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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0117
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M e g g e n d o r f e r s ^umoristische Blätter


— — „Dha! Ietzt bin ich gestolpert!" — — —

„Sapxerlot! Ietzt wenn nur der Röhre nichts geschieht!"

„Der kserr Meister läßt sich empsehlen und schickt hier die neue
Zinkröhre!"

Die Normaheil.

^lmalial" Ls war ein.langer, vorwurssvoller Blick, der
diesen 2lusruf begleitete und der wohl jedem anderen
Menschenkind bis ins innerste Nark gedrungen wäre, nur der
Frau Professor Sauermilch nicht, die mit einem ebenso lakoni-
schen wie abweisenden „Ach was I" darauf antwortete.

„Ach was ift gar nichts," fuhr der jdrofesfor gereizt fort.
„Bereits zehn Ninuten warte ich auf mein Frühstück, trotzdem
Du weißt, daß mich nichts so sehr aufregt, als Unpünktlichkeit
und Nach-"


„Aber Du lieber Gott," warf die Frau jdrofessor Sauer-
inilch ein, „es ist ja noch nicht einmal drei viertel auf acht Uhr."

„Und ich sage Dir, es ist bereits zehn Minuten auf acht,"
gab der jdrofessor zur Antwort, zog seine Taschenuhr und legte
sie vor seiner Gattin auf den Tisch.

„Das alte Werk geht heute so, morgen so," antwortete
geringschätzend die chrau jdrofessor.

„Die Uhr ist die jdünktlichkeit selber — wie ich," versetzte
der jAofessor. „Aber eure Uhren gehen ganz nach Belieben,
das heißt, nach eurem Belieben. Steht das Mädchen eine
halbe Stunde zu spät auf, so ist es die Aüchenuhr, die falsch
geht, ein andermal wird auf den Regulator geschworen und
ein drittesmal hat es irgendwo in der Nachbarschaft gerade
zwölf geschlagen, wenn es bereits halb eins ist, kurz und gut,
immer sind es die Uhren, die schuld sind, wenn ihr unpünkt-
lich seid.

Aber ich habe es satt, mich jeden Tag deswegen zu alte-
rieren; es macht mich untauglich für meine^Borlesungen und
ich werde daher ein für allemal diesem Zustand ein Lnde
machen.

Mein Vortrag beginnt heute erst um zehn Uhr; ich gehe
daher zuvor.nach der meteorologischen Station und werde meine
Uhr genau nach der Normaluhr stellen. Nach dieser werden
sodann alle Uhren im chause gerichtet und — wehe euch l — wenn es
dann wieder Differenzen gibt."

In zorniger Erregung stülpte der alte jdedant seinen
Lylinder auf den Aoxf und begab sich nach der eine gute halbe
Stünde entfernten meteorologischen Zentralstation.

Als er daselbst anlangte, war es genau neun Uhr vierzig
Minuten. Lr griff in seine Tasche, um seine Uhr hervorzu-
holen, machte aber die Lntdeckung,

jdackträger und rief ihm zu: „Laufen Sie, so schnell Sie kön-
nen, in die X-Straße zur Frau professor Sauermilch und sagen
Sie ihr, es sei genau neun Uhr vierzig Minuten."

C. A. Hg.
 
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