcnwci nicht sogar witziger, interessantcr, geistreicher,
pikanter als der nüchterne Backstsch?"

„Das trisft alles zu, aber was wollen Lie gegen die Liebe
thun?"

„6at Lie denn der ksut gestern wirklich so sehr gestört?"

„Bicht im geringsten, wenngleich es nie angenehm ist, an
eine versehlte Lpekulation erinnert zu werden. Aber da wandte
ich plötzlich meine Blicke Ihrer Iüngsten zu und als ich sic in
deren schwarze Augäpsel versenkte, dastvar es um mich geschehen.
Ich werde niemals glücklich werden können ohne dieses lNädchen."

lDiedemann ging lange in tiefen Gedanken im Zimmer hin
und her. Lr wollte aus keinen chall den reichen und geschästlich
außcrordeutlich einflußreichen chreier schwimmen lassen. Darum
hatte er ihm auch die zweite, eigentlich hübscheste Tochter zu-
gedacht. Ietzt kam nun der unglückselige INensch aus den Ge-
danken, die jüngste habcn zu wollen. Aber die Liebe ist ein
Faktor, gegen den sich schlecht streiten läßt, und gerade in die-
sem Zall schien sie mit ganz elementarer Mucht ausgelodert zu
jein. IDenn sich also das ganze pdrojekt nicht zerschlagen sollte
- und das wäre sehr unangenehm gewesen, weil man schon
 
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