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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0109
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INeggen - orfers l) u m o r i st i s ch e BlätIer

lOö


?er 6err j?rovisor hörte von alldein nicbts.

Der war so lebbaft in der Unterbaltnng mit seiner Lisch-
genossin, dein kleinen Fräulein Lilly Berger begrifsen, daß die
tDelt hätte in Trüininer geben dürfen, und er hätte es nicht
geinerkt. Ich bin überzcugt — all das dabei unverineidliche
Rrachen und Tosen wäre klanglos an seinem Ghr vorüberge-
gangen, er hätte init dein gleichen Tntzüeken Lill>ss fröhlichein
Lachen gelauscht und hätte ihr, verschlagen nach irgend eincin
Planeten, einfach dort die Liebenswürdigkeiten erwiesen, init
denen er sie jetzt iin „grauen Bären" bedachte.

In Stößls allzeit liebesbedürftiges Berz war ein Funke
aefallen, der sich iin Berlauf von wenigen 5tunden zu einer
qanz rcspektablen Garbc cntwiekelt hatte. Die Augen hatten
bereits jenen feuchtschiinniernden Glanz, der sie alles in dcin
bekannten rosigen Licht crblicken ließ, und wenn der lherr j?ro-
visor unverinittelt von cinein Uritten angesprochen wurde, inachte
sich eine inerkwürdige Zerstreutheit bei ihm beinerkbar.

ll?ie konnte das auch anders sein!

Das Bekenntnis seiner Liebe lag ihin
drückend auf dein kjerzen, und er wußte sich
keinen Rat, wie er es anbringen sollte,
soviel er darüber nachftudicrte.

Die Zeiger der verräucherten Ruckucks-
uhr rückten schon scharf auf elf Uhr, in
die Unterhaltung waren schon kleine be-
denkliche Lücken gekoininen, Lserr Nagerl
unterdrückte schon wiederholt unter un-
glaublichen Verzerrungen der Gesichtsinus-
keln ein ansteckendes Gähnen -- kurzuin,
inan fing an inüde zu werden und sich
nach all dein Lachen und Lärinen nach
Ruhe zu sehnen.

Stößl war in verzweiflungl Aonnte
er heute nicht inehr mit Lilly sprechen, —
weiß Gott, wann er fie wiedersah. Morgen
init dem frühesten verließ sie D. und dann
konnte er init seinem arg zugerichteten kjer-
zen in der lVelt herumlaufen und schauen,
wie es sich wieder zusammenflicken ließ.

Da half ihm Lillys Freundin aus
der Not.

„Gibt's denn eigentlich," fragte sie,

„gar keinen andern lVeg nach M. als die
öde langweilige Landstraße?"

„G doch!" erwiderte der j)rovisor,

„ein viel kürzerer und obendrein auch ein
sehr hübscher und gut fahrbarer IVeg führt
nach 1N. Aber," setzte er lächelnd hinzu,

„5ie werden ihn nicht finden. Tr ist nicht
markiert und außerdem nur wenigen be-
kannt. Bielleicht gestatten 5ie inir, 5ie
morgen ein 5tück IDeges zu begleiten."

„G, das wäre reizend!" rief Lilly
und klatschte vor Vergnügen in die Bände,
wurde aber gleich darauf etwas verlegen,
als hätte sie zu viel gesagt.

„Das möchten wir Ihnen doch nicht
zumuten," ergriff die Freundin wieder das
lDort, „wir wollen nämlich längstens um
füuf Uhr fort und da brächten wir 5ie
dann um Zhren ganzen schönen 5chlaf."

„Ach 5chlaf — am liebsten möchte ich
heute überhauxt nicht schlafen. lvenn 5ie
also sonst nichts dagegen haben —? Ab-
gemacht also! jdunkt fünf Uhr hier vor

dem Thore! Ukein neues „Tleveland" kann mit seiner ersten
Fahrt zufrieden sein."

Der erst neu herversetzte Gerichtsvollzieher lDapperl war
auf einmal etwas unruhig geworden und machte dem pdrovisor
alle möglichen Ieichen.

Als aber dieser gar nicht darauf achtete, sagte er: „5ie
können morgen nicht fahren, Berr jdrovisor."

5tößl sah den Sxrecher erst starr an, dann aber rief er
laut lachend: „So — ja warum denn nicht? lVollen 5ie mich
daran hindern?"

„Ia — d. h. eigentlich nein, aber —" und er räusxerte sich.

„Aber, aber —" rief 5tößl fröhlich und drohte dem Gerichts-
vollzieher mit dem chinger. „Ich mein' immer, 5ie haben ein beson-
deres Interesse daran, 6err lvaxxerl, daß ich die beiden Damen
allein fahren lafse, aber da wird nichts draus," und heimlich lachte
der glückliche sdrovisor über lVapxerls vermeintliche Tifersucht.

Der etwas schwerfällige Gerichtsvollzieher war in Oerlegen-

Äin Sonntagsreiter-^rleönis.

Na, bin ich froh, daß ich glücklich bis znm Liergarten gekommen bin!
 
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