Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0134
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
l.ZO

ÜN e g g en d o r fer s I) u m o r i st i s ch e Blätter.


Nach dem Parademarsche kommt das Bataillonsexerzieren,
dem der General mit scharscm Blicke solgt. jdlötzlich mendet
er sich zu seinem Adjutanten und scheint ihn auf etwas auf-
merksam zu machen. Dem Gberst des Regiments, zu dem das
Bataillon gehört, scheint das kein gutes Zeichen; er wiegt
sorgenvoll das lhauxt. Denn, daß die Lxcellenz etwas llnge-
höriges und nichts Gutes entdeckt hat, das ift doch ch sicher
wie — na, eben sehr sicherl — In einem unbewachten Augen-
blicke also schlängelt er sich an den Adjutanten heran und fragt
ihn, was der General denn bemerkt habe.

„Ihm ist ein Nann der zehnten Kompagnie aufgefallen!"
sagt der mit einem vieldeutigen, milden Lächeln.

„Donnerwetter!" denkt der Vberst. Er ,angelt^ sich dem-
gemäß in einer j)ause den Bataillonsadjutanten und teilt ihm
das Geschehnis mit. Dieser — der Gberst hatte natürlich nichts
anderes beabsichtigt — reitet spornstreichs zum Alajor und
erzählt ihm, 5e. Excellenz habe fich abfällig über einen Mann
der zehnten Aompagnie geäußert. Entsetzt fährt dcr sowieso
schon Angst schwitzende Bataillonsvater voin Eattel hochi

„lva-wa-was?"
ftottert' er.

„5e. Excellenz
haben sich abfällig
über einen Alann der
zehnten Aompagnie
geäußert!" wieder-
holt der Adjutant,
die bsand am Lselm.

„Ich — ich, na,
ich danke Ihnen!"

Das Ererzieren
beginnt wieder. Unser
Bekannter, der
bsauptmann, bemerkt
zu seinem größten
Echrecken, wie dcr
Najor ihm verschiedentlich grimmige Blicke zuwirft, einmal
hört er sogar im Vorbeireiten:

„Mir sprechen uns noch, mein Lserr lhauptmann!"

Der Ehef der ,Aöniglichen Iehntenh gerade kein kühner
Reiter, fällt fast vom j)ferde: „Alein" lherr lhauptmann hat der
lllajor gesagt, das bedeutet Eturm.

„lVenn nur nicht der verdammte Einjährige daran Echuld
ist!" denkt er und sprengt tapfer seinem lhäuflein voran.

lVährenddem hat die Excellenz den Oberst zu fich gcwinkt,
der wie der Blitz heranschießt:

„Excellenz befehlen?"

„Ach, lieber lserr Oberst, sehen Eie 'mal da, da hinter
der ersten Aompagnie der zweiten Etaffel marschiert ein llnter-
offizier, nein, ein Gefreiter. Sehen Sie den?"

„Zu Befehl, Euer Excellenz!"

„Ach, bitte, dann sagen Sie mir doch nachher bei der Aritik
Namen und Aompagnie des lllannes!"

„Zu Befehl!"

Der Oberjt reitet, haß- und zornerfüllt, abseits und winkt
seinerseits seinem Adjutanten:

„Reiten x?ie zum lllajor, ich wünschte Namen und Aompagnie
des und des lllannes zu wifien; er ist nämlich Se. Exzellenz auf-
gefallen!" - - und er beschreibt ihm genau den Standort des
ahnungslosen Gefreiten.

Der lllajor wird grau vor lllut, als er das nun festgenaaelte
Opfer erlangen kann. Er reitet — nein er braust an den be-
trefienden Hug der — na, natürlich, der zehnten Aompagnie heran,
hinter dem als einziger „llnteroffizier hinter der Front" der Ein-

jährig-Gefreite lllax Rabe marschiert und eifrig bemüht ist, seine
Sache so gut wie möglich zu machen. Als der lllajor näher kommt,
sieht er, daß es „natürlich ein Einjähriger" ist. Er merkt sich
den lllann und sein Rompagniechef kriegt einen lVutblick extra.

Das Exerzieren ist zu Ende, eine pause tritt ein.

„Einjähriger, zum Tausenddonnerwetter, Sie sind Se. Ex-
cellenz aufgefallen! lVie heißen Sie? lVas wollen Sie überhaupt
hier? lVarum find Sie nicht zu lsause geblieben?" wettert der
lllajor. Ilnser lllax ist sehr erschrocken, und da er auf die meisten
Fragen keine Antwort weiß, so hüllt er sich in dienstliches
Schweigen.

„lhol' Sie der Teufel, wie Sie heißen, will ich wisfen!"

„Einjährig-Gefreiter Rabe der zehnten Rompagnie, Oerr
lllajor!" Der „Batailloner" rast förmlich zum Obersten und
meldet ihm, was er soeben erfahren hat.

„Danke!" sagt dieser nur kurz und kehrt ihm dann den
Rücken. Inzwischen kommt Rabes lhauptmann, der gänzlich
geknickt dem Dialoge aus der Nähe gelauscht hat, zu dem fast
beivußtlosen Gefreiten und haucht ihn an:

„Sie ruinieren
mich und die Aom-
pagnie! Sie sind ein
schwarzer Fleck in
meinem Leben, Sie
— Sie — Sie -
Einjähriger!!!! —"

„lserr lfaupt-
mann?"

„lsalten Sie ge-
fälligst den Schnabel!
Na, warten Sie, Sie
sollen noch Schwefel-
säure trinken vor
^ Angst, ich werde Sie

'malhochnehmen!" —
„Feldwebelll!"

„llerr llauptmann!"

„Feldwebelü — Nun, was glotzen Sie mich denn so dumm
an? Zeldwebel, der Einjährige fiiegt drei Tage in den Aafien!"

„Zu Befehl, lferr lsauptmann!"

„Schreiben Sie's auf! Schreiben Sie's auf!"

„Zu Befehl, lserr lsauxtmann!" —

„Ach, mein lieber lserr lsauxtmann, wir sxrechen uns
doch auf dem lfeimwege noch ein wenig, nicht wahr, mein
lserr löauxtmaun!"

Der „Ehef" fährt herum und legt die lsand an den lfelm:
„Zu Befehll, lserr Major!" dann reitet er stumm abseits.
Nacbdem nun erst die Leutnants den unglücklichen Rabe beiseite
genommen und ausgefragt haben, wickelt ihn sich der alte, brave
Feldwebel erst noch einmal ordentlich ein:

„Na ja, seh'n Se 'mal an, Rabe! Das haben Se von
Ihrer verfiuchten Bummelei! Seh'n Se! Ich habe Ihnen
immer gesaqt: Rabe, sagte ich, zieh'n Se den Aolben an! Aber
nee! Die Einjährigen wifien immer alles befier! — Na, ihre
Aorporalschaft sind Se nun los und mit den Trefien — na,
und überhaupt!" und kopfschüttelnd geht er zum chahnentragcr
und läßt sich da einen Schnaps abgeben.

„Siehste, Emil! Die vafiuchten Einjährigen!" chgen nuu
auch die lllusketierc. Rabe aber ist geknickt.

Das Gefecht beqinnt. Die Aompagnie besetzt einen Graben
und feuert, was ,die alte Anarre^ hergeben will — es ifi ja Be-
fichtigung heute! Der Gencral ist vom j?ferde gefiiegen und
stelzt nuu hinter den Schützenlinien her, hie und da eine chrage
an die „Aerls" richtend. So kommt er auch an llläxchen, dcr
 
Annotationen